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Niederschwelliges Angebot: Städteregion eröffnet den ersten Gesundheitskiosk der Region

Niederschwelliges Angebot : Städteregion eröffnet den ersten Gesundheitskiosk der Region

Mit dem ersten Gesundheitskiosk in Aachen sorgen AOK und Städteregion für ein niederschwelliges Hilfsangebot in allen Fragen. Nach Hamburger Beispiel wird ab sofort unbürokratisch beraten.

Ein gesünderes Leben für alle, egal, in welcher sozialen Situation. Das schlichte und zugleich komplizierte Motto ist nicht nur ein Versprechen. Mit ihrem ersten Gesundheitskiosk haben Städteregion Aachen und die AOK Rheinland/Hamburg gemeinsam einen wichtigen Schritt gewagt.

Was bürokratisch als „populationsbezogenes Versorgungsprojekt“ gilt, rückt in Trägerschaft der „Sprungbrett gGmbH“, Tochtergesellschaft der Städteregion, nah heran an die Menschen – unübersehbar in den Aachen-Arkaden (Trierer Straße 1), neben dem Gesundheitsamt der Städteregion. Der helle große Raum ist in den optimistischen Farben Grün und Weiß gehalten.

Elif Tunay-Çot, Leiterin der Einrichtung, hat bereits Ideen, um im Rahmen eines lebendigen Gesundheitsnetzwerkes Angebote zu gestalten, die guttun: Diabetiker- und Ernährungsberatung, Begleitung bei Krebserkrankungen, Hilfe für pflegende Angehörige und junge Familien, Gehtraining für Amputierte, Kontakt zur Schuldnerberatung, guter Rat, wenn es um Probleme wie Autismus, demenzielle Erkrankungen oder Impfungen geht und mehr. Oder wenn man Kontakte zu Krankenhäusern und Pflegediensten braucht.

„Wir haben große Pläne“, betont die 38-jährige Wirtschaftswissenschaftlerin mit medizinischer Zusatzqualifikation, die weiß, dass es nicht leicht sein wird, Vertrauen aufzubauen und die Möglichkeiten einer sozialen und medizinischen Einrichtung bekannt zu machen. Der Kiosk bietet Lotsendienste in jeder Form an – und das auch Nutzern, die keine AOK-Mitglieder sind. Es gilt, Schwellenängste zu überwinden. Daher der Name „Kiosk“, ein Ort, an dem man sich treffen kann – angstfrei.

Bunte Würfel am Eingang sind mit einem „Willkommen“ in diversen Sprachen beschriftet. „Brauchen wir Dolmetscher zu anderen Sprachen, finden wir beim kommunalen Integrationszentrum Hilfe“, versichert Elif Tunay-Çot. Zur Eröffnung – mit Durchschneiden eines grünen Bandes – beweisen prominente Gäste, wie ernst sie die Initiative nehmen.

„Wer in einer sozial schwierigen Situation lebt, nutzt vielfach keine Präventionsangebote“, weiß Dr. Michael Ziemons, Gesundheitsdezernent der Städteregion Aachen. „Es ist erwiesen, dass Betroffene im Krankheitsfall sieben bis zehn Jahre früher sterben als andere.“ Matthias Mohrmann, Mitglied des AOK-Vorstandes, kündigt unbürokratische Hilfe für alle an – vom Baby bis zum alten Menschen. „Deutschland hat ein gutes Gesundheitssystem“, sagt er. „Aber die Chancen, daran teilzuhaben, sind noch immer unterschiedlich, daran wollen wir etwas ändern, so mancher findet den Weg zur Hilfe nicht.“

Was 2017 erstmals in Hamburg eingerichtet wurde, soll nun in den Arkaden eine Aachener Variante erfahren, die Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein, nachdrücklich unterstützt. „Das Nachdenken über Armut und Gesundheit hat bereits vor Jahren den Deutschen Ärztetag beschäftigt“, berichtet Henke. „Wer etwa arbeitslos wird, ist von Armut und Krankheit deutlich bedroht, das Erlebnis von Ohnmacht ist schlimm. Neue Chancen bedeuten Hoffnung, wir müssen den Anfang machen.“

Und Heiko Jansen, AOK-Regionaldirektor in Aachen-Düren-Heinsberg, ergänzt: „Kranke Menschen brauchen jemanden, der zuhört und sich Zeit nimmt, Ärztinnen und Ärzte können das häufig nicht.“ Er fordert die Stärkung der Solidaritätsgemeinschaft und sieht im Gesundheitskiosk einen Weg dorthin.

Doch wie soll das Angebot Menschen, die es nutzen könnten, erreichen? Wenn jemand keine Zeitung liest oder nicht online unterwegs ist? Demnächst gibt es zusätzlich zur Beratungsstelle ein rollendes „Kiosk-Mobil“. Sobald der Bus startklar ist, machen sich Elif Tunay-Çot und ihr Team auf den Weg – dorthin, wo sozial schwächere Bürgerinnen und Bürger leben, wo die Sprache ein Hindernis ist, um sich Rat zu holen oder wo man schlicht bei allem großes Misstrauen empfindet, was an eine Behörde erinnert.

„Damit fahren wir zu den Menschen, etwa vor Moscheen nach dem Freitagsgebet, zu Ereignissen in der Stadt oder zu Kirchen an Feiertagen. Wir suchen noch Gesundheitsberaterinnen und -berater, multinational!“, betont Elif Tunay-Çot. Wichtiges Mittel: Mund-zu-Mund-Propaganda. Wichtiges Ziel: Abbau von Ängsten.