1. Lokales
  2. Aachen

Nach jahrelangem Leerstand: Neue Mieter für das alte Hortenhaus

Nach jahrelangem Leerstand : Neue Mieter für das alte Hortenhaus

Seit Juni 2017 ist das alte Hortenhaus in Aachen verwaist. Mehrere Interessenten zogen sich zurück. Jetzt stehen erste Großmieter fest, der Umbau kann beginnen.

Die Genesung des steinernen Patienten naht: Viele Ideen sprudelten seit Juni 2017 nach dem Aus für die Kaufhof-Tochter „Lust for Life“ im ehemaligen Hortenhaus. Erst wollte der Moderiese Sinn einziehen, danach der Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB) mit einer Dependance der RWTH Aachen. Beide machten Rückzieher. Auch ein Food-Court mit Markthalle war im Gespräch. Doch das Kaufhaus mit derzeit 18.473 Quadratmetern auf fünf Etagen ist über Jahre verwaist.

Die Planungen kosteten den Aachener Projektentwickler Landmarken AG als Eigentümer der gewaltigen Immobilie viel Geld und Zeit. Immer wieder musste der aufwendige Umbau – zugeschnitten auf die Bedürfnisse der potenziellen Mieter – verschoben und angepasst werden. Jetzt sind neue Verträge in trockenen Tüchern, der Zeitplan steht.

Die Krankenkasse AOK will Ende 2023 vom Karlshof am Markt in das ehemalige „Lust for Life“ umsiedeln, das der AOK-Regionaldirektor Heiko Jansen bereits „Quellwerk“ nennt. Rund 1800 Quadratmeter, zum Teil im Erdgeschoss, übernimmt die Gesundheitskasse. Entsprechende Informationen unserer Zeitung haben AOK und Landmarken AG am Donnerstag bestätigt.

Auch weitere Flächen sind bereits verplant. „Der Fokus liegt auf modernen Arbeitswelten mit öffentlich wirksamen Nutzungen im Erdgeschoss. Wir planen, im Februar den Bauantrag einzureichen“, erklärt Landmarken-Sprecher Kolja Linden. „Landmarken selbst wird circa 4600 Quadratmeter in den Obergeschossen übernehmen und inspirierende Arbeitswelten für rund 160 Mitarbeiter plus Erweiterungspotenzial schaffen“, sagt er.

 So soll es in zwei bis drei Jahren aussehen: Die Landmarken AG verwandelt das ehemalige Horten-Warenhaus in moderne Bürolandschaften – mit vielen Fenstern und großzügigen Lichthöfen.
So soll es in zwei bis drei Jahren aussehen: Die Landmarken AG verwandelt das ehemalige Horten-Warenhaus in moderne Bürolandschaften – mit vielen Fenstern und großzügigen Lichthöfen. Foto: Kadawittfeld

Der besondere Charme der Etagen soll in ein modernes Konzept mit einem belichteten Innenhof, der Licht in das Gebäudeinnere bringt, verschmolzen werden. Die Architektur stammt vom Aachener Büro Kadawittfeld. Möglich wird der Lichthof-Schnitt durch den Gebäudekomplex, weil die Statik zum Schutz der im Boden liegenden, denkmalgeschützten Rosenquelle, die nicht durch senkrechte Stahlstützen beeinträchtigt werden sollte, hoch oben unter dem Dach riesige quer verstrebte Fachwerkstahlträger vorsah.

Das eröffnet Architekt Gerd Wittfeld ganz neue Gestaltungsperspektiven. „Diese Chance nutzen wir, auch wenn dadurch Nutzfläche verloren geht“, hatte Wittfeld schon vor Jahren bekräftigt. Das Haus selbst steht nicht unter Denkmalschutz. Die Horten-typischen Kacheln werden abgerissen, neue Fenster – nicht ganz so üppig wie in früheren Entwürfen – eingesetzt.

Der architektonische Coup stammt aus dem Jahr 1962. Derzeit läuft die technische Entkernung des betagten Baus. Nachhaltigkeit ist den Projektentwicklern wichtig. Die Fassade soll rückbaubar und somit nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip recyclingfähig sein. Zum Graben hin ist eine begrünte Wand geplant und auch über eine Fahrradgarage ist man im Gespräch.

