Stadt Aachen will 76 neue Plätze einrichten : 3081 Betreuungsplätze für die Kleinen
Aachen Im kommenden Kita-Jahr 2020/21 sollen in Aachen 3081 Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren bereitstehen. So steht es im Entwurf der Kindertagesstättenbedarfsplanung. Allerdings ändern sich mit der Reform des NRW-Kinderbildungsgesetzes auch die Rahmenbedingungen.
Am 1. August 2020 wird in Nordrhein-Westfalen das „Gesetz zur qualitativen Weiterentwicklung der frühen Bildung“ in Kraft treten und damit die bisher gültige Fassung des Kinderbildungsgesetzes (Kibiz) ablösen. Eltern junger Kinder dürfen sich vor allem über ein zweites beitragsfreies Kindergartenjahr freuen. Für die Stadt Aachen bedeutet die Kibiz-Reform vor allem eins: viel Arbeit.
„Es ist wesentlich mehr als nur die Auskömmlichkeit verändert worden“, sagt Heinrich Brötz, Leiter des Fachbereichs Kinder, Jugend und Schule, auf Anfrage. Die Elternbeitragssatzung müsse verändert, die Richtlinie für die Kindertagespflege angepasst werden. Viele Fragen seien zudem noch offen. Zum Beispiel mit Blick auf flexiblere Öffnungszeiten, die das Gesetz vorgibt. Erst wenn die entsprechenden Ausführungsbestimmungen vorliegen, könne man über die konkrete Ausgestaltung in Aachen sprechen.
Da das Land noch nicht alle Fragen beantworten konnte, musste die Verwaltung für den Entwurf der Kindertagesstättenbedarfsplanung 2020/21 noch das bisherige Regelwerk zugrundelegen. Dieser enthält eine gute und eine schlechte Nachricht: Für Kinder unter drei Jahren werden 76 neue Plätze geschaffen. Zeitgleich sinkt das Angebot für Kinder über drei Jahre im Umfang von 33 Plätzen.
Warum geht die Anzahl der Ü3-Betreuungsplätze zurück?
Die Verwaltung geht für das Kita-Jahr 2020/21 von einer Versorgungsquote von 93,08 Prozent im gesamten Stadtgebiet aus (Vorjahr: 93,81 Prozent). Damit ist die Stadt ein gutes Stück von der selbst gesetzten Zielquote von 97 Prozent entfernt. Die Betreuung ist somit laut Verwaltungsvorlage „gerade noch ausreichend“. Das liegt laut Verwaltung unter anderem daran, dass sich geplanten Baumaßnahmen für Neubauten verzögern. Zeitgleich haben einzelne Kitas ihre Gruppen neu strukturiert und Ü3-Plätze in U3-Plätze umgewandelt, um den aktuellen Bedarf der Eltern zu erfüllen.
Und wie sieht es bei den Kleinkindern unter drei Jahren aus?
Nach Berechnungen der Verwaltung gibt es im kommenden Kita-Jahr insgesamt 3081 U3-Betreuungsplätze. Davon entfallen allein 700 auf die Kindertagespflege.
Wo dürfte die Suche nach einem Betreuungsplatz besonders schwer sein?
Die niedrigste Versorgungsquote im U3-Bereich gibt es mit 37,75 Prozent in Haaren/Verlautenheide/Kalkhofen, einen Bereich, den die Verwaltung als Sozialraum 8 zusammengefasst hat. Ziel ist eine Quote von 50 Prozent. Im Sozialraum 4, Süd-West, steht es um die Ü3-Betreuung am schlechtesten. Laut Verwaltung liegt die Versorgungsquote dort bei 76,18 Prozent.
Welche Rolle spielen private Kitas?
Die Betreuungsplätze, die in privaten Kitas angeboten werden, werden in die Berechnungen der Verwaltung mit einbezogen. Und zwar unabhängig davon, ob die Kitas öffentlich gefördert werden oder nicht. Den Sprung in die Kibiz-Förderung versuchen private Anbieter immer wieder. Nicht immer mit Erfolg, wie das Beispiel der Nordkinder in der Soers zeigt. Ihr Antrag wurde zum zweiten Mal in Folge abgelehnt. Die Begründung: Ein Wechsel von privat-gewerblichen Plätzen in die Kibiz-Förderung ist nur dann möglich, wenn in dem Sozialraum eine entsprechende Unterversorgung bestehe. Das ist bei den Nordkindern laut Verwaltung nicht der Fall. Ein Umstand, den Kita-Leiterin Rebecca Hoven-Boom kritisiert. „Unsere Plätze werden mit eingerechnet, aber nicht öffentlich gefördert“, sagt sie.
Kommen durch die Kibiz-Reform Mehrkosten auf die Stadt zu?
Die Landesregierung hat versprochen, den Kommunen den Einnahmeausfall durch das zweite beitragsfreie Kindergartenjahr „vollumfänglich“ zu erstatten. Mehrkosten kommen wohl dennoch durch die Erhöhung der Kind-Pauschale auf die Stadt zu. „Da wir 57 eigene Einrichtungen haben, profitieren wir allerdings selbst von der erhöhten Kind-Pauschale“, sagt Brötz. Er rechnet deshalb mit keinem großen Verlust durch die Reform.
Das Land sagt, dass durch die zusätzlichen Investitionen auch mehr Personal beschäftigt werden soll. Wo soll das herkommen?
Das ist der Knackpunkt. Der Fachkräftemangel ist insbesondere in den Kitas groß. Heinrich Brötz nennt das Problem die „Quadratur des Kreises“, verweist jedoch darauf, dass sich auf Landesebene aktuell mehrere Arbeitsgruppen mit dem Thema beschäftigen. Auch die Stadt Aachen sei in zwei Arbeitsgruppen vertreten. Unter anderem gehe es darum, wie pädagogische Abschlüsse aus den Niederlanden und aus Belgien anerkannt werden können – etwas, wovon Aachen als Grenzstadt natürlich besonders profitieren könnte.