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Bei Igel-Pflegerin Ulla Morgenroth: Zuhause auf Zeit für Igel Sebastian

Bei Igel-Pflegerin Ulla Morgenroth : Zuhause auf Zeit für Igel Sebastian

Die Aachenerin Ulla Morgenroth kümmert sich um kranke, verletzte und unterernährte Igel. Nach dem Winterschlaf wird die Igelpflegerin etliche Tiere wieder in der Natur auswildern.

Sebastian wurde in Würselen aufgegriffen. Er war tagsüber unterwegs, und das war ein schlechtes Zeichen. Denn tagsüber schlafen Igel eigentlich. „Ist ein Igel am Tag aktiv, dann stimmt irgendetwas nicht“, sagt die Aachener Igel-Pflegerin Ulla Morgenroth. Sie hat das Igelmännchen Sebastian unter ihre Fittiche genommen. Zugenommen hat das Tier bereits. Aber gesund ist Sebastian nicht, wie die erfahrene Igel-Expertin feststellt. „Hören Sie mal, wie er röchelt“, sagt Morgenroth. Jetzt kriegt der Jung-Igel Medikamente gegen einen Befall mit Innenparasiten. Demnächst aber soll er am Fundort in Würselen kontrolliert ausgewildert werden.

Als Sebastian ankam, lebten auch Opa Felix und die Schneekönigin auf der kleinen Krankenstation bei Ulla Morgenroth. Opa Felix ist ein alter Igel, mindestens drei bis sieben Jahre alt, schätzt Morgenroth. „Er hat kaum noch Zähne und sieht aus wie ein abgelebter alter Teddybär.“ In den nächsten Tagen kann er aber schon wieder ins Außengehege. Und die Schneekönigin, ein mindestens zwei Jahre altes Weibchen, das im Schnee gefunden wurde, ist bereits an ihren Fundort zurückgekehrt. In einem Garten in Monschau-Kalterherberg verbringt das Tier noch einige Zeit im Gehege und wird bald in die Freiheit entlassen.

Seit fünf Jahren kümmert sich Ulla Morgenroth um kranke, verletzte oder unterernährte Igel. In ihrem kleinen Garten sind aktuell nicht weniger als sieben Schlafhäuser besetzt, in denen Igel überwintern – noch. „Bei dem warmen Wetter in den vergangenen Tagen wachten die Igel jetzt reihenweise auf“, berichtet die Igel-Pflegerin. Sobald die Tiere ihr Einschlafgewicht wieder erreicht haben, geht es zurück in die Freiheit. „Für mich ist der schönste Augenblick, wenn ich die Tiere gesund in die Natur entlassen kann“, sagt sie.

 In solch einem Schlafhaus überwintern aufgepäppelte Igel in Ulla Morgenroths Garten.
In solch einem Schlafhaus überwintern aufgepäppelte Igel in Ulla Morgenroths Garten. Foto: Harald Krömer

Zur Igel-Pflegerin wurde Ulla Morgenroth, nachdem sie eines Samstags in ihrem Garten ein winziges Igel-Baby fand, das sie nicht einfach seinem Schicksal überlassen wollte. Der bundesweit tätige Igelschutzverein „Pro Igel“ hält auf seiner Homepage sehr detaillierte Informationen zur Aufzucht von verwaisten Säuglingen bereit. Mit diesen Merkblättern schaffte die Kommunikationsdesignerin es, ihren Findling, der passenderweise den Namen Samstag erhielt, großzuziehen. Und noch lange, nachdem er ausgewildert war, kehrte der kleine Samstag abends in sein Gehege zurück, erzählt Morgenroth.

Der Pflegeerfolg sprach sich herum. Seitdem werden regelmäßig Igel in Not zu Ulla Morgenroth gebracht – und regelmäßig mehr, als sie versorgen kann. Ihr Einsatz für das Tierwohl ist vom Veterinäramt der Städteregion Aachen offiziell genehmigt. Aufnehmen kann sie aber immer nur einige wenige Tiere, schließlich erledigt die 57-Jährige die Igelpflege in ihrer Freizeit. Und die Tiere machen viel Arbeit.

 Während der Behandlung in der Pflegestation wird Igel Sebastian auch regelmäßig gewogen.
Während der Behandlung in der Pflegestation wird Igel Sebastian auch regelmäßig gewogen. Foto: Harald Krömer

Ein Igel-Baby zum Beispiel muss tagsüber alle zwei Stunden gefüttert und versorgt werden, nachts alle drei bis vier Stunden. Das bedeutet bis zu sechs Wochen harte Arbeit. Deshalb kann Morgenroth zu ihrem Bedauern nicht alle Tiere aufnehmen, die ihr angetragen werden. Ihr Einsatz ist ehrenamtlich. Die Kosten für Futter, Medizin und Tierarztbesuche gehen ins Geld. Da ist die Igel-Pflegerin froh, wenn Tierfreunde schon mal eine große Portion Futter, Desinfektionsmittel oder Handschuhe spenden.

Im Idealfall werden aufgepäppelte Igel dort wieder ausgewildert, wo sie gefunden wurden. Oft ist das aber nicht möglich. „Manche Tiere werden ja an großen Straßen gefunden“, sagt Morgenroth. Deshalb ist sie immer auf der Suche nach geeigneten Auswilderungsflächen. Große, naturnahe Gärten mit einheimischen Blühpflanzen sind ideal für Igel. „Einige Leute, die von mir Igel zum Auswildern übernommen haben, haben ihre Gärten völlig umgekrempelt“, erzählt Morgenroth. Darüber freut sie sich sehr. Igelfreundlich lässt sich ein Garten auch schon mit recht einfachen Mitteln gestalten. Ecken mit Totholz oder ein Laubhaufen bieten dem Igel Rückzugsorte und Lebensräume.

Igel im Winterschlaf senken ihre Körpertemperatur auf vier Grad Celsius ab. Die Atmung ist verlangsamt und ihr Herz schlägt nur drei bis vier Mal in der Minute. So verbrauchen sie nur einen Bruchteil ihres normalen Stoffwechsels. Das Frühjahr ist eine gefährliche Jahreszeit für Igel. Bei schönem Wetter harken Gartenbesitzer ihre Grünflächen, und mancher Igel verliert sein Winterquartier im Laubhaufen oder unter einer Hecke. Erwachen die Igel bei warmen Temperaturen früh aus ihrem Winterschlaf, sind noch kaum Insekten unterwegs, und die Igel finden keine Nahrung. Rasenmähroboter, Kantenschneider und Laubsauger bedeuten ab dem Frühjahr eine zusätzliche Gefahr für die Tiere.

Niemals Milch anbieten!

Mit dem dramatischen Insektenschwund in der Natur finden Igel immer weniger zu fressen. Ulla Morgenroth findet es deshalb richtig, dass der Mensch den Speiseplan der Tiere ergänzt und zufüttert. Aber was kann man einem hungrigen Igel anbieten? „Hochwertiges Katzennassfutter oder -trockenfutter mit hohem Fleischanteil“, schlägt die Igel-Expertin vor. „Oder auch mal ein ungewürztes Rührei.“ Entgegen der landläufigen Meinung fressen Igel aber kein Obst, denn sie sind Insektenfresser. Nimmt ein Igel sich dennoch einen Apfel vor, dann sucht er darin nach Maden oder Würmern, sagt Morgenroth. Und niemals sollte man Igeln ein Schälchen Milch hinstellen. Igel haben nämlich eine Laktoseintoleranz und können Milchzucker gar nicht abbauen und verdauen.