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Projekt „Hilfsbrücke“: Ehrenamtler nehmen Angst, beraten, sind Boten im Alltag

Projekt „Hilfsbrücke“ : Ehrenamtler nehmen Angst, beraten, sind Boten im Alltag

Jana Kinas widmet sich voll und ganz dem Verein Potenzial Mensch. Mit einem Projekt baut sie viele kleine Hilfsbrücken für rund 80 Personen im Kreis Düren. Dafür wird sie mit 6900 Euro vom Bund belohnt.

„Während der Katastrophe wussten viele nicht, was zu tun ist“, sagt Jana Kinas und spricht auf die Monate März bis Juni an, die Monate mit Lockdown und eingeschränkten sozialen Kontakten. „Also haben wir Spielsachen verteilt, Bastelschablonen angefertigt und die Anleitungen dafür über WhatsApp verschickt.“

Jana Kinas, 40, hat viele kleine Hilfsbrücken gebaut. „Hilfsbrücke“ heißt deshalb das Projekt des Vereins Potenzial Mensch, sie ist die Vorsitzende. Kinas und ihr Ehrenamtler-Team leistet also Nothilfe. 300 Personen aus dem Kreis Düren unterstützen dabei, sei es finanziell oder tatkräftig. 15 Helfer bilden den Fahrdienst, sind als eifrige Boten im Kreis unterwegs. Die Gruppe kümmert sich um rund 80 Menschen, die Unterstützung im Alltag benötigen, primär Geflüchtete, ältere Menschen, alleinerziehende Mütter mit mehreren Kindern. Unter den Helfern sind Geflüchtete, die Landsleuten unter die Arme greifen.

Da dieses Engagement Zeit und Geld kostet und gesellschaftlich wertvoll ist, hat der Bund dem Projekt 6.900 Euro zugesprochen. Bei einem Treffen tauschte sich die 40-Jährige daher intensiv mit Landrat Wolfgang Spelthahn (CDU) aus, der betonte: „Der Kreis schätzt privates ehrenamtliches Engagement genauso wie der Bund. Deshalb haben wir die Arbeit ebenfalls schon finanziell gefördert.“

Das Geld will Kinas unter anderem für die Entwicklung der „Hilfsbrücken“ einsetzen. Digital ist das Stichwort. So sollen ältere Menschen Tablets mit einem vom Verein entwickelten Programm bekommen. Das vereinfache den Kontakt über die Videofunktion, und die Hilfe könne effektiver koordiniert werden. Für die 40-Jährige ist es immens wichtig, während der Pandemie die Beratungen und Sprechstunden primär per Video abzuhalten, wenn der direkte Kontakt nicht mehr möglich ist. „Menschen mit Angst wollen andere Menschen sehen beim Gespräch“, betont sie. Die gelernte Gesundheitspflegerin lässt den psychologischen Aspekt nie aus den Augen. Kinas hat mal in einer Psychatrie gearbeitet, widmet sich aber jetzt Vollzeit dem Verein. „Ich kann es mir erlauben, für die Menschen da zu sein.“ Die Angst nehme zu, wenn sich Coronavirus-Regeln ändern, erzählt Kinas.

Die eigene Erfahrung 1995

Zur Hilfe zählt auch ein Angebot mit der Tafel. Dort kochen die Ehrenamtler gesundes Essen für große Familien, denen es finanziell nicht so gut geht. „Viele haben es einfach nötig, dass jemand ihnen etwas Gutes tut, damit das Gewaltpotenzial nicht steigt“, sagt Jana Kinas. Gerade während Corona, wenn der Alltag anders ist, man öfter und länger Zeit in den eigenen vier Wänden verbringt.

Für die Zukunft hat Kinas mit dem Projekt weitere Ziele. Ein Wunsch lautet, über den Kreis verteilt Anlaufstellen zu haben. Noch läuft alles über Düren, die Wege sollen kürzer werden. „Wichtig sind häusliche Räume, in denen sich die Hilfesuchenden und ihre Kinder wohlfühlen. In Behörden ist das nicht immer so“, sagt Kinas – nicht um Kritik an Ämtern zu üben, sondern um die Sicht ängstlicher, hilfesuchender Menschen in den Vordergrund zu stellen.

Sie selbst ist 1995 mit 15 Jahren aus Kasachstan nach Deutschland gekommen. Gelebt hat sie mit den Eltern in einer Notfallwohnung in Merzenich. Früh übernahm sie Verantwortung, der Vater wurde depressiv. „Es war schwierig, einen Neustart für eine ganze Familie zu organisieren.“ Ansprechpartner habe es kaum gegeben. Ihr Schlüsselerlebnis nach einem Jahr Deutschlernen: Mit 16 kam sie in Klasse fünf. „Ich habe meine ganze Kompetenz infrage gestellt.“ Sie gab aber nicht auf, holte Haupt- und Realschulabschluss an der VHS nach.

Deswegen der Vereinsname Potenzial Mensch. Deswegen die Hilfe, wo immer sie benötigt wird.