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Verkehrssimulation: Kein Stau an gesperrter Turmstraße – ein Modell für die A544?

Verkehrssimulation : Kein Stau an gesperrter Turmstraße – ein Modell für die A544?

Eine Untersuchung soll zeigen, welche Auswirkungen eine Sperrung der A544 auf die Straßen im Umfeld hat. Beim aktuell gesperrten Außenring in Aachen ist ein solches Verkehrsmodell für die Umleitungsführung eingesetzt worden. Lässt sich das übertragen?

Die Autobahn GmbH lässt aktuell untersuchen, welche Folgen die Schließung der A544 auf das Straßennetz der Umgebung haben wird. Das sagte der Leiter der Euskirchener Niederlassung der Autobahn GmbH, Athanasios Mpasios, gegenüber unserer Zeitung. Solche Untersuchungen bieten die Grundlage dafür, den Umleitungsverkehr sinnvoll zu führen und zum Beispiel Ampelschaltungen anzupassen. Die Stadt Aachen hat mit solch einer Verkehrssimulation den Umleitungsverkehr während der Sperrung des Außenrings an der Turmstraße optimiert.

Oberbürgermeisterin Sybille Keupen (parteilos) hatte schon kurz nach der Bekanntgabe der A544-Sperrung zu Besonnenheit geraten und mit Blick auf die Situation an der Turmstraße gesagt: „Diese Sperrung funktioniert.“ Geplant hat die Umleitung während des Neubaus einer Brücke über die Bahn das Aachener Ingenieurbüro für Stadt- und Verkehrsplanung (BSV). Das Büro wird deutschlandweit angefragt, wenn zukünftige Verkehrsströme in einer Stadt zum Beispiel wegen eines neuen Wohn- oder Industriegebietes prognostiziert werden sollen.

Im Beispiel der Turmstraße konnte BSV auf ein bestehendes Verkehrsmodell von Stadt und Städteregion Aachen zugreifen, in das die Daten des Auto- und des öffentlichen Nahverkehrs bereits eingepflegt sind. Auf den ersten Blick sieht es wie eine Straßenkarte aus. Doch im Hintergrund ist jede Kommune in kleine Zellen aufgeteilt, für die alle Strukturdaten hinterlegt sind: Wie viele Menschen leben dort? Müssen sie zur Arbeit, zur Hochschule, zur Kita oder sind sie in Rente? Gibt es Ärzte, Gewerbegebiete, einzelne Firmen oder Schulen, die Menschen ansteuern könnten?

Diese Daten über die Bewohner und ihre Umgebung werden gekoppelt mit Erkenntnissen aus Verkehrszählungen und Mobilitätsbefragungen. Statistisch gesehen machen zum Beispiel 20 Prozent aller Bewegungen die Wege von der Wohnung zur Arbeit aus. Und 60 Prozent davon werden wiederum mit dem Auto zurückgelegt. Das Verkehrsmodell zeigt dann, wie viele Fahrten für welchen Zweck mit welchem Verkehrsmittel von welcher Zelle zu welcher Zelle zurückgelegt werden. „Und wenn wir alle Ströme aller Zellen übereinanderlegen, kennen wir die Belastung jeder Straße in der Stadt“, sagt Michael Baier, Geschäftsführer von BSV.

Auf dieser Basis fußen dann mögliche Simulationen von Ingenieurbüros wie BSV. Zuerst werden dazu relevante Knotenpunkte einem Realitäts-Check unterzogen. „Wir prüfen mit einer Verkehrszählung, ob die Daten im Modell mit dem übereinstimmen, was sich vor Ort abspielt“, sagt Baier. Es gehe nicht um eine Betrachtung aufs Auto genau. „Jedes Modell abstrahiert.“ Aber die Größenordnungen müssen stimmen. Im Zweifel wird das Modell der Realität angepasst. Dann wird die fragliche Verkehrssituation durchgespielt. Beispiel Turmstraße: Was passiert, wenn dieser Außenring gesperrt wird und sich fast 30.000 Autos täglich einen anderen Weg suchen? Wo gibt es unerwünschte Verlagerungen? Wo muss eingegriffen werden?

„Wir spielen das im ersten Schritt ohne geplante Umleitungen durch. So sehen wir, welchen Alternativweg die Autofahrer selbst wählen würden“, erklärt der Verkehrsingenieur. Das Modell geht vom üblichen Verhalten der Verkehrsteilnehmer durch: Der gesperrte Weg wird über die nächstmögliche freie Straße umfahren. Ist diese überbelastet, wird wieder die nächstmögliche gewählt und so weiter. Dabei wird für die Prognose der schlimmste Fall, der „Worst Case“, betrachtet: Trotz Sperrung bleibt das Verkehrsaufkommen vollkommen unverändert. Niemand steigt aufs Fahrrad um oder macht mehr Homeoffice.

An der Turmstraße war das Prognoseergebnis eindeutig: Die meisten würden die Ausweichroute über die große und meist freie Umgehungsstraße Pariser Ring am Fuße der Uniklinik Aachen wählen, die mehr Verkehr aufnehmen kann als die Turmstraße und inzwischen als offizielle Ausweichroute ausgeschildert ist. Die andere Ausweichroute schied schnell aus: „Eine Öffnung des Templergrabens hätte das Stauproblem vor der Turmstraße verstärkt und eine belebte und bewohnte Straße belastet“, sagt Baier. Als Konsequenz blieb für die letzte West-Ost-Durchfahrt in der Innenstadt am Annuntiatenbach nur eine Lösung: „Der letzte Schleichweg musste gesperrt werden“, sagt Baier.

Doch auch auf dem Weg stadtauswärts zur großen Umgehungsstraße gab es Hürden, die genommen werden mussten: Mehrere Ampelanlagen im Umfeld der Turmstraße zeigten nach einer Überprüfung der Leistungsfähigkeit im Modell an, dass es zu Problemen kommen werde. „Bei den meisten war mit mehr oder weniger starken Eingriffen in das Signalprogramm die Leistungsfähigkeit des Knotenpunktes noch gegeben“, erklärt Felix Wehrle, BSV-Verkehrsingenieur. Beim Knotenpunkt am Republikplatz unterhalb des Westbahnhofs aber sah das Modell die Leistungsfähigkeit erreicht. Das heißt, aus allen Richtungen hätten die Autos vor der Ampel im Stau gestanden.

Die Lösung fand sich schließlich in der Praxis. Mit Sperrungsbeginn waren die Verkehrsplaner täglich vor Ort, um die theoretisch geplanten Umleitungen im laufenden Verkehr zu prüfen und hier und da anzupassen. Das Ergebnis: „Es funktionierte. Am Ende haben wir auch für die problematischste Ampel durch Anpassungen im Signalprogramm eine Lösung gefunden“, sagt Wehrle.

Methodisch wird das Problem einer A544-Sperrung von jedem Verkehrsplaner genau wie an der Turmstraße angegangen werden müssen. Diese Innenstadtstraße sei als Teil des Außenrings ohne Frage eine zentrale Verkehrsverbindung mit hohem Verkehrsaufkommen, sagt Baier. Aber auf der A544 seien knapp doppelt so viele Fahrzeuge unterwegs und der Verkehr werde auf das gesamte Stadtgebiet ausweichen. „Es wird eine Herausforderung, den Verkehr dort zu steuern. Das wird spannend.“