Nahversorgung in Düren : Grüngürtel verliert einen Ort der Begegnung
Düren Nach zehn Jahren schließt der Dorv-Laden, der mehr als nur ein Lebensmittelgeschäft mit Café war. Auch der Kiosk nebenan wird aufgegeben.
Der Brief, den Ursula Herpertz an unsere Zeitung adressiert hat, hat schon etwas Rührendes. Auf blassrosa Briefpapier, mit Blumenmuster in zwei Ecken, handschriftlich mit erkennbar etwas Mühe verfasst. Sie schreibt: „Im Grüngürtel wird am 30. November der einzige Lebensmittelladen geschlossen. Er war die einzige Anlaufstelle für uns Ältere und Behinderte.“
Gemeint ist der Dorv-Laden am Grüngürtel 29. In dem kleinen, in den Laden integrierten Café hätten sich die Menschen getroffen, um „etwas Unterhaltung zu haben und auch weiterhin den Kontakt zu halten. Es ist traurig, weil wir jetzt keine Begegnungsstätte mehr haben“, schreibt Ursula Herpertz weiter.
Am letzten Tag um die Mittagszeit waren viele Regale schon leer, die meisten Stühle des Cafés standen gestapelt in der Ecke. Frequentiert war der Laden dennoch: Eine Mutter mit ihrem Sohn, zwei junge Frauen und drei Jungs aus der Nachbarschaft waren da. In den kommenden Wochen wird das Inventar nach und nach ausgeräumt.
„Uns tut es unendlich leid“, sagt der eine der beiden Geschäftsführer der Dorv-Quartier gGmbH, Heinz Frey, „aber Corona hat’s verhagelt“. Vor zehn Jahren wurde der Dorv-Laden mit einer Wohnungsgenossenschaft gegründet und anfangs von dem Verein In Via betrieben. Im Jahr 2013 übernahmen Heinz Frey und Norbert Schommer die Leitung. „Dorv“ steht für „Dienstleistung und ortsnahe Rundum-Versorgung“.
Nachfrage gestiegen
Seit der Pandemie sei die Kundenzahl im Laden und vor allem im Café zurückgegangen, die Nachfrage nach dem kostenfreien Lieferdienst für Lebensmittel aber gestiegen, erklärt Frey. Nicht nur ältere Menschen hätten diesen genutzt, sondern auch solche, die sich in Quarantäne befanden. Vor allem über die Einnahmen des Cafés – durch belegte Brötchen und den Mittagstisch – ist dieser Service quersubventioniert worden, wenn man so will. Aber die geringeren Einnahmen und höheren Personalkosten für das Ausliefern hätten den Laden in eine Schieflage gebracht, erläutert Frey. Zwischen fünf und sieben Mitarbeiter hat der Laden gezählt, nicht selten wurden Menschen über diese Tätigkeit ins Berufsleben reintegriert.
„Dass wir keinerlei Corona-Hilfen bekommen haben, hat uns schwer getroffen. Aus unterschiedlichen Gründen. So sind wir kein reiner Gastronomiebetrieb, und unser Personal konnten wir nicht in Kurzarbeit schicken wegen der ehrenamtlichen Mehraufgaben.“ Zuletzt hat er aus seinem Privatvermögen Geld investiert. Und den Schritt zur anstehenden Erhöhung des Mindestlohns hätte die gGmbH nicht stemmen können.
Eine zusätzliche Belastung von 1000 Euro seien das im Monat gewesen. Geld, das das Unternehmen längst nicht mehr hatte. „Irgendwann mussten wir dann die Reißleine ziehen“, sagt Frey, der persönlich keinen Cent an dem Dorv-Laden verdient hat. „Es tut mir richtig leid für die Menschen hier.“
Manche würden an der Stelle vielleicht aber auch sagen, dass eben diese Menschen nicht ganz unschuldig an der Schließung sind – immerhin haben sie zum Teil mehr kostenfreie Dienste genutzt, als sie monetär in den Wirtschaftskreislauf des Ladens zurückgegeben haben.
Wie es nach der Schließung weitergeht, ist vollkommen offen. Bemühungen, eine wie auch immer geartete Nachfolge zu finden, sind bislang gescheitert. Und: Der Kiosk ein paar Schritte weiter wird ebenfalls aufgegeben. Zum Ende des Jahres bleibt diese Tür geschlossen. „Auch aus Altersgründen“, wie auf einem Zettel am Eingang zu lesen ist.
Die nächsten Supermärkte sind zwar nur wenige Kilometer entfernt, bieten aber keinen Lieferdienst. Und für manche älteren Menschen sind auch diese Entfernungen recht weit, wenn sie nicht mehr mobil sind.