Barrierefrei in der Halle : Experten diskutieren über Inklusion im Sport
Aachen Im Rollstuhl sitzend Sport machen? Eigentlich sollte das längst kein Problem mehr sein, ist es aber häufig noch. Der Stadtsportbund will die Inklusion vorantreiben. Bei einer Podiumsdiskussion war das Interesse an dem Thema groß.
„Mein Glückwunsch an den Stadtsportbund Aachen!“ Die Gratulation kam vom Fachmann. Professor Dr. Thomas Abel, der am Institut für Bewegungs- und Neurowissenschaft der Deutschen Sporthochschule Köln die erste deutsche Professur „Paralympischer Sport“ initiierte, drückte mit dem Kompliment seine Bewunderung aus für ein Projekt des Stadtsportbunds: „Inklusion im Sport – Gemeinsam stark für Aachen.“
Mit dem Projekt will der Stadtsportbund, Dachverband von 224 Mitgliedsvereinen, in den nächsten drei Jahren die Inklusion im Aachener Sport umsetzen. Er will die gleichberechtigte und gleichwertige Teilnahme und Teilhabe für Menschen mit Beeinträchtigung im Sport maßgeblich voranbringen und verbessern.
Wie groß Interesse, Bedarf und Druck aus der Gesellschaft am Thema Inklusion sind, zeigte eine Podiumsdiskussion in der Nadelfabrik am Reichsweg. Rund 70 geladenen Akteure aus der Sport- und Inklusionslandschaft (Behindertenverbände, Selbsthilfegruppen) und Bürgerschaft waren gekommen, um sich über Chancen, Herausforderungen und Lösungen auszutauschen.
„Wir haben in einer kompetenten Diskussion viel Mutmachendes und Auf-den-Weg-Machen gehört“, fasste Moderator Thorsten Pracht am Ende der zweistündigen Runde zusammen. Der Diplom-Sportwissenschaftler Pracht, als Redakteur im Zeitungsverlag Aachen zuständig für die Lokalredaktionen, war exakt der richtige sportbegeisterte Fachmann, um Podium und Gäste miteinander ins Gespräch zu bringen. Das Podium: Björn Jansen, Vorsitzender des Stadtsportbunds Aachen; Katja Lüke, Referentin für Inklusion beim Deutschen Olympischen Sportbund, angereist aus Frankfurt/Main; Professor Thomas Abel aus Köln; Professorin Dr. Liane Schirra-Weirich von der Katholischen Hochschule NRW; André Schnitker, 2. Vorsitzender des Post-Telekom-Sportvereins Aachen (PTSV); Dirk Branigk, 1. Vorsitzender des Rollstuhlclubs Aachen.
Wie entschlossen und optimistisch stimmend der Stadtsportbund das von der „Aktion Mensch“ geförderte Projekt angeht, demonstrierten Sina Eghbalpour und ihr Team Lisa Verhaert vom Institut für Teilhabeforschung der Katholischen Fachhochschule NRW sowie Julius Güntner, Inklusions-Referent beim Stadtsportbund. Die Sozialpädagogin Sina Eghbalpour, durch die Glasknochenkrankheit selbst an den Rollstuhl gefesselt, ist die Sport-Inklusionsmanagerin des Stadtsportbunds. „Die Inklusion ist mein Lebensmotto, dafür kämpfe ich“, sagt die junge Frau voller mitreißender Tatkraft.
Die Sportvereine sollen für das Thema Inklusion sensibilisiert werden. Seit Beginn des Jahres hat das Team begonnen, in einer Situationsanalyse Vereinsvorstände, Übungsleiter und Mitglieder zur Inklusion zu befragen. Im kommenden Jahr rücken die Menschen mit Beeinträchtigung in den Fokus. Verankert werden soll das Thema auch in den öffentlichen Institutionen und in der Politik. Die Professoren Abel und Schirra-Weirich sichern die wissenschaftliche Begleitung.
Erste Erfolge stellen sich ein. André Schnitker vom 3600 Mitglieder starken PTSV bot allen behinderten Menschen an: „Unsere Türen sind offen.“ Leider gebe es bislang seitens beeinträchtigter Menschen beim Verein „keine Anfragen“. Als Modellverein wird der Stadtsportbund den PTSV auf dem Weg zur Inklusion nun beraten und unterstützen, um herauszufinden, „was bei der Inklusion in unseren 15 Sportarten geht“. Auch Schwarz-Rot Aachen will sich mit Rollstuhl-Handball beteiligen.
„Wir wollen Barrieren überall abbauen, Barrieren in den Köpfen und Barrieren räumlicher Art“, ermuntert Björn Jansen. Welche Hindernisse sich oft auftun, machten Wortmeldungen aus dem Publikum deutlich. Die Schwierigkeiten reichen von der Inklusion gegenüber skeptischen Vorständen und Übungsleitern, Problemen in Schwimmhallen ob fehlender Bademeister-Aufsicht über komplizierte Versicherungsfragen etwa bei Schadensfällen und Ärger mit Krankenkassen bis hin zu nicht barrierefreien Sporthallen, der teuren Anschaffung von Sport-Rollstühlen etwa oder der Frage, wo solche und andere Geräte in den Sportstätten mangels Stauraum untergebracht werden können. Auch der ÖPNV habe für Behinderte gravierende Mängel
„Es gibt noch viele Barrieren in den Köpfen. Wir müssen dicke Bretter bohren, wir bleiben dran“, sagt Katja Lüke. „Komm doch mal!“ appelliert sie an sportinteressierte Menschen mit Behinderung, bei Vereinen vorbeizuschauen. „Wir sind als Gesellschaft gefordert, Menschen mit Beeinträchtigung nicht auszuschließen. Wir müssen allen die Teilhabe am Sport ermöglichen. Und wir wollen mit der Inklusion heute anfangen, nicht übermorgen“, drängt Björn Jansen. Allen Akteuren, ob in Vereinen oder unter behinderten Menschen, bietet Jansen an: „Kontaktieren Sie uns!“