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Mord in Düren: Ein Angeklagter, der Stimmen hört

Mord in Düren : Ein Angeklagter, der Stimmen hört

Patryk O. ist wegen Mordes angeklagt. Am Ende des Verfahrens könnte aber auch eine Einweisung in die Psychiatrie stehen.

Ein paar Stunden, bevor sein Prozess am Aachener Landgericht begann, wurde aus dem Untersuchungshäftling Patryk O. der Patient Patryk O., eingewiesen in die psychiatrische Klinik in Essen. Die zuständige Schwurgerichtskammer reagierte auf ein vorläufiges Gutachten der eingesetzten Psychiaterin Annette Rauch. Aus dem Haft- wurde ein Unterbringungsbefehl.

Patryk O. ist angeklagt wegen Mordes, er soll „heimtückisch und aus niederen Beweggründen“ einen Nebenbuhler umgebracht haben. Dem 30-Jährigen droht entsprechend eine lebenslange Haftstrafe. In dem Verfahren, das am Mittwochmorgen begann, geht es nun auch um die Frage seiner Schuldfähigkeit und ob er vorerst nicht besser zumindest vorübergehend in einer psychiatrischen Einrichtung aufgehoben ist.

Die Tat ereignete sich am 1. Juni in Düren in einem Mehrfamilienhaus an der Aachener Straße. Die Adresse ist polizeibekannt, weil sich hier Obdachlose und Alkoholabhängige regelmäßig treffen. „Ballerhaus“ heißt der Treffpunkt in der Szene. In diesem Milieu spielt das Geschehen.

Zur Szene gehörten auch Patryk O. und seine Freundin Annika R. (Name geändert). Die beiden Obdachlosen waren seit September letzten Jahres ein Paar, das häufig in einem Zelt oder verlassenen Haus nächtigte. An diesem 31. Mai hatte Oliver D. die beiden in seine Wohnung im Erdgeschoss eingeladen. Der 54-Jährige war mit Annika R. befreundet, auch er war als Trinker bekannt. „Wenn Geld da war am Monatsanfang, gab es häufiger Feiern“, sagt sein Neffe, der im gleichen Haus wohnt.

Die drei veranstalteten ein ziemliches Gelage, so wurde später rekonstruiert, nachdem Oliver D. tot aufgefunden wurde. Bei seiner Obduktion wurden 1,23 Promille ermittelt. An seinem letzten Abend kreisten die Bierdosen und Wodkaflaschen. Bis spät in die Nacht wurde gezecht, dann legte sich das Trio schlafen: das Paar auf einer Schlafcouch in der Küche, Oliver D. auf sein Sofa im Wohnzimmer.

Patryk O. und Annika R. hatten erst Sex miteinander, aber dann bekamen sie Streit, wie so oft in den letzten Monaten. Schließlich flüchtete die 34-Jährige ins Nebenzimmer. Patryk O., so hat er es später der Gutachterin erzählt, will deutlich gehört haben, wie seine Freundin sagte: „Fasse mich nicht an.“ Jedenfalls eilte er ins Nachbarzimmer, es kam zu einer Auseinandersetzung mit tödlichem Ausgang. Aus Eifersucht, so sieht es Staatsanwalt Marius Saalmann, habe er auf den überraschten Zechkumpan eingeschlagen und ihn immer wieder auch gegen den Kopf getreten. Er ließ sich mehrfach auf den Brustkorb fallen, so dass Oliver D., viele Rippenbrüche erlitt. Der Tumult verlagerte sich in die Küche, Patryk O. holte aus einer Schublade Bohraufsatz, Schere, Schlosserhammer oder Cuttermesser heraus, und malträtierte damit sein Opfer weiter – so steht es in der Anklage. Am Ende starb Oliver D. an den Folgen seines Blutverlustes, er hatte zehn Stichverletzungen erlitten, sein Hals war tief aufgeschnitten.

Ein paar Stunden nach der Tat wurde Patryk O. in der Nähe des Tatorts festgenommen, zur Sache will er sich nicht äußern. Er habe keine großen Erinnerungen, hat er an anderer Stelle festgehalten.

Lediglich zu seinem Lebenslauf macht er Angaben. Er war zehn Jahre alt, als seine Eltern sich trennten und das Dorf in den Masuren verließen. Die minderjährigen drei Kinder ließen sie zurück. Patryk O. zog erst fünf Jahre später zu seiner Mutter, die mit ihrem neuen Partner in Norddeutschland lebte. Die Schullaufbahn hatte er nach acht Jahren abgebrochen. Er arbeitete als Fliesenleger, als Gabelstapelfahrer oder Öltankreiniger, eine Ausbildung machte er nicht.

Mit 15 begann er, Bier zu konsumieren, zwei Jahre später kamen die harten Spirituosen dazu. Der Alkohol war sein permanenter Begleiter. In den letzten fünf Jahren sei er jeden Tag betrunken gewesen, hat er angegeben. Zwei Entgiftungen brach er schnell wieder ab. Und als er mehrfach in Untersuchungshaft vorübergehend clean war, kehrte er nach seiner Entlassung schnell wieder zu den Drogen zurück. Dazu gehören seit vielen Jahren auch täglich Amphetamine.

Schon länger hört er Männerstimmen, mal laut, mal leise. Mal fordern sie ihn auf, Schränke aus dem Fenster zu werfen, was er dann auch prompt umgesetzt hat. Patryk O. sagt, er fühle sich verfolgt, von den Stimmen, aber auch von Menschen in seiner Umgebung. „Alle gucken mich an.“ Der ständige Alkoholkonsum habe ihm geholfen, seine Ängste zu bekämpfen. Auch in den letzten Mai-Tagen habe er die Stimmen wieder gehört, sagt er. Wieder hatte er Amphetamine und Alkohol konsumiert. „Fünf oder sechs Tage“ habe er nicht geschlafen und kaum gegessen.

Seine damalige Freundin Annika R. will ebenfalls registriert haben, „dass etwas nicht in Ordnung ist in seinem Kopf“. Patryk habe unter Verfolgungswahn und einige Male auch unter Paranoia gelitten, als er seinen Bruder plötzlich sah, der sich vor drei Jahren umgebracht hatte. Sie erlebte den Ex-Freund verwirrt und verzweifelt, aber auch gewalttätig. Auch sie war das Opfer seiner Attacken, berichtet sie unter Tränen.

Annika R. ist eine schwierige Zeugin für das Gericht. Die alkoholkranke Frau hat vor ihrer Vernehmung nach eigener Auskunft getrunken. Ihre Ausführungen sind schwer zu verstehen, sie sind durchaus lückenhaft. An das eigentliche Tatgeschehen hat die 34-jährige Frau ohne festen Wohnsitz keine stringente Erinnerung. Sie weiß noch, dass das Paar den Boden von Blutspuren gereinigt hat. Aber, dass ihr Ex-Freund auch Werkzeuge eingesetzt hat, will sie nicht mitbekommen haben.

Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt. Das Verfahren könnte am 21. Dezember mit einem Urteil oder auch mit einer dauerhaften Einweisung enden.