72-jähriger Dürener erneut angeklagt : Die Eltern sagen im Missbrauchsprozess aus
Aachen/Düren In dem Prozess gegen einen 72-jährigen Mann aus Düren, der erneut Minderjährige schwer sexuell missbraucht haben soll, sagen nun die Eltern der beiden Nachbarskinder aus.
Als „Ersatz-Opa“ hatten die beiden von seinen mutmaßlichen sexuellen Übergriffen betroffenen Familien den 72-jährigen Angeklagten empfunden und ihn wie einen richtigen „Opa“ ins Familienleben eingebunden. Dabei war den Eltern von einerseits vier Töchtern in der erweiterten Nachbarschaft und von weiteren zwei Mädchen aus der unmittelbaren Hausgemeinschaft überhaupt nicht klar, was sie sich und den Kindern da angetan hatten.
Denn der joviale und im Umgang mit Kindern sehr geschickte Rentner bot sich immer wieder an, die Kleinen mit zum Schwimmen – er war ausgebildeter Schwimmlehrer – und auch zum Turnen mitzunehmen, er organisierte dazu regelmäßig und über Jahre Freizeitaktivitäten. Für das Nachbarsmädchen aus dem Dürener Mietshaus, es hat einen Migrationshintergrund, war er etwa eine bewunderte Hilfe bei den Hausaufgaben. Mutter und Vater dieser beiden Nachbarskinder, die Ältere ist heute neun Jahre alt und weiß bislang nichts von dem Verfahren gegen Hans L., sagten am Mittwoch vor der 1. Großen Strafkammer des Aachener Landgerichts aus. Die Vorsitzende Richterin Regina Böhme befragte die Eltern, um weitere Aufklärung über das Ausmaß der angeklagten Missbrauchstaten zu bekommen.
Im Fall der beiden Nachbarsmädchen scheint es „nur“ dazu gekommen zu sein, dass der bereits vor Jahren in den Niederlanden einschlägig vorbestrafte Angeklagte Nacktfotos der Mädchen machte und sie speicherte. Die Mutter der Mädchen schilderte der Kammer, dass sie absolut nichts von den Neigungen des netten Nachbarn gewusst hatte, der Vater berichtete der Richterin eindrücklich, wie für ihn bei der Verhaftung des Nachbarn eine Welt zusammenbrach, da selbst für den erwachsenen Mann der hilfsbereite Rentner regelmäßig eine große Hilfe etwa bei der Beantwortung von Behördenschreiben war.
Er habe es überhaupt nicht glauben wollen, dass dieser „väterliche Freund“ so etwas getan habe, er sei entsetzt. Daraufhin brach der Angeklagte weinend in sich zusammen, stammelte meist unverständliche Entschuldigungen. Der Eindruck drängte sich allerdings auf, dass der 72-Jährige sich selbst am meisten leid tat.
Freundlicher Helfer
Bei weiteren vier Mädchen einer Familie aus dem Umfeld des Mannes blieb es anscheinend jedoch nicht bei Fotos. Seit etwa 2018 hatten die Kinder – heute zwischen zwölf und 16 Jahre alt – immer mal wieder bei Hans L. übernachtet. Die Mutter, sie hat neben den vier Mädchen auch noch zwei Söhne, die Familie steht insgesamt unter Betreuung des Jugendamtes, schilderte der Kammer, wie man Hans L. als freundlichen Helfer bei Heimwerkerarbeiten kennengelernt hatte. Der Rentner war nicht nur handwerklich geschickt, er spielte auch Gitarre und machte sich bei den Kindern scheinbar unabkömmlich, er ging dann nach und nach insbesondere mit den Mädchen ins Hallen- und ins Freibad.
Da bereits, so wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor, habe er begonnen, übergriffig zu werden. Doch später erst kam laut Anklage Folgendes heraus: Bei den dann folgenden regelmäßigen Übernachtungen der Mädchen in verschiedener Zusammensetzung beim Rentner, mal war die eine Schwester mit der anderen da, mal waren es drei oder auch vier Kinder, musste jeweils ein Mädchen im Schlafzimmer des Mannes schlafen. Bei einigen Gelegenheiten wurde die Türe abgeschlossen, Hier soll es dann zu mehreren sexuellen Übergriffen gekommen sein. Er hatte von den Taten Fotos und Videos gefertigt sowie dann gespeichert.
Vater zweier Töchter
Die Kinder erzählten nichts zu Hause, erst in der Schule war der Umgang der Mädchen aufgefallen und man begann, den Hintergrund und die Vergangenheit des Mannes zu erforschen. Dabei stellte sich – wie bereits berichtet – heraus, dass der Vater zweier Töchter und Großvater mehrerer Enkel bereits vor Jahren in den Niederlanden als Schwimmlehrer wegen Übergriffen auf minderjährige Mädchen zu sieben Jahren Haft verurteilt worden war; damals ein Riesenskandal im Nachbarland. Seine eigene Familie wolle nichts mehr mit ihm zu tun haben.
Als das bekannt wurde, schaltete man im Mai 2022 die Polizei ein. Jetzt eben wurde L. wegen mehrfachem und schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern und der Anfertigung pornographischer Schriften – hierzu zählen Fotos und Videos – angeklagt. Der Prozess wird am 29. März fortgesetzt.