Die AOK stellt ihren Umzug in eine „weitreichende strukturelle und organisatorische Neuausrichtung“. Die Immobilie des AOK-Standorts am Karlshof, unmittelbar am Markt, wurde bereits verkauft. „Die Kundenbedürfnisse haben sich in den letzten Jahren erheblich verändert. Viele Anliegen werden telefonisch oder digital erledigt“, erläutert der AOK-Regionaldirektor. Trotzdem will Jansen persönliche Beratungsangebote in allen 15 Geschäftsstellen der Region erhalten. Zwei – in Aachen und Düren – werden zu sogenannten AOK-Häusern ausgebaut.

Gesundheit und Medizin in Aachen erlebbar machen – so lautet Jansens Plan: durch vielfältige Veranstaltungen, Kursangebote, Vorträge und Ausstellungen. „Hierzu bietet unsere bisherige Immobilie am Karlshof nicht die erforderlichen Möglichkeiten“, sagt Jansen. „Das neue Quellwerk hingegen, im ehemaligen Lust-for-Life-Gebäude, hat all das, was wir zukünftig für ein modernes AOK-Haus benötigen. Aber auch digitale oder hybride Veranstaltungsformate sind zukünftig wichtig.“ Auch dazu erarbeitet die AOK gerade im Schulterschluss mit der digitalen Innovationsschmiede Digital Hub Aachen in der Digital Church Konzepte für die Komphausbadstraße.

Es gibt weitere Ideen. Im Erdgeschoss soll noch Platz für einen „Nahversorger“, also Einzelhandel, und eine Gastronomie sein. Die Coronavirus-Krise hat die Nachfrage diesbezüglich bislang zum Teil ausgebremst. Vollgas gibt aber auch die Stadt Aachen. Dem Vernehmen nach werden gerade Visionen in Workshops diskutiert, die Flächen für die Volkshochschule (VHS) und die Stadtbibliothek im ehemaligen Warenhaus vorsehen könnten.

Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen sagte dazu auf Anfrage: „Im Rahmen der Transformation der Innenstadt spielen Orte der Neugier und des Entdeckens, die nicht mehr auf den Handel fixiert sind, eine wichtige Rolle. Das Lust for Life ist eine Option neben anderen, die für solch eine neue Nutzung in Frage kämen.“

Ganz generell unterstreicht Landmarken-Sprecher Linden: „Zwei Dinge waren und sind uns wichtig: Das Nutzungskonzept aus dem Ort heraus zu entwickeln, also so, dass es für den Standort sinnvoll, aber auch robust ist und langfristig Bestand hat. Und zweitens eine hohe Attraktivität und Anpassungsfähigkeit der Mietflächen zu schaffen.“

Warenhäuser wie das Hortenhaus waren vormals nur zu einem einzigen Verwendungszweck gebaut worden: nämlich als Kaufhaus. „Über eine Verwendungsmöglichkeit für die ,Zeit danach‘ hat sich damals niemand Gedanken gemacht. Wir wollen das Gebäude jetzt architektonisch so gestalten, dass auch für kommende Generationen auf unterschiedlichen Flächen verschiedene Nutzungen möglich sind“, erläutert Linden.

Die Landmarken AG verfügt da über erfolgreiche Referenzen: zum Beispiel die mehrfach preisgekrönten „Neuen Höfe Herne“. Dort wurde mitten in der Stadt ein ehemaliges Hertie-Kaufhaus nach mehr als zehn Jahren Leerstand umgebaut und mit sieben Mietern aus vier verschiedenen Branchen – zwei Restaurants, zwei Büromieter, zwei Einzelhändler, ein Fitnessstudio – komplett umgenutzt. In ehemaligen Hortenhaus gibt es – Stand Januar 2022 – noch über 4000 Quadratmeter Spielraum, bald verwandelt in modernste Bürolandschaften.

In Aachen passt zur Rehabilitation des Horten-Standorts, dass die Quelle im Keller immerhin 45 Grad Celsius heißes Wasser, über 40 Kubikmeter pro Stunde, ausspuckt. Die heißen Quellen speisen die Carolus-Themen und könnten künftig auch das hauseigene Gebäude-Klima wärmen. Was ebenfalls gesünder klingt.