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Hausbesetzer in Aachen: Neugier treibt Nachbarn ins Karmelitinnenkloster

Hausbesetzer in Aachen : Neugier treibt Nachbarn ins Karmelitinnenkloster

Einige Wochen lang war es relativ ruhig um das besetzte Kloster an der Lousbergstraße. Jetzt haben die Hausbesetzerinnen und Hausbesetzer zu einem zweitägigen Klosterfest eingeladen. Und erneut deutlich gemacht, dass sie bleiben wollen.

Langsam, fast andächtig bewegt sich die ältere Dame durch das Schiff der St.-Josefs-Kapelle an der Lousbergstraße, die zur Anlage des ehemaligen Karmelitinnenklosters gehört. „Ich wollte einfach mal gucken kommen“, sagt sie, „und ich möchte gerne wissen, was aus der Anlage wird.“

So wie der Nachbarin des denkmalgeschützten Prachtbaus am Lousberg geht es an diesem Wochenende vielen Besucherinnen und Besuchern des Klosterfests, eine Art Tag der offenen Tür, zu der in das Karmelitinnenkloster eingeladen worden ist. Doch die Veranstalter des Fests, mit Führungen durch den Klostergarten, Kletterworkshops und kritischen Diskussionen, mit Kaffee und Kuchen und Livemusik, sind nicht etwa Ordensschwestern. Die sind schon lange weg vom Lousberg. Nein, es sind Hausbesetzer, die sich seit mittlerweile acht Wochen in dem Kloster eingerichtet haben, um die seit Jahren leerstehende Anlage in eine Art soziales Zentrum für das Viertel zu verwandeln. Wo früher gebetet wurde, steht jetzt ein Kickertisch. Es gibt einen „Free Shop“, in dem Konsumkritiker kostenlose, gespendete Kleidung „einkaufen“ können, einen Sportraum sowie ein „drogenfreies Wohnzimmer“, das man nur nüchtern betreten darf. Kurzum: Es ist wieder Leben in der Bude.

Doch wie kommt es, dass das Kloster so lange unbewohnt, die Immobilie so lange ungenutzt war? Der letzte Eigentümer, die „German Property Group“, die viele historische Bauwerke in ganz Deutschland aufgekauft hatte, ist insolvent gegangen. Pläne für die Anlage, unter anderem die Entwicklung eines Seniorenzentrums, wurden nie realisiert. Jetzt hat sich die Firma CR Investment Management mit Sitz in Berlin um den Verkauf der Insolvenzmasse gekümmert, auch um das Kloster in Aachen.

 Kickern im Kirchenschiff: Die Hausbesetzer haben die ehemalige St.-Josefs-Kapelle an der Lousbergstraße sichtbar umgestaltet.
Kickern im Kirchenschiff: Die Hausbesetzer haben die ehemalige St.-Josefs-Kapelle an der Lousbergstraße sichtbar umgestaltet. Foto: Andreas Herrmann

Ende August endete allem Anschein nach ein für die Öffentlichkeit kaum einsehbares Bieterverfahren. Was dabei herausgekommen ist, will das Unternehmen lieber nicht verraten, man gibt sich zugeknöpft: „Aufgrund der Regularien können wir Ihnen derzeit keine weiteren Einzelheiten zu Interessenten und Bietern mitteilen. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir erst nach Beendigung des Verfahrens einzelne Informationen kommunizieren können“, heißt es auf Anfrage unserer Redaktion.

Aus kommunalpolitischen Kreisen ist jedoch zu hören, dass es offenbar Gespräche mit mehreren Interessenten gegeben hat, unter anderem soll auch die Stadt Aachen selbst ein Angebot abgegeben haben für das große Areal im beliebten Lousbergviertel.

Unterhält man sich mit Nachbarn des Klosters, wird schnell klar, dass den Leuten eines auf dem Magen liegt: „Wir wollen einfach nicht, dass hier noch so ein Klotz hinkommt wie er derzeit an der Nizzaallee entsteht“, sagt eine Anwohnerin des Viertels. Sie verfolge das, was rund um das Kloster berichtet wird, und ärgere sich sehr über die Intransparenz des ganzen Verfahrens. „Wem gehört das hier, und was soll daraus werden?“, fragt sie sich – und ist damit nicht die einzige.

Was aus dem Lousbergviertel werden soll, damit hat sich in den vergangenen Monaten auch die Aachener Kommunalpolitik intensiv beschäftigt. Ein Bebauungsplan soll nun dafür sorgen, dass der große, derzeit ziemlich verwilderte Klostergarten nicht einfach überplant werden kann.

„Ich finde es wichtig, was die jungen Leute hier machen“, sagt eine andere Besucherin des Klosterfests, „und solange hier alles ruhig und friedlich ist, finde ich die Besetzung des Klosters auch völlig in Ordnung. Nur – seien wir ehrlich – das ist ja kein Dauerzustand!“

Wie realistisch ist die Idee der Klosterbesetzer, die sich selbst die „Besetzies“ nennen, hier ein soziales Zentrum für alle Aachenerinnen und Aachener entstehen zu lassen? Man habe versucht, Kontakt zu den Besitzern aufzunehmen, aber so richtig sei das nicht gelungen, meint ein junger Mann, der an diesem Sonntag Führungen durch die Anlage anbietet. Es habe auch eine „Arbeitsgruppe Bürokratie“ gegeben, in der man sich darüber gestritten habe, ob man sich als Verein organisieren müsse oder sonst irgendwie institutionalisieren, um den Forderungen – mehr günstiger Wohnraum, mehr öffentlicher Raum für alle – stärker Ausdruck verleihen zu können. „Doch das war einigen von uns zu stressig. Wir sind aktuell eher anarchistisch.“

Während die Nachbarn sich im Kapellenschiff friedlich bei Kaffee und Kuchen über die Zukunft des Lousbergviertels austauschen, stellen einige der Hausbesetzer in der Siebdruckwerkstatt „Merchandise“ für das besetzte Kloster her. Wem die Anlage nun gehört, oder bald gehören wird, weiß von den Anwesenden niemand so genau. „Aber es ist gut, dass was passiert“, findet ein älterer Nachbar, der „gleich um die Ecke“ wohnt. „Es pikst ja auch an was, was die Menschen hier machen“, sagt er, und beißt in sein Stück Schokoladenkuchen.