Tag der offenen Töpferei : Keramik-Ateliers in Aachen und Kelmis öffnen ihre Türen
Aachen/Kelmis Das Töpfern hat sein verstaubtes Image abgeklopft. Zwei Keramikkünstlerinnen aus Kelmis und Aachen über DIY-Trends, Design und Sinnsuche.
Nur ein paar Kilometer hinter der Grenze bei Aachen, im belgischen Kelmis, empfängt Ruth Stark seit bald 25 Jahren ihre Töpfer-Schülerinnen und -Schüler. Der Eingang zu ihrem Keramikatelier scheint fast verborgen. Links an der Häuserwand führt eine graue Treppe in Richtung Garten. Auf den Stufen erahnt man im ersten Fenster, zu welchen Gefäßen Ton sich formen lässt. Zarte, minimalistische Vasen, naturbeige Tassen, zur Hälfte in eine bunte Lasur eingetaucht, japanisch anmutende Teekannen-Kunstwerke.
Erdverbunden und geduldig
Nach einer dreijährigen Keramikausbildung richtete sich Ruth Stark ihr hauseigenes Atelier ein. Während ihre langjährige Schülerin Monika Neumann durch die Tür kommt, erläutert Ruth Stark, welche Besucher der jährliche Tag der offenen Töpferei oftmals zu ihr bringt: „Viele kommen hierher, wie damals Monika, um das Töpfern und Gestalten zu lernen. Sie ist ein gutes Beispiel für jemanden, der neugierig geworden ist, angefangen hat, drangeblieben ist und mittlerweile richtig was kann.“ Monika fügt hinzu: „Trotzdem komme ich immer wieder mit dem Bedarf zurück, um den Faden des Lernens auch nicht zu verlieren.“
Das ist wichtig, denn das Töpfern kann, so Ruth Stark, zu Beginn ziemlich frustrierend sein: „Man braucht viel Demut. Es ist wie Fahrradfahren oder Schwimmenlernen. Beim Töpfern müssen Sie das Zentrieren des Tons auf der Töpferscheibe lernen und daran anknüpfen.“ Zu einer angenehmen Lernatmosphäre trägt auch der weitläufige, gewundene Garten bei, der sich an den hellen Wintergarten anschließt. Bunte Kunstobjekte aus Ton laden den Blick zum Verweilen ein: „Töpfer haben so vieles gemeinsam – so eine Erdverbundenheit. Manchmal ist es richtig meditativ“, sinniert Monika.
Die Belgierin hatte selbst bereits als Zwölfjährige mit dem Töpfern begonnen. Da ihre Eltern ein Studium der Keramik nicht guthießen, studierte sie Innenarchitektur. Ihre Liebe zur Töpferei wurde nach einem tragischen Ereignis in ihrem Leben wiedererweckt. Nach einem Verkehrsunfall mit einem entgegenkommenden Geisterfahrer habe sie erkannt, erzählt Monika, wie kurz das Leben sein kann. Das Überleben brachte das Priorisieren mit sich, und so trat die Liebe zum Töpfern wieder in ihr Leben.
Oft ist es ein „Erden an der Töpferscheibe“, berichtet Ruth Stark. „Die Leute, die hier herkommen, machen eine Klammer in ihrem Leben. Sei es für ein Wochenende oder für fünf Tage“, knüpft Monika an, die schon viele Kurse bei Ruth Stark belegt hat. Viele Menschen, die täglich nur im Büro sind, begeistert besonders das Fühlen des Tons, erzählt Ruth Stark: „Der fließt einem durch die Hände.“ Das „Abdrehen“ kann dabei im wahrsten Sinne des Wortes zu einem „Drahtseilakt“ werden, wenn die mit einem Drahtseil von der Töpferscheibe abgeschnittene Form zu stark gekürzt wird, denn der nächste Arbeitsschritt ist der Fuß des Gefäßes.
Fragte man Ruth Stark früher nach ihrem Beruf, erhielt sie auf ihre Antwort „Keramikerin“ oft ein betretenes Schweigen: „Da habe ich mir vorgestellt“, sagt die Künstlerin lachend, „was da jetzt für ein Film im Kopf abläuft: Gänse für den Vorgarten töpfern, braunes 70er-Jahre-Steingut-Geschirr. Es töpferten überwiegend die Älteren, also Ü50 bei mir.“
In den vergangenen Jahren ist nicht nur bei ihr die Nachfrage stark gestiegen: „Was ich wirklich schön finde, ist, dass auch jüngere Leute sich fürs Töpfern interessieren und aufmerksam geworden sind.“ Eine frühere Schülerin, Lynn Schoonbroodt, kam mit 16 Jahren zu ihr. Nun führt sie selbst das Atelier „Drehmoment“ in Eupen. Für Schoonbrodt ist der Spaßfaktor entscheidend: „Das Modellieren gibt mir die Möglichkeit, meiner Fantasie freien Lauf zu lassen und mich zu amüsieren.“
Im grasgrünen Pulli und mit freundlich strahlenden Augen steht Barbara Reiter in der Tür ihres Anfang des Jahres eröffneten Ateliers auf der Oppenhoffallee. Schon jetzt sei die Nachfrage im Frankenberger Viertel riesengroß: „Vor allem junge Menschen zwischen 25 und 30 Jahren kommen vorbei und wollen kreativ werden.“ Als Händlerin kam sie bereits dreimal aus dem Taunus nach Aachen, um ihre futuristisch anmutenden Designobjekte aus Keramik auf dem Europäischen Kunsthandwerkermarkt zu präsentieren. Auch in diesem Jahr ist sie wieder dabei. Nach ihrem Umzug ist die Anreise freilich nicht weit.
Im Spannungsfeld der Elemente
Töpfern ist ein Handwerk, das erlernt werden muss. Barbara Reiter hat es Anfang der 1990er sogar studiert. „Töpfern ist ein Universum für sich, es gibt grenzenlose Gestaltungsmöglichkeiten.“ Für sie liegt das Spannende aber auch im Unabsehbaren „Der Prozess folgt den Elementen und kann nie vollständig kontrolliert werden.“
Durch ihre Ausbildung zur Keramikgestalterin fand sie zu den „freien Objekten“, die sich fernab von Nutzkeramik im Ästhetischen und im Designvergnügen genügen. Organische Formen mit Durchbrüchen oder unzählige ineinanderliegende Schalen mit Farbverläufen sind ihr Markenzeichen. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit ist die freie Aufbautechnik, die im Gegensatz zur Töpferscheibe das Schichten und Ebnen kleiner Tonwülste zu einem Gefäß meint. Ihre Schülerin Jule Lambertz, der sie zum ersten Mal auf dem Kunsthandwerkermarkt in Aachen begegnete, war selbst Kunstlehrerin und hat mittlerweile ein eigenes Malatelier. Heute gestaltet sie kleine Fliesen mit Tiermotiven: „Es gibt so viele Möglichkeiten, mit Farben und Formen zu gestalten“, findet sie. Ob im „offenen Atelier“ dazuzustoßen oder lieber doch eine eigene Stunde zu buchen – Anfängern wie Profis steht Barbara Reiters Atelier offen.