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Corona: Kneipen werden bald früher schließen müssen

Corona : Kneipen werden bald früher schließen müssen

Weil die Corona-Fallzahlen weiter steigen, treten wieder strengere Einschränkungen in Kraft. Unter anderem wird es auch bald in der gesamten Städteregion Aachen eine Sperrstunde für Kneipen und Beschränkungen für den Verkauf alkoholischer Getränke geben.

Erste Belege für das Konzept der Sperr- oder Polizeistunde gibt es bereits aus der Wende vom Spätmittelalter zur frühen Neuzeit. Damals streiften Polizisten von Kneipe zu Kneipe, um da­rauf zu achten, dass kein Bier mehr ausgeschenkt wurde. So sollte verhindert werden, dass die Nachtruhe der anständigen Bürger durch laute Trunkenbolde in den Straßen gestört wurde. In gewisser Weise geht es auch bei der Sperrstunde, die aktuell in Deutschland diskutiert wird, um Ruhe. Um Ruhe vor dem Coronavirus.

Die Sperrstunde sei intensiv in den Sitzungen der Krisenstäbe von Stadt Aachen und Städteregion beraten worden, heißt es aus der Pressestelle der Städteregionsverwaltung. Klar ist aber: Spätestens am kommenden Wochenende soll eine neue Allgemeinverfügung in Kraft treten, die dabei helfen soll, die steigenden Coronavirus-Zahlen wieder in den Griff zu bekommen.

Geplant ist, dass noch vor dem Wochenende eine Sperrstunde in Kraft tritt, die besagt, dass die Gaststätten um 23 Uhr schließen müssen.  Aktuell werden die städteregionalen Verfügungen an eine Weisung des zuständigen Landesministeriums angepasst, heißt es. Einige NRW-Städte hatten bis Mittwoch durchaus unterschiedliche Vorstellungen in Sachen Sperrstunde: So zum Beispiel Köln oder Düsseldorf, wo ab ein Uhr die Zapfhähne hochgedreht werden sollten. Doch am Abend kam dann die Ansage aus dem Kanzleramt: Schluss ist um 23 Uhr!

Seit Tagen ein zu hoher Wert

Bereits seit Tagen liegt der sogenannte 7-Tage-Inzidenzwert in der kompletten Städteregion bei über 50, in einigen Städten wie Aachen (161 aktive Fälle und eine 7-Tage-Inzidenz von 63,5 am Mittwoch), Alsdorf (45 Fälle und eine 7-Tage-Inzidenz von 78,5 am Mittwoch) und Baesweiler (32 Fälle und eine 7-Tage-Inzidenz von 107 am Mittwoch) sogar weit da­rüber. Dieser Inzidenzwert beschreibt, wie viele Neuerkrankte pro 100.000 Einwohner es innerhalb einer Woche gibt.

Auch wenn die Infiziertenzahlen in den Kommunen der Städteregion durchaus unterschiedlich stark ansteigen – in Roetgen hatte es, Stand Mittwoch, keinen einzigen aktiven Corona-Fall gegeben – ist davon auszugehen, dass die Sperrstunde in der gesamten Städteregion einheitlich geregelt wird.

Kritik an diesen Plänen hatte, wenig überraschend, der Branchenverband Dehoga Nordrhein geäußert. Eine Sperrstunde sei ein existenzielles Problem für die Gastronomie, hatte Christoph Becker, Geschäftsführer von Dehoga Nordrhein, am Dienstag gegenüber dem WDR erklärt. Der Fachverband bereitet darum auch eine Klage gegen die Maßnahme vor. Kunden, die erst spät vor die Tür gehen, verbrächten dann nur wenig Zeit als Gäste in den Kneipen. „Und wenn man sie um ein Uhr nach Hause schickt, feiern sie dort privat weiter – ohne Abstandsregeln und Hygienekonzepte und bilden dort neue Corona-Hotspots“, sagte Becker. In den Lokalen dagegen hätten die Wirte längst „überzeugende Hygienemaßnahmen“.

Wolfgang Winkler, Vorsitzender des Dehoga-Kreisverbands Aachen-Stadt, hat großes Verständnis dafür, dass die Regierung auf die steigenden Zahlen reagiert. „Aber ob eine Sperrstunde in dieser Form die richtige Maßnahme ist, weiß ich nicht“, erklärt er. Nun sei zu befürchten, dass es wieder zu illegalen Corona-Parties komme, weil die Menschen nach der Sperrstunde weiter feiern wollen. „Und dann kann niemand von uns auf Hygiene- und Abstandsregeln achten“, sagt Winkler. Bis auf wenige schwarze Schafe seien die Aachener Gastronomen vorbildlich unterwegs, was die Einhaltung der Verordnungen anginge. Winkler macht sich nun Sorgen, dass eine ohnehin schon gebeutelte Branche noch mehr unter der Krise leidet. Härter als klassische Speiselokale dürfte die Sperrstunde vor allem Bars und Kneipen treffen, die klassischerweise erst zu späterer Stunde aufgesucht werden, so zum Beispiel im Studentenviertel rund um die Aachener Pontstraße.

Doch ob es nun um eine angesagte Szenebar in der Pontstraße oder eine Dorfpinte in der Eifel geht: Die Regeln werden alle Kneipen in der gesamten Städteregion einhalten müssen. Ähnlich wie sein Aachener Kollege argumentiert daher auch Dirk Stock, Chef des Romantik-Parkhotels Am Hammerberg in Stolberg und Vorsitzender des Dehoga-Kreisverbands Aachen-Land. „Wenn die Menschen in den Kneipen ihr Bier trinken, kann man die Regeln einhalten und die Sache ist relativ sicher. Was im Privaten passiert, da haben wir keinen Einblick“, sagt Stock. Es sei für die Gastwirte eine „ganz extreme“ Situation, insbesondere durch die Belastungen, die es durch den Lockdown und durch die weiteren Einschränkungen ohnehin schon gegeben habe. „Wir hoffen jetzt ganz stark darauf, dass es staatliche Hilfen für die Gastronomie geben wird“, betont Stock. Dennoch geht er davon aus, dass längst nicht alle Kneipen und Restaurants die Corona-Pandemie überleben werden. „Einige in der Branche werden aufgeben, das ist definitiv so.“

Mit den geplanten Sperrstunden geht es den Gastwirten immerhin noch etwas besser als ihren Kollegen in den benachbarten Niederlanden: Die dortige Regierung hat am Dienstag verfügt, dass alle Restaurants, Kneipen und Cafés in den kommenden beiden Wochen komplett geschlossen bleiben. Vor allem in den beiden Großstädten Amsterdam und Rotterdam waren die Corona-Zahlen zuletzt in die Höhe geschnellt.

Zu den weiteren Regeln, die die Städteregion Aachen aufgrund der steigenden Fallzahlen einführt, gehört, dass der Betrieb von „Swingerclubs und ähnlichen Einrichtungen“ ab sofort untersagt ist. Und private Feiern außerhalb von Wohnungen sind jetzt nur noch mit bis zu 25 Personen erlaubt – ganz egal, aus welchem Anlass sie stattfinden.