Ostfriedhof in Aachen : Wilde Zerstörungswut und der Tanz auf den Gräbern
Aachen Mit brachialer Gewalt wurden Dutzende denkmalgeschützte Gräber auf dem Ostfriedhof zerstört. Anwohner beklagen nächtliche Partys auf Grabfeldern. Politik und Polizei sind ratlos.
Der Schaden ist immens und das Entsetzen über die Zerstörungswut erneut groß: Wieder haben am vergangenen Wochenende Unbekannte mit brachialer Gewalt schwere Schäden an denkmalgeschützten Gräbern auf dem Ostfriedhof in Aachen angerichtet. Grabsteine wurden umgestürzt, Platten zertrümmert. Der Vandalismus, der seit Anfang des Jahres für Alarmstimmung auf dem Ostfriedhof sorgt, scheint sich immer weiter fortzusetzen. Noch weiß niemand, wer dahintersteckt und was die Täter treibt.
Anwohner sind schon seit Jahren auf den Barrikaden: „Hier wird nachts auf den Gräbern meiner Großeltern getanzt“, klagt beispielsweise Sophia von den Driesch. Sie lebt seit 59 Jahren neben dem Friedhof. Immer wieder verschafften sich junge Leute Zugang. Sie beobachtet das regelmäßig. Zaun und Nebentor an der Eifelstraße stellten kein Hindernis dar. „Dann wird bis tief in die Nacht gefeiert, laute Musik, ständig Gegröle. Morgens liegen dann überall Glasscherben von den Alkohol-Exzessen herum“, schildert sie.
Am Rande verrichten Junkies ihre Notdurft; davon zeugt das Klopapier in den Friedhof-Büschen. „Und es wird hier offen gedealt, das ist ein Drogenumschlagplatz. Jeder weiß das. Und keiner greift hier durch“, ärgert sich die Aachenerin. Es sind offenbar ganz unterschiedliche Gruppen und Täter, die auf dem Ostfriedhof ihr Unwesen treiben.
Einigermaßen sprach- und ratlos zeigten sich jetzt auch die Politiker aller Fraktionen im Stadtbetriebsausschuss, der für die Pflege der Friedhöfe zuständig ist. Ganz frisch berichtete Dezernent Heiko Thomas dort über die jüngsten Vorfälle. 17 weitere historische Grabstätten sind in der Nacht von Samstag auf Sonntag zerstört worden. Thomas fürchtet, dass einige nicht wiederherstellbar sind, weil auch die handwerklichen Techniken in Vergessenheit geraten sind.
Es ist allein in diesem Jahr der vierte schwerwiegende Vorfall, der die Friedhofsverantwortlichen und auch die Polizei beschäftigt. Zuvor schlugen Unbekannte an zwei Wochenenden im Januar und an einem im Februar zu. Damals waren insgesamt 20 Gräber betroffen – acht in privater Nutzung und zwölf in städtischer Obhut.
Schon damals wurden die Instandsetzungskosten mit annähernd 100.000 Euro angesetzt, nach dem jüngsten Vorfall dürften sie deutlich darüber liegen. Ein schwerer Schlag für die jeweiligen Eigentümer, die selbst für die Sanierung aufkommen müssen. Unterstützung können sie derzeit lediglich vom Verein „Förderkreis Ostfriedhof“ erwarten, der zur Wiederherstellung der Gräber eine Unterstützung von jeweils maximal 500 Euro zugesagt hat. Die Politik will nun prüfen, ob es etwa seitens der Bezirksvertretung Aachen-Mitte weitere Hilfen geben kann.
Wichtiger aber ist die Frage, wie der Vandalismus gestoppt werden kann. „So darf es nicht weitergehen, das muss aufhören“, sagte Kaj Neumann für die Grünen, „wir sind für jeden Vorschlag offen.“ Die Bestürzung ist auf allen Seiten groß, die Ratlosigkeit aber auch. „Der Friedhof ist groß und sehr schwer zu schützen“, weiß auch Elke Eschweiler (CDU).
Sie plädiert nachdrücklich für eine Videoüberwachung, die auch seitens der Stadt ins Gespräch gebracht wird. Insbesondere in den Abend- und Nachtstunden könnten – aus Datenschutzgründen – nur auf dem Gelände angebrachte Kameras das Mittel der Wahl sein, um unerwünschte Personen zu entdecken, die sich nach Schließung der Tore auf das Gelände begeben.
Denn eigentlich darf der Friedhof spätestens ab 19 Uhr nicht mehr betreten werden. Der Zugang von der Peliserkerstraße wurde schon vor geraumer Zeit dichtgemacht. „In der Praxis schreckt das die Drogenkranken, Dealer, Partyleute und Vandalen nicht ab“, sagt Anwohnerin von den Driesch vor Ort. Die Zäune müssten höher werden, das Nebentor auch. „Ohne Videoüberwachung oder deutlich mehr Präsenz von Ordnungsamt und Polizei wird sich hier nichts ändern. Dass die Polizei hier ab und zu nachts mit einem Streifenwagen und Suchscheinwerfer über die Hauptwege des Friedhofs patrouilliert, bringt doch nichts“, sagt die Bürgerin.
Das respekt- und pietätlose Fehlverhalten nehme auf dem Ostfriedhof spürbar zu. Sogar Fußballspiele würden auf abgeräumten Grabfeldern auf den Toten stattfinden. „So schlimm wie jetzt war es noch nie. Es ist eine Katastrophe“, sagt von den Driesch.
Schon im vergangenen Jahr haben Polizei, städtische Ordnungskräfte und Oberbürgermeisterin erste Überlegungen angestellt, wie die Sicherheit auf dem Friedhof erhöht werden kann. Damals hatte es vor allem Beschwerden darüber gegeben, dass der Ostfriedhof zunehmend als Rückzugsort von Obdachlosen und Drogensüchtigen der Kaiserplatzszene genutzt wurde. Immer wieder fühlten sich Parkbesucher, aber auch Friedhofsbeschäftigte belästigt und bedroht. In der Folge wurden verstärkt Streifen eingesetzt. Die Polizei hat einen Schlüssel für die nachts verschlossenen Tore erhalten.
Mit vielen Kontrollgängen soll insbesondere der Kaiserplatzklientel der Aufenthalt auf dem Friedhof so unattraktiv wie möglich gemacht werden, heißt es seitens der Stadt. Polizei und Friedhofsverantwortliche sind allerdings überzeugt, dass die Zerstörungen der Gräber auf einen anderen Personenkreis zurückzuführen sind. „Es gibt keinen Zusammenhang zur Kaiserplatzszene“, bekräftigte Heiko Thomas auch im Ausschuss.
Die Täter gehen mit viel Kraft und vermutlich auch Hebelwerkzeugen vor. Doch noch scheint es nicht die geringste Spur oder einen Verdacht zu geben.