Vorgezogene Weihnachtsferien : „Dankbar für jeden Unterrichtstag“
Kreis Düren Zwei Tage früher Weihnachtsferien – das klingt im ersten Augenblick nach einer guten Idee: Familien haben damit bis Heiligabend sechs Tage Zeit, sich in häusliche Quarantäne zu begeben, um zu verhindern, die Großeltern an den Feiertagen mit dem Coronavirus zu infizieren. Aber ist diese Vorverlegung der Ferien wirklich sinnvoll? Und ist sie für Schulen und Familien überhaupt praktikabel? Wir haben Eltern und Schulleiter aus der Region gefragt.
„Ich kann die Beweggründe für den vorgezogenen Ferienstart gut verstehen“, sagt Regine Westermann, Leiterin der Gesamtschule Langerwehe. „Aber wir kommen mit unseren Klausurterminen in Bedrängnis.“ Für die Abiturienten, erklärt die Pädagogin, ende das erste Schulhalbjahr offiziell am 22. Dezember. Westermann: „Das heißt, uns fehlen zwei Tage, die wir fest als schriftliche Prüfungstermine eingeplant hatten.“ Überhaupt seien die Schüler der Oberstufe schon vom Lockdown im März stark betroffen gewesen.
Zeugniskonferenzen
„Wir sind im Augenblick wirklich dankbar für jeden Unterrichtstag. Jetzt fehlen uns zwei.“ Regine Westermann hat die Erfahrung gemacht, dass nach den Weihnachtsferien die Zahl von erkrankten Schülern deutlich ansteige – auch in Jahren ohne Covid-19. „Wie sich das jetzt in der Pandemie entwickelt, müssen wir abwarten. Ich rechne aber damit, dass bei Klausuren im Januar viele Schüler fehlen“, sagt die Schulleiterin. „Das kann schwierig werden, zumal dann ja auch schon die Konferenzen für das Halbjahreszeugnis stattfinden.“
Ähnlich sieht das auch Wolfgang Arnoldt, Leiter des Gymnasiums in Kreuzau. „Für den Abiturjahrgang ist eine Verlegung der Klausuren in den Janaur nicht möglich. Ich hoffe, dass es dazu Lösungsmöglichkeiten aus dem Schulministerium gibt. Es darf für diesen Jahrgang zu keinen zusätzlichen Beeinträchtigungen mehr nach dem Lockdown im März kommen.“ Arnoldt nennt noch ein weiteres Problem: „Erste Andeutungen, zum Ausgleich für die zusätzlichen Weihnachtsferientage die beweglichen Feiertage an Karneval reduzieren zu können, halte ich für problematisch. Diese Tage wurden von der Schulkonferenz so beschlossen. Und auch, wenn kein Karneval stattfindet, gibt es doch einen Anspruch auf Verlässlichkeit solcher Beschlüsse des höchsten Mitwirkungsgremiums einer Schule.“
Hansbert Schruff, stellvertretender Schulleiter des Jülicher Mädchengymnasiums, nennt die Entscheidung der Landes „einen Schnellschuss“. „Es scheint, dass unsere Landesregierung auf Zuruf handelt.“ Natürlich sei es möglich, Klausuren zu verschieben und den vorgezogenen Ferienstart zu organisieren. Schruff: „Wir müssen in diesen Tagen besonders flexibel sein, und das gelingt uns ja auch. Es wäre aber schön, wenn wir nicht am Radio hängen müssten, um zu erfahren, was das Land als nächstes plant.“
Olaf Windeln, Schulleiter des Gymnasiums der St.-Angela-Schule, findet die vorgezogenen Weihnachtsferien grundsätzlich gut. „Wir haben schon begonnen, die Klausuren zu verlegen“, sagt er. Ob der vorgezogene Ferienstart hilft, die Pandemie einzudämmen, vermag Windeln nicht zu sagen.
Täglich eine neue Sachlage
„Der Umgang mit einer solchen Pandemie ist für alle neu“, ergänzt Windeln. „Fast täglich gibt es eine neue Sachlage, auf die wir reagieren müssen. Das ist nicht so einfach.“
Für Stefanie Törkel-Howlett, Schulleiterin der Primusschule Titz, ist der organisatorische Aufwand nicht so groß, weil es an ihrer Schule keine Oberstufe gibt. „Wir können das regeln“, sagt sie und betont: „Wir tun alles, was für den Gesundheitsschutz unserer Schüler und Lehrer notwendig ist. Dabei müssen wir uns natürlich auf die Empfehlung der Experten verlassen.“
Dr. Arno Schneider, Leiter des Burgau-Gymnasiums, sieht den Grund allen Übels ganz woanders. „Natürlich birgt eine Verlegung des Ferienstarts Probleme. Viel schlimmer ist aber doch, dass die Schulen derzeit in ihrem Unterricht beeinträchtigt sind. Wir haben keine Normalität, weil durch Lüften und andere Maßnahmen Unterrichtszeit verloren geht.“ Da müsse die Politik dringend ansetzen. „Lehrinhalte und Prüfungspläne müssen angepasst werden, damit Schülern und Eltern die Angst genommen wird, nicht alles erfolgreich zu schaffen.“
Aber was sagen Eltern zu vorgezogenen Weihnachtsferien? „Für uns sind die vorgezogenen Weihnachtsferien eine praktikable Lösung, da ich im Homeoffice arbeite und somit kein Betreuungsproblem entsteht“, sagt Bernd Marx aus Düren, Vater von zwei schulpflichtigen Söhnen. „Meine Frau kann auch relativ kontaktfrei arbeiten, so dass sich die Maßnahme bei uns als echte Quarantäne darstellt.“ Genau deswegen habe er aber grundsätzlich Bedenken. „Viele Eltern können sich keinen Urlaub nehmen und haben ein Betreungsproblem, was dazu führt, dass die Kinder die Tage bis Weihnachten eben nicht kontaktfrei verbringen werden.“
Heike Marré, deren Tochter die Gesamtschule Merzenich/Niederzier besucht, hält nichts von den früheren Ferien. „Bis jetzt hieß es immer, dass nur Präsenzunterricht Bildungsgerechtigkeit garantiere. Jetzt können plötzlich alle Schulen für zwei Tage dichtgemacht werden. Die Schulministerin macht es sich da aus meiner Sicht viel zu einfach.“ Marré schlägt vor, die beiden Tage als gemeinsamen Studientag von Lehrern und Schülern für digitalen Unterricht zu nutzen. „Als Elternteil ärgere ich mich wirklich maßlos, dass die Schulministerin alles aussitzt, was Konzepte für sinnvolles Lernen hätten werden können. Ihr ist bisher nichts Besseres eingefallen, als eine Maskenpflicht einzuführen.“