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„Ein Mann im Schnee“: Auf den Spuren von Erich Kästner

„Ein Mann im Schnee“ : Auf den Spuren von Erich Kästner

Ein Abend unter dem Titel „Ein Mann im Schnee“ widmete sich jetzt Erich Kästner.

„Wird’s besser? Wird’s schlimmer? Fragt man alljährlich. Seien wir ehrlich: Das Leben ist immer lebensgefährlich.“ So lautet eines von vielen humorvoll-weisen Bonmots des großen Lyrikers und Schriftstellers Erich Kästner. Ihm widmete das Sagas-Ensemble – prominent besetzt mit Walter Sittler als Erzähler und Rezitator und der Gruppe „Die Sextanten“ als musikalische Begleiter – den Abend „Ein Mann im Schnee“. Er war jetzt im Haus der Stadt zu erleben.

Die Produktion entführte das Publikum zu winterlichen und weihnachtlichen Schauplätzen in der Biographie Kästners ebenso wie in dessen Geschichten. So zeigte das Ensemble den mitten im Sommer über Weihnachten schreibenden Kästner auf der Zugspitze (denn da konnte man den weihnachtlichen Schnee wenigstens von weitem sehen) – Freundschaft schließend mit dem Schmetterling Gottfried und immer angenehm selbstironisch auf der Meta-Ebene unterwegs: Ein Autor, der über sich selbst schreibt, wie er versucht, zu schreiben.

Dann wieder entführte das Ensemble mitten in eine der rührendsten Szenen aus dem „Fliegenden Klassenzimmer“: Martin Thaler kann seine mittellosen Eltern an Heiligabend doch noch besuchen, obwohl die dem Sohn das Zugticket nicht kaufen konnten. Martins Lehrer, Dr. Justus Bökh, hatte ihm das Reisegeld geschenkt.

Immer in Szene gesetzt durch die großartigen Zeichnungen von Mario Lars, die auf den Bühnen-Hintergrund projiziert wurden, entführte Sittler sodann ins winterliche Grand Hotel von Bruckbeuren und ermöglichte eine Begegnung mit den skurillen Figuren, welche Kästners Roman „Drei Männer im Schnee“ von 1934 besiedeln.

In der zweiten Hälfte des Theaterabends wurde der Autor in seinem zugigen, ausgebombten Zimmer im München des Hungerwinters 1945 gezeigt. Kästner zog nach zwölf Jahren Herrschaft der Nationalsozialisten Bilanz. „Die Ratlosigkeit des Gewissens, das war das Schlimmste“, resümierte Kästner. Denn mit ihm hatten die Deutschen die „Umkehr der Werte und des menschlichen Gewissens“ durchlebt: „Mörder regierten und das Gewissen saß auf der Anklagebank.“

Walter Sittler ist dem Fernsehpublikum durch seine Serienhauptrollen in „Girl Friends“ und „Nikola“ bekannt. Dass der Absolvent der Otto-Falckenberg-Schule ein hervorragender Theaterschauspieler ist, bewies er sowohl in seinen Engagements an deutschen National- und Staatstheatern als auch in vielen freien Bühnenproduktionen, darunter zwei, in denen er ebenfalls Erich Kästner verkörperte.

Für die Produktion „Als ich ein kleiner Junge war“ erhielt er 2009 den Erich-Kästner-Preis für Literatur. Auch in dem aktuellen Kästner-Programm, geschrieben und produziert von Martin Mühleis, überzeugte Sittler mit seinem Gefühl für die Persönlichkeit und die Texte Erich Kästners. Ganz genau traf er den Ton, den es braucht, um den Autor, der zugleich liebevoll und streng auf die Menschen schaute, zu verkörpern. 1950 eröffnete Erich Kästner das literarisch-politische Kabarett „Die kleine Freiheit“. Mitbegründer Oliver Hassencamp urteilte über seine Texte: „Erich Kästner war nicht immer leicht auf die Bühne zu bringen. Seine Texte waren Aussagetexte. Und es bedurfte sehr guter Interpreten. Aber wenn der Interpret sehr gut war, dann hat der Text geleuchtet.“

Genau das hat auch Walter Sittler mit seiner Interpretation des weihnachtlichen Kästner-Universums geschafft – er brachte Kästners Texte zum Leuchten. Das Kleine Private im Großen, Gesellschaftlichen zu präsentieren und die Herzen der Menschen für eine Überprüfung der eigenen Haltung zu öffnen – das schaffte Kästner durch den Witz und die Echtheit seiner Verse, die er selbst in dem ihm eigenen Ton des Understatements als „Gebrauchslyrik“ bezeichnete. Die Gruppe „Die Sextanten“ sorgte mit jazzigen, virtuos orchestrierten Versionen von europäischen Weihnachtsliedern für eine weihnachtliche Stimmung – mal swingend-fröhlich, mal besinnlich. Bearbeitet von dem Saxophonisten und Komponisten Libor Šíma wurden „Leise rieselt der Schnee“, „Morgen Kinder, wird's was geben“ und „Lasst uns froh und munter sein“ zu Swing- und Jazznummern.