Unterschiede nutzen : Seniorenzentrum mitten auf der Grenze?
Aachen/Vaals Für ein herunter gekommenes Grundstück zwischen Aachen und Vaals gibt es Ideen angesichts unterschiedlicher Sozialsysteme.
Ideen gab es schon viele für das herunter gekommene Stück Grenze in Vaalserquartier – ein Museum, eine Bankfiliale, ein Touristenbüro, Wohnblocks. Andrea Schmitz fügt eine neue hinzu: Ein Seniorenzentrum für Deutsche und Niederländer, die so die unterschiedlichen Sozialsysteme nutzen können. Eventuell kombiniert mit den jetzigen Nutzungen von Mütterzentrum Mamma Mia und Jugendeinrichtung Kaktus. Gemeinsame Projekte für Jung und Alt, sogenannte intergenerationelle Häuser, gelten in vielen überalterten Industrieländer als Modell für die Zukunft, sie sollen sich gegenseitig befruchten.
Andrea Schmitz ist Grenzgängerin. Die Deutsche arbeitet als Sozialarbeiterin in Aachen und lebt mit ihrem niederländischen Partner und zwei Töchtern in Vaals. Im Fernsehen ist sie auf einen Bericht über ein ähnliches Projekt im Münsterland gestoßen und hat nach dem jüngsten Vorstoß der Aachener SPD zum seit Jahrzehnten vernachlässigten Grenzübergang zwischen Aachen und Vaals einen Bürgerantrag bei der Stadt Aachen eingereicht.
Darin heißt es: „Ich möchte Ihnen vorschlagen, ein grenzüberschreitendes Betreutes Wohnen/Pflegeheim für ältere Menschen an der Grenze Vaals/Aachen zu bauen. Eventuell kann das bereits dort bestehende Jugendprojekt Kaktus und das Mütterzentrum Mamma Mia mitintegriert werden. Es würde nicht nur das unmittelbare Grenzgebiet baulich und gestalterisch aufwerten. Es würde vor allem auch ein gemeinsames Zuhause im Alter für deutsch-niederländischen Paare schaffen, die sich durch ihre Renten in zwei verschiedenen Sozialsystemen bewegen und eine Finanzierung ihrer pflegerischen Versorgung sicherzustellen haben.“
Das bestehende Wohn- und Pflegeprojekt befindet sich an der deutsch-niederländischen Grenze von Bocholt-Suderwick/Aalten-Dinxperlo. Auslöser war dort der Fall einer älteren Dame, die am Hellweg wohnt, der Straße, die das zu Bocholt gehörende Suderwick und das niederländische Dinxperlo, die einen Ort bilden, trennt. Die Frau wollte in ein Seniorenstift auf der anderen (niederländischen) Straßenseite ziehen, was aber ihre Pflegeversicherung nicht zuließ – sie musste in ein Versorgungsinstitut zehn Kilometer weiter auf deutscher Seite ausweichen. 2003 entstand so die Idee zu dem grenzüberschreitenden Projekt, das auch durch EU-Gelder mitfinanziert wurde.
Das 2009 eröffnete Bültenhaus wurde so gestaltet, dass ein Gebäude auf niederländischer und ein Gebäude auf deutscher Seite steht, die durch eine Brücke miteinander verbunden sind und somit zwei Adressen haben. Dadurch kann jeder Bewohner die Sozialleistungen in dem Land beantragen, in dem er Anspruch hat. Es wurde dazu auch ein Träger aus den Niederlanden und ein Träger aus Deutschland gesucht, die sich an dem Projekt beteiligt haben. Der Lebensmittelpunkt befindet in Form der „Taverne“, einer Begegnungsstätte nicht nur für die Bewohner, in der Brücke und mitten auf der Grenze – dort finden auch regelmäßig Veranstaltungen statt. Integriert ist auch eine Wohngemeinschaft mit neun Plätzen für Bewohner, die dauerhaft pflegebedürftig sind.
„So wie dort gibt es auch in Vaals viele deutsch-niederländische Ehepaare, die im Alter schauen müssen, wie sie ihren Pflegebedarf abdecken und wie sie ihn mit zwei verschiedenen Sozialsystemen finanzieren können. Dieses grenzüberschreitende Projekt mit zwei Adressen vereinfacht das Ganze“, schreibt Andrea Schmitz weiter in ihrem Bürgerantrag. In Bezug auf Vaals könne die zentrale Lage des Heimes direkt an der Grenze den älteren Menschen eine gute Möglichkeit bieten, sowohl die Infrastruktur von Vaals zu nutzen als auch durch die nahegelegene Bushaltestelle mehr Mobilität zu erreichen. Mit dem Bus sei Aachen oder Gulpen oder Maastricht auf niederländischer Seite gut erreichbar. Darüber hinaus könnte dieses Projekt sowohl in Aachen als auch in Vaals für eine positive Ausstrahlung sorgen, denn „dadurch wird eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit verdeutlicht, die wieder einen Schritt zu mehr Europa sehen lässt“.
Die Sozialarbeiterin hat Kontakt zu dem damaligen Projektleiter im Norden von NRW aufgenonmen, der für eine Vorstellung des Projektes zur Verfügung stehe. Er heißt Robbert van Hasselt und schildert auf der Internetseite, dass bei der Verwirklichung seinerzeit viele Hürden zu nehmen waren, Gespräche mit Europaparlamentariern, deutschen Parteien, Krankenkassen und Kommunen, Arbeitskreisen, Workshops und Einwerben von Geldern.