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150 Jahre Viktoriaschule in Aachen: Mit 34 „höheren Töchtern“ ging es los

150 Jahre Viktoriaschule in Aachen : Mit 34 „höheren Töchtern“ ging es los

Die Aachener Viktoriaschule, privates Gymnasium in der Trägerschaft der Evangelischen Kirche im Rheinland, hat in diesem Jahr ein besonderes Jubiläum zu feiern. Die Schule wird 150 Jahre alt.

Mit einem Festakt erinnert die Aachener Viktoriaschule am 21. März an ihr 150-jähriges Bestehen. Irgendwann in den Tagen davor kommen die Spediteure und liefern den Baum an. Nicht irgendeinen Baum. Zum Jubiläum macht sich das Gymnasium einen Anne-Frank-Baum zum Geschenk, einen Ableger jener Weißen Rosskastanie, auf die das jüdische Mädchen Anne Frank aus seinem Versteck in Amsterdam blickte und die es in seinem Tagebuch beschreibt. Eine Stiftung in den Niederlanden vermittelt diese Bäumchen. An der Viktoriaschule überlegen sie noch, ob sie sich einen „kleinen“ Ableger – immerhin auch dreieinhalb Meter hoch – leisten oder sogar ein größeres Exemplar von rund viereinhalb Metern. Ein schöner Platz für den Baum ist auf jeden Fall schon ausgesucht, die Finanzierung über Spenden und den Förderverein gesichert.

Die Jubiläumskastanie symbolisiert ein Stück Geschichte der Viktoriaschule, denn Anne Franks Mutter, Edith Frank-Holländer, geborene Holländer, wuchs in Aachen auf und war Schülerin der Viktoriaschule. Im Jubiläumsjahr greife der neue Baum die Geschichte auf, als Symbol der Hoffnung, der Toleranz und des Wachsens weise er aber auch in die Zukunft, sagt Schulleiter David Krause.

Die Geschichte der Viktoriaschule beginnt am 28. April 1870 mit gerade einmal 34 Sextanerinnen. Sie waren die ersten Schülerinnen der „Evangelischen höheren Töchterschule“ in Aachen. Erster Schulleiter war ein gewisser Dr. Edelbüttel. Burtscheider Bürger hatten die Schule gegründet, Protestanten im ansonsten katholisch geprägten Aachen. 1870 ist auch das Gründungsjahr der RWTH Aachen und des Evangelischen Krankenhausvereins, der Träger des Luisenhospitals ist.

Dieses Foto entstand beim Schlussfest 1926.
Dieses Foto entstand beim Schlussfest 1926. Foto: Schularchiv Viktoriaschule

Benannt wurde die Schule 1880 nach der preußischen Kronprinzessin Viktoria, einer Frau, die sich sehr für die Mädchenbildung einsetzte. Die Schule sei über die Jahrzehnte sehr wichtig gewesen für die höhere Bildung von Mädchen aller Konfessionen in Aachen, sagt Krause. Und von Anfang an sei die Viktoriaschule geprägt gewesen von einem liberalen Geist, einer lebendigen Kultur des Miteinanders und der Wertschätzung. In dieser Tradition sieht er die Viktoriaschule, heute ein privates Gymnasium in Trägerschaft der Evangelischen Kirche im Rheinland, auch 150 Jahre später noch. Und für die Zukunft wolle man daran anknüpfen.

Wie alle konfessionellen Schulen wurde die Viktoriaschule 1935 vom Naziregime gleichgeschaltet und zwangsweise mit dem Mädchengymnasium St. Leonhard vereinigt. Das Schulgebäude wurde im Krieg durch Bomben völlig zerstört. 1956 wurde die Schule neu gegründet. Auch dieser Anfang war offenbar nicht einfach. Zuerst einmal fand sich kein Schulleiter. Eine junge Lehrerin, frisch vom Ausbildungsseminar in Köln, war schließlich kurzentschlossen bereit, sich auf das Wagnis einzulassen. So wurde Karin Boelk zur Gründungsdirektorin nach dem Krieg.

 Unterricht 1934: Eine Untersekunda (zehnte Klasse) der Viktoriaschule mit ihrem Lehrer.
Unterricht 1934: Eine Untersekunda (zehnte Klasse) der Viktoriaschule mit ihrem Lehrer. Foto: Schularchiv Viktoriaschule

Ihre Erinnerungen dokumentierte die Viktoriaschule in einer Festschrift zum 125-jährigen Bestehen: „Schon am nächsten Tag halte ich die Aufnahmeprüfung für die angemeldeten Sextanerinnen ab. 26 kleine Mädchen bilden die Anfangsklasse. Es gehörte schon Mut und Vertrauen der Eltern dazu, dieser provisorischen Schule ihre Kinder anzuvertrauen. Wir unterrichten in einem Raum des Evangelischen Verwaltungsamtes in der Michaelstraße.“ Und weiter: „Ich gebe zusätzlich zu meinen Fächern Deutsch und Erdkunde noch Sport (ohne Geräte und Turnhalle) und Handarbeit (hier lese ich Pippi Langstrumpf vor).“

Wirklich durchgehend dokumentiert ist die 150-jährige Geschichte der Viktoriaschule allerdings bis heute nicht. Dieser anspruchsvollen Aufgabe widmet sich aktuell Hans-Jürgen Serwe vom Förderverein in seiner Funktion als ehrenamtlicher Archivar der Schule. Seine Erkenntnisse zur Schulgeschichte sollen zum Schulfest im Juni in einer mehr als 200-seitigen Festschrift vorgelegt werden. Karin Boelk, die 1956 wichtige Aufbauarbeit für die Viktoriaschule leistete, sei übrigens nicht lange Schulleiterin geblieben, erzählt Serwe: „Nach einem Jahr hat man ihr die Aufgabe damals schon wieder abgenommen.“

150 Jahre Schulgeschichte: Für die Viktoriaschule ist das Jubiläum auch Anlass für eine Standortbestimmung. Dazu hat es bereits einige Projekte in der Schule gegeben. Ergebnisse können zum Beispiel am 13. Juni beim großen Schulfest bewundert werden. Dann stellen Schülerinnen und Schüler auch vor, wie die Namensgeberin ihrer Schule heute unterwegs sein könnte: Viktoria auf einem E-Scooter und mit Handy in der Hand.