Künstler mit Asperger-Syndrom : Poetische Bilder als Brücke zur Welt
Aachen Stefan Robens ist Autist. Er lebt mit dem Asperger-Syndrom. Seine Kommunikationsform ist das Malen und Verfassen poetisch-tiefsinniger Bildtitel und Reflexionen. Seine Werke sind jetzt in der Aachener Genezareth-Kirche zu sehen.
Mächtige Wogen, ein sprühendes Meer aus Blau und Türkis, sonnendurchleuchtete Luft, aber auch strukturiertes Grau, ein Fels – oder ein schwerer Gedanke: Der Künstler Stefan Robens (35) teilt sich mit – in Bildern, durch dynamisch kreisende Bewegungen sorgt er für sinnliche Eindrücke. Das ist seine Sprache, mit der er alles aufnimmt und allem nachspürt. Darüber sprechen kann er (noch) nicht.
Stefan Robens ist Autist. Er lebt mit dem Asperger Syndrom. Seine Kommunikationsform ist das Malen und Verfassen poetisch-tiefsinniger Bildtitel und Reflexionen, die stets eine Botschaft enthalten. In der evangelischen Genezareth-Kirche, Vaalser Straße 349, zeigt eine Ausstellung unter dem Titel „Farben.Sphären.Klänge“ bis zum 11. September erstmals 15 zum Teil großformatige Werke des Aacheners, die alle erst in diesem Jahr entstanden sind. Im hellen Tageslicht des Kreuzgangs bieten die Bilder viel Gesprächsstoff und zugleich die Möglichkeit zur Meditation.
„Wir sind sehr glücklich, die Ausstellung ist ein wichtiger Schritt in der Entwicklung unseres Sohnes, das hätten wir nicht erwartet“, sagt Beate Robens, Mutter des Künstlers. Zusammen mit Ehemann Herbert nahm sie Kontakt auf mit Anne Kempmann, Chiropraktikerin, Trauma-Therapeutin und Coach für Kunst als Interventionsmethode, um dem Sohn eine weiterführende Förderung zu ermöglichen – eventuell durch die von Anne Kempmann praktizierte „Chirophonetik“, eine anthroposophische Therapieform, bei der mit Sprache und Berührung gearbeitet wird. „Eines Tages habe ich Stefan einen Stift in die Hand gedrückt und ein leeres Blatt vor ihn gelegt“, erzählt Anne Kempmann. Im „dia.logis.malen“ lässt die Therapeutin den Patienten nicht allein, sie beginnt, er malt mit. Irgendwann malt nur noch er. Es ist eine Form der nonverbalen Kommunikation, die Stefan Robens sofort aufgriff und den Prozess fortsetzte – eigenständig und bald mit aufblühendem Farbspektrum.
Inzwischen ist es die Ölpastellkreide, mit der er Träumen und Gedanken, Wünschen und Sehnsüchten Ausdruck gibt. Das anfänglich stark reduzierte Grau-Schwarz im ersten Werk „Schwarze Linien und Wellen aus dem Licht in den sauren Apfel“ ist einer leuchtenden Palette gewichen – Rot, Gelb, viel Blau. „Als Kind hat er schon gern gemalt, wir haben das stets unterstützt und ihn in Malgruppen mit Kindern ohne Behinderung geschickt“, erinnert sich Beate Robens.
Das offensichtliche Talent des Künstlers, die Tiefe der Gedanken, die in die Bilder einfließen, wird nun auf diesem Weg erschlossen. „Menschen mit Asperger Syndrom sind Visionäre“, weiß Anne Kempmann. Durch die FC-Methode („Facilitated Communication“), bei der ein in seiner Kommunikation beeinträchtigter Mensch durch einen anderen, den „Stützer“, ermuntert wird, Buchstaben zu schreiben oder auf einer Tastatur zu tippen, kann Stefan ausdrücken, was ihn bewegt – und das ist eine Menge.
In einer Dokumentation hat Anne Kempmann die wichtigsten Momente seiner künstlerischen Entwicklung festgehalten. Hier „erzählt“ Stefan Robens. Die Bilder, die häufig seinen Namen und den Titel als Schriftzeichen im Werk zeigen, zeugen von Poesie und einem tieferen Weltverständnis. Da gibt es eine zarte Frühlings-Impression: Unter dem Motto „Apfelgrüne Landschaft am Abend im Sommer“ entwirft Robens eine Szenerie mit wenigen Worten. „Es tanzt das Meer“ oder „Wasser und Erleuchtung in der Welt“ wecken die Fantasie. Wie ein Kolibri flattert ein imaginärer Flügel: „Blauer Engel und Ich“, so der sensible Titel.
Frühzeitig hat Robens das Meer kennengelernt. „Als Kind stand er lange im Wasser und blickte auf die Wellen“, erinnert sich Beate Robens. Was damals zu ihm vordrang, hat heute neue Reife erreicht. Sein Stil ist luftig, dynamisch und zeigt Farbsicherheit. Damit gelingt ihm Kommunikation, die sich durch die Begleitung seiner Kunst-Coach-Expertin weiterentwickeln kann. „Ich fühle mich heute viel mehr. Beim Malen habe ich keine Angst“, schreibt Stefan Robens. „Das ist befreiend.“ Und die Therapeutin weiß: „Seine psychische Widerstandskraft, die Fähigkeit zur Resilienz, wächst.“