50 Jahre KJG im Bistum Aachen : „Wir können auch ein Stachel sein“
Aachen 50 Jahre (und ein Corona-Jahr) existiert die KJG jetzt im Bistum Aachen. Seitdem haben die dort organisierten Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf Gemeinde- und Diözesanebene einigen Wirbel ausgelöst.
„Wir gehören schon zum fortschrittlichen Teil der katholischen Kirche“, findet Bettina Koß, eine von sechs jungen Menschen, die zurzeit die Diözesanleitung der Katholischen jungen Gemeinde (KJG) innehaben. Und das gilt nicht nur in der Gegenwart.
50 Jahre (und ein Coronavirus-Jahr) existiert die KJG jetzt im Bistum Aachen. Seitdem haben die dort organisierten Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf Gemeinde- und Diözesanebene einigen Wirbel ausgelöst.
Verlief 1970 der Zusammenschluss von Katholischer Frauenjugend-Gemeinschaft und Katholischer Jungmänner-Gemeinschaft zur KJG wohl im Zeitgeist der Koedukation, machten die KJGler bereits ein paar Jahre später klar, dass sie mitgestalten wollen. 1976 rief die KJG mit dem Slogan „Nicht schweigen, handeln“ dazu auf, sich in die Gestaltung der Pfarrgemeinden einzubringen. Heute sind einige KJGler über den katholischen Jugend-Dachverband BDKJ (Bund der Deutschen Katholischen Jugend) im Reformprozess des Bistums „Heute bei Dir“ eingebunden.
In den dazwischen liegenden Jahrzehnten sei einiges passiert, sagt Paul Arns, Referent für Öffentlichkeitsarbeit der KJG: „Früher hieß es: Die jungen Leute sollen sich mal still verhalten und lieber in die Messe kommen. Heute ist die Gestaltung von Kirche freier geworden.“
Die Anerkennung des Mitgestaltungswillens der katholischen Jugend insbesondere durch Bischof Helmut Dieser sei spürbar. „Die Jugend ist kritisch, Bischof Dieser möchte sich das aber durchaus anhören und hat bewusst für die Jugendverbände Plätze im Synodalkreis geschaffen. Er wird sich am Ende aber auch daran messen lassen müssen, ob er die dortigen Entscheidungen umsetzen wird“, so Arns.
Klar ist – und das ist irgendwie ein gutes Zeichen – einen Skandal wird die KJG mit ihren progressiven Vorstellungen von Gemeinde und Partizipation nicht mehr auslösen. Das gelang ihr 1984 noch mit aus heutiger Sicht eher braven Aktionen.
Das „Rote Songbuch“ der KJG hatte die Deutsche Bischofskonferenz damals derart in Rage versetzt, dass der Jugendverband seine Liedersammlung zurückziehen musste. „Wir haben noch ein paar Exemplare im Keller gefunden. Darin sind zum Beispiel Texte von BAP, man solle dem Pfarrer doch bitte nicht alles glauben. Das genügte damals schon. Heute wirkt das alles harmlos“, berichtete Arns.
Anders als die katholische Kirche in ihrer Gesamtheit ist die KJG basisdemokratisch aufgestellt. Und so fließen zwangsläufig die Themen, die junge Menschen zwischen sechs und 27 Jahren beschäftigen, in die thematische Arbeit in den Pfarrgemeinden und auf Diözesanebene ein. In den 1990er Jahren waren das die Proteste gegen Atomkraft und Castortransporte, heute ist es Klimaneutralität, Geschlechter- und Generationengerechtigkeit.
„Am schönsten ist es, wenn es in den Diskussionen hitzig zugeht und wir danach miteinander anstoßen. Danach versuchen wir mit einer Stimme zu sprechen, damit wir auf der nächsthöheren Ebene auch etwas erreichen“, erläutert die 21-jährige Koß die Entscheidungsprozesse in der KJG. In der Diözesanleitung übernehmen die jungen Leute – zurzeit Jana Kosky, Andreas Münstermann, Veronica Rohn, Yannick Holle und Bettina Koß – bereits weitreichende Verantwortung für Finanzen und Personal.
Das derzeitige Schwerpunktthema der KJG – demokratisch beschlossen auf der Diözesanversammlung – lautet Partizipation von Kindern und Jugendlichen. Im Rahmen dieses Kernthemas eröffnet die KJG in den nächsten Osterferien zum Beispiel eine Kinderstadt. „Meistens sind wir die bunte Basis der katholischen Kirche. Wir können aber auch ein Stachel sein“, meint Koß. Arns findet ein konstruktives Bild etwas passender: „Vielleicht sind wir eher eine Impfung, die zur Gesundung führen kann.“
Denn mit dem ramponierten Image der katholischen Kirche muss sich auch die KJG auseinandersetzen, wie Arns bestätigt: „Für die Kinder ist es nicht wichtig, wer ihre Sommerfreizeit, wer die Gruppe in der Gemeinde ausrichtet. Sie haben eine gute Zeit und begegnen unvoreingenommen dem Glauben. Dafür müssen sie auch nicht katholisch sein. Aber für die Eltern ist es heute kein großer Werbefaktor mehr, wenn an einem Ferien- oder Nachmittagsangebot das Schild ‚katholisch’ hängt.“
Die KJG versucht dieser Skepsis und der Angst vor Missbrauch mit seit langer Zeit installierten Präventionsmaßnahmen und positiven Erlebnissen zu begegnen. So wie sie Koß selbst bei ihrem ersten Kontakt mit der KJG gemacht hat: „Ich fühlte mich abgeholt. Ich kann etwas bewirken. Wie viele andere habe ich in der KJG meine kirchliche Heimat gefunden.“