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Karlspreis geht an Oppositionspolitikerinnen aus Belarus

Verleihung am 26. Mai 2022 : Karlspreis geht an Oppositionspolitikerinnen aus Belarus

Der Internationale Karlspreis zu Aachen geht im kommenden Jahr an die belarussischen Oppositionspolitikerinnen Maria Kolesnikowa, Swetlana Tichanowskaja und Veronika Tsepkalo. Das haben die Stadt Aachen und das Karlspreisdirektorium heute bekanntgegeben.

Nachdem die Karlspreisverleihung 2020 aufgrund der Coronavirus-Pandemie erst im Oktober dieses Jahres stattfinden konnte – Preisträger war der rumänische Staatspräsident Klaus Iohannis –, laufen aktuell die Planungen für die Karlspreisverleihung 2022. Traditionell soll der Karlspreis wieder am Himmelfahrtstag, im kommenden Jahr der 26. Mai, im Krönungssaal des Aachener Rathauses verliehen werden. Diesmal geht die Auszeichnung an die belarussischen Oppositionspolitikerinnen Maria Kolesnikowa, Swetlana Tichanowskaja und Veronika Tsepkalo.

Jürgen Linden, Sprecher des Karlspreisdirektoriums, bezeichnete die drei Frauen als „einmaliges Vorbild“ des Kampfes für Frieden, Demokratie und Menschenrechte. Sie hätten „der Verfolgung und den Repressionen zum Trotz“ den immer lauter werdenden Stimmen für Demokratie und Gerechtigkeit ein Gesicht gegeben, heißt es in der Begründung des Direktoriums. Ihr Einsatz, so Linden, sei Sinnbild und Verkörperung der europäischen Werte, für die sich auch der Karlspreis einsetze. Die drei Leitfiguren der belarussischen demokratischen Bewegung seien energiegeladene, lebendige Symbole für den Geist der Freiheit, so das Direktorium. „Ihre Botschaften sind ansteckend und aufrüttelnd.“

Laut Linden und Aachens Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen wird der Karlspreis 2022 politischer als alle anderen zuvor. Mit der Ankündigung, Maria Kolesnikowa, Swetlana Tichanowskaja und Veronika Tsepkalo zu ehren, gehe der Appell an die Bundesregierung, an die europäischen Regierungen und an alle nationalen und internationalen Mandatsträger einher, sich für die Demokratiebewegung in Belarus auf allen Ebenen einzusetzen und für die Freilassung der politischen Gefangenen zu kämpfen. Mit der Bekanntgabe sei der Prozess in Gang gesetzt, die politisch Verantwortlichen und auch alle noch lebenden Karlspreisträger in diesem Sinne zum Handeln zu animieren.

Der Karlspreis wird 2022 zum ersten Mal an drei Persönlichkeiten vergeben; auch sind Frauen in der langen Geschichte des Aachener Karlspreises bislang deutlich unterrepräsentiert. Seit 1950 gibt es bisher nur wenige Preisträgerinnen: 1981 Simone Veil, Präsidentin des Europäischen Parlaments, 1994 die norwegische Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland, 1996 die niederländische Königin Beatrix, 2008 Bundeskanzlerin Angela Merkel und 2013 die litauische Staatspräsidentin Dalia Grybauskaitė.

Maria Kolesnikowa wurde am 24. April 1982 in Minsk geboren. Sie studierte Flöte und Dirigieren an der Staatlichen Musikakademie in Minsk, anschließend Alte und Zeitgenössische Musik an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart (bis 2012), woraufhin sie in verschiedenen Ensembles in Deutschland spielte. Von 1999 bis 2019 unterrichtete sie Musik, zunächst in Belarus, anschließend in Deutschland. Ab 2016 arbeitete sie an zahlreichen Musikprojekten in Deutschland und leitete Projekte in Belarus mit Beteiligung von Musikern aus dem Ausland. 2019 wurde sie Künstlerische Leiterin des Kulturzentrums ,,OK-1,6" in Minsk. Zur Präsidentschaftswahl 2020 war sie zunächst führendes Mitglied der Kampagne des Oppositionellen Wiktor Babariko. Sie ist am 6. September von einem Gericht in Minsk zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Um sie dem großen Öffentlichen Interesse zu entziehen, ist laut Jürgen Linden geplant, sie in ein belarussisches Provinzgefängnis zu verlegen.

Swetlana Tichanowskaja wurde am 11. September 1982 in der belarussischen Provinzstadt Mikaschewitschy geboren. Nach dem Besuch der Mittelschule studierte sie ab 2000 Pädagogik an der Staatlichen Pädagogischen Universität in Masyr mit dem Schwerpunkt Englisch und Deutsch. Anschließend arbeitete sie als Übersetzerin; nach der Geburt ihrer zwei Kinder war sie überwiegend als Hausfrau tätig. Sie ist mit dem Geschäftsmann und Blogger Sergej Tichanowski verheiratet.

Die designierte Preisträgerin schrieb auf Twitter, sie fühle sich „zutiefst geehrt“ von der Auszeichnung. Zepkalo erklärte, der Preis gehe an alle Belarussen, „die ihren Kampf nicht aufgeben“.

Veronica Tsepkalo wurde am 7. September 1976 in Mahiljou geboren. 1998 graduierte sie an der Fakultät für lnternationale Beziehungen der Belarussischen Staatlichen Universität. 2004 bis 2006 folgte ein weiteres Studium an der Staatlichen Wirtschaftsuniversität. Die zweifache Mutter ist mit dem Gründungsdirektor des belarussischen Hochtechnologieparks, früheren Diplomaten und lT-Berater Valeri Tsepkalo verheiratet, dessen Bewerbung um das Präsidentenamt sie aktiv unterstützte. Bis zu ihrer erzwungenen Flucht arbeitete sie in Belarus als Senior Managerin für Geschäftsentwicklung für Microsoft. Derzeit ist sie Vorsitzende der Belarus Women's Foundation, die weiblichen politischen Gefangenen und deren Kindern hilft. Veronica Tsepkalo lebt jetzt wie Swetlana Tichanowskaja im Exil.