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Düren: Ganz viel Spott und ein leises Lachen: Italiener und Niederländer zur WM

Düren : Ganz viel Spott und ein leises Lachen: Italiener und Niederländer zur WM

Die „Bandiera Italiana“, also die grün-weiß-rote italienische Flagge, liegt bei Elio Martini in der Garage. Ganz hinten, ziemlich traurig auf einem Regal. Und „Fratelli d‘Italia“ hat der Gastronom aus Düren auch schon lange nicht mehr geschmettert, geschweige „Forza Italia“ gebrüllt. Der Grund dafür ist schnell erklärt: Erstmals seit 1958 ist Italien nicht für eine Fußball-WM qualifiziert.

Und deswegen braucht Elio Martini eben in diesen Tagen auch keine grün-weiß-roten Fanartikel. Aber was machen Italiener und Niederländer, die ja bekanntermaßen auch bei der Weltmeisterschaft in Russland nicht dabei sind, eigentlich in den nächsten Wochen, wenn alle anderen Fußball gucken? Gibt es spezielle Pläne? Dinge, die man schon immer einmal machen wollte?

Unsere Zeitung hat sich einmal umgehört — übrigens in der Hoffnung, ab nächsten Mittwoch nicht in der gleichen Situation zu sein wie die Italiener und die Niederländer und gaaaaanz viel Zeit zu haben... Ganz auszuschließen ist das deutsche WM-Aus in der Vorrunde nach dem katastrophalen Start ja nicht....

Italienisches Fußballherz

Und genau in diese Wunde bohrt auch Pasquale die Gennaro (42) seinen Finger. Der Verwaltungsangestellte hat einen italienischen Vater — und ein italienisches Fußballherz. „Sie kennen doch den Witz mit den Holländern und dem Wind“, sagt er am Dienstag als Erstes, als er auf eine WM-Endrunde ohne italienische Beteiligung angesprochen wird. „Je nachdem, wie der Wind steht, kann man die Niederländer in Düren leise lachen hören.“

Gleich danach spricht Di Gennaro dann aber auch von der tief gekränkten „italienischen Volksseele“ und einem „zutiefst gebrochenen Nationalstolz“. „Andererseits“, sagt Di Gennaro, „bin ich begeisterter Rennradfahrer. Dazu habe ich jetzt jede Menge Zeit. Und wenn Deutschland spielt, sind die Straßen immer wunderbar leer. Ich hoffe, dass Jogi Löws Truppe noch eine Weile im Turnier bleibt.“

Elio Martini ist da schon deutlich weniger gelassen. „In meinem Restaurant steht zum ersten Mal während einer Fußball-Europa- oder Weltmeisterschaft kein Fernseher. Weil Italien nicht dabei ist.“

Italien und die Niederlande („Dass ich mich einmal mit den Holländern solidarisiere, hätte ich mir auch nicht träumen lassen.“) hätten immer zu den besten Fußball-Nationen gehört, und jetzt das. „Es ist wirklich bitter“, sagt der 58-Jährige. „Aber es gibt im Augenblick einfach zu wenig richtig gute italienische Fußballer. Eine WM ohne Italien ist auch für viele meiner Gäste unvorstellbar.“

Anfangs habe er immer Witze gemacht. „Ich habe meinen Gästen erzählt, dass ich zum WM-Auftakt zwischen Italien und den Niederlanden nach Russland fliege. Und die meisten haben mir das echt geglaubt.“ Stattdessen macht Martini während der WM tatsächlich Urlaub — natürlich in Italien. „Was ich so höre, gibt es überall Public Viewing. Die Italiener gucken trotzdem. Und ich gucke auch.“ Martini drückt genau wie sein Bruder Lino ab sofort Deutschland die Daumen. „Ich bin mit einer deutschen Frau verheiratet“, sagt er. „Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass mir da etwas anderes übrigbleibt? Aber ich würde auch gar nichts anderes wollen.“

Jede Menge Schadenfreude...

Hendrikse (72) lebt seit 1969 in Düren und hat auf die Frage, was er in diesen Tagen am liebsten tut, eine einfache Antwort parat: „Fußball gucken. Was denn sonst?“ Es sei unvorstellbar, was kurz vor der WM auf seinem Handy losgewesen sei. „So viele Witze wurden mir noch nie geschickt. Aber Schadenfreude ist halt immer noch die schönste Freude.“

Nach dem Mexiko-Spiel habe er kurz überlegt, zurückzuschlagen. „Aber wirklich nur kurz. Ich war alles andere als froh, dass Deutschland gegen Mexiko verloren hat.“ Sollte „die Mannschaft“ nach der Vorrunde rausfliegen, denkt Hendrikse darüber nach, Spanien, Portugal oder Belgien zu drücken. „Das Spiel Spanien gegen Portugal war einfach toll“, sagt er. „Das war Fußball, der mir Spaß gemacht hat. Und Belgien hat auch eine gute Mannschaft und ist unser Nachbarland. Ich habe also noch Möglichkeiten. Um mich und meine Freizeitgestaltung muss sich wirklich niemand Sorgen machen.“

Jacques Falentijn kommt aus Amsterdam und betreibt seit acht Jahren in Heimbach ein Hotel. „Sie glauben gar nicht, was hier früher bei einer WM oder EM los war. Meine Gäste haben das Hotel in eine orangefarbene Hölle verwandelt.“

Davon ist in diesen Tagen absolut gar nichts zu sehen. Der Fernseher läuft zwar — WM auf einem niederländischen Sender. Ansonsten sucht man Fußball-Devotionalien aber vergebens. Und das, obwohl Falentijn bis zu seinem 18. Lebensjahr bei Ajax Amsterdam gespielt hat. „Ich wollte Profi werden, musste aber wegen einer Verletzung aufgeben.“

Der Hotelier ist überzeugt, dass den niederländischen Nationalspielern einfach der nötige Biss fehle. „Die verdienen viel zu viel Geld bei ihren Klubs. Warum sollen die sich bei der Nationalmannschaft überhaupt noch anstrengen?“ Fußballfreie Zeit hat Falentijn in den kommenden Wochen aber trotzdem nicht, dazu interessiert ihn dieser Sport immer noch viel zu sehr. „Ich habe noch zwei Eisen im Feuer“, sagt er. „Deutschland, weil es meine Wahlheimat ist, und Belgien, weil ich mit einer Belgierin verheiratet bin. Alles ist gut, ich hoffe trotzdem auf eine gelungene WM.“