Kritik an Amazon-Ansiedlung : Linke fordern Vergabekonzept, Grüne sprechen von „Totengräber“
Aachen An der Errichtung eines Verteilzentrums des Online-Versandriesen Amazon im Gewerbegebiet Avantis zwischen Aachen und dem niederländischen Heerlen gibt es erneut Kritik. Diesmal melden sich Linke und Grüne zu Wort.
Nachdem sich unmittelbar nach der Vorstellung des Vorhabens in der vergangenen Woche die Gewerkschaft Verdi und die Aachener Linken zu Wort melden, kritisieren nun die Aachener Grünen die Ansiedlung, während die Linke per Ratsantrag ein Vergabekonzept für die Gewerbegebiete in Aachen fordert.
In der Region seien Flächen zur Ansiedlung von Gewerbe ein knappes Gut, begründet der Linken-Planungspolitiker Marc Beus. „Umso wichtiger ist es, die wenigen zur Verfügung stehenden Gewerbeflächen so zu vergeben, dass ein messbarer regionaler Mehrwert entsteht.“ Seine Parteifreundin Ellen Begolli fügt hinzu: „Wir müssen soziale Standards in Bezug auf Lieferketten und Arbeitsplätze vor Ort sowie Nachhaltigkeitskonzepte ebenso festlegen wie Konzepte für einen zukunftsweisenden Strukturwandel. Oder anders ausgedrückt: Festgelegt werden muss das genaue Gegenteil des Geschäftsmodells von Amazon.“ Fraktionsvorsitzender Leo Deumens erinnert zudem an den Klimanotstand. „Umso unverständlicher ist die Freude über die Ansiedlung eines Unternehmens, das die Umweltbelastung durch exzessiven Lieferverkehr noch weiter verstärken wird und in dem Ruf steht, vorhandene Infrastrukturen zu nutzen, ohne mit Steuerzahlungen dazu beizutragen, diese zu erhalten oder gar auszubauen.“
Die Aachener Grünen kritisieren unterdessen, dass Amazon in seinem Verteilzentrum mit 170 Leiharbeitern starten möchte. Die jahrelangen Tarifauseinandersetzungen mit Amazon sowie Berichte über die Arbeitsverhältnisse ließen keine gute Arbeitssituation erwarten, befürchten die Grünen. Auch die zu erwartenden bis zu 350 zusätzlichen Arbeitsplätze bei den Vertragspartnern von Amazon seien wegen der Vertrags- und Arbeitsbedingungen zu hinterfragen, fordern die Grünen. Amazon hingegen hatte bei der Vorstellung seines Vorhabens angekündigt, die Leiharbeiter nach einem Jahr fest zu übernehmen.
Außerdem kritisieren die Grünen die Fläche von 66.000 Quadratmetern, die Amazon für Verteilzentrum und Infrastruktur benötigt. Bei den aktuellen technischen Möglichkeiten sollte ein Lagergebäude auf geringerer Grundfläche und über mehrere Etagen realisiert werden, sagen die Grünen und fügen hinzu: „Dieser hohe Flächenfraß ist heute unverantwortlich!“
Gleichwohl war das Gewerbegebiet Avantis im Jahr 2012 so neu strukturiert worden, dass es nach jahrelangem Stillstand auch Unternehmen mit großem Flächenbedarf, beispielsweise aus der Logistikbranche, Platz bieten kann. Und dies laufe seit einigen Jahren sehr erfolgreich, wie der Geschäftsführer der Avantis-Betreibergesellschaft, Felix Delahaye, aber auch der Aachener Beigeordnete und Vorstand der Avantis-Betreibergesellschaft, Manfred Sicking, bei der Präsentation Amazons, erklärten. Bei diesem Termin war im Übrigen auch die grüne Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen anwesend und lobte dabei ausdrücklich die guten Gespräche, die der Ansiedlung vorausgegangen seien und die schon unter ihrem Vorgänger Marcel Philipp (CDU) begonnen hätten.
Die Fraktionsgeschäftsführerin der Aachener Grünen, Relindis Becker, weist in ihrer Mitteilung hingegen auf den Strukturwandel im Rheinischen Revier hin, mit dem angestrebt werde, dass sich auf den vorhandenen Flächen zukunftsweisende (industrielle) Unternehmen und Institutionen niederlassen, die sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze schaffen. Die Ansiedlung des Giganten Amazon jedoch stehe in krassem Widerspruch dazu. „Wir diskutieren die Zukunft der Innenstädte, das City-Management, die Unterstützung des Einzelhandels und seine Attraktivierung. Zugleich bietet man einem der Totengräber des Einzelhandels ein großes Betätigungsfeld“, heißt es in der Mitteilung wörtlich.
Ähnlich wie die Linken weisen auch die Grünen auf die umstrittene Steuerpolitik von Amazon hin und kritisieren unter anderem vor diesem Hintergrund, dass die politischen Gremien der Stadt in die Entscheidung nicht einbezogen waren. „Eine Entwicklung dieser Größenordnung gehört unseres Erachtens in die politische Debatte“, heißt es in der Mitteilung der Grünen abschließend.