Panne auf dem Öcher Bend : Julian Sielaff zieht so schnell nichts mehr aufs Kettenkarussell
Aachen Der Sonnenuntergang vom Kettenkarussell aus? Tolle Idee, dachten sich zwei Aachener Studierende am Mittwochabend auf dem Öcher Bend – bis sie plötzlich in 25 Metern Höhe steckenblieben.
Es sollte der perfekte Abschluss für einen kurzweiligen Kirmesbesuch werden. Mit der Gondel ganz nach oben, in 20, 30 Metern Höhe die Aussicht über Aachen genießen, das bunte Öcher-Bend-Treiben zu Füßen, und all das passend zur untergehenden Sonne. Besser geht‘s nicht, dachten sich Inka Pfeil und ihr Freund Julian Sielaff, als das Sicherheitsgitter des Kettenkarussells Klick machte – nicht ahnend, dass sie an diesem Mittwochabend deutlich mehr beobachten würden als nur den Sonnenuntergang.
Die Aachener Studierenden sind zwei von insgesamt 24 Besuchern, die diesen Osterbend nicht so schnell vergessen werden. Denn am Mittwochabend passierte genau das, was nicht passieren soll: Das Kettenkarussell „Skyglider“ blieb stecken. Statt wie geplant am Mast des Fahrgeschäfts nach unten zu fahren, verharrten die zwölf Gondeln mit jeweils zwei Plätzen in rund 25 Metern Höhe.
„Ich dachte erst, dass das Karussell kurz Pause macht und dann langsam weiterfährt“, berichtet der 22-Jährige am Tag nach den durchaus dramatischen Szenen. Seine Freundin habe schneller gemerkt, dass etwas nicht stimmt. Spätestens als die Wartenden am Boden, die ebenfalls eine Runde mit dem Fahrgeschäft drehen wollten, weggeschickt wurden, war klar: Diese Abschlussrunde wird deutlich länger dauern als geplant. Aus einigen Minuten wurde rund eine Stunde.
Gegen 20.30 Uhr blieb das Fahrgeschäft nach Angaben von Göntje Gust, Sprecherin des Eurogress, das den Osterbend veranstaltet, stecken. Zunächst versuchten die Mitarbeiter selbst, den Fehler zu beheben – und das auf durchaus spektakuläre Weise. Auf Videos, die Bend-Besucher quasi in Echtzeit in den Sozialen Medien teilten, ist zu sehen, wie ein Mann mit einem Seil gesichert den 40 Meter hohen Mast hochklettert, um zu den Gondeln zu gelangen und selbst in schwindelerregender Höhe Hand anzulegen. Ohne Erfolg. Um kurz nach 21 Uhr alarmierte der diensthabende Chef vom Dienst auf dem Bendplatz laut Gust die Feuerwehr. Deutlich größeres und schweres Gerät war nötig, um die Fahrgäste aus ihrer misslichen Lage zu befreien.
Wegen der großen Zahl der Feststeckenden rückte die Feuerwehr mit einem Großaufgebot an, darunter zwei Hubrettungsbühnen und der Höhenrettung. Auch der Rettungsdienst der Stadt und die Johanniter-Unfallhilfe waren vor Ort, insgesamt waren es etwa 70 Einsatzkräfte.
In 25 Metern Höhe wurde es derweil für die Fahrgäste zunehmend ungemütlich. Mit der untergehenden Sonne sanken auch die Temperaturen. „Ich hatte nur einen Pullover an, als wir hochfuhren, war es ja noch hell“, sagt Julian Sielaff. „Das wurde dann ganz schön kalt.“ Angst habe er jedoch nicht verspürt. Erst als die Feuerwehr als Vorsichtsmaßnahme am Boden ein Sprungtuch aufbaute, sei ihm mulmig geworden. Zum Einsatz kam dieses zum Glück nicht.
Mehr als nur „etwas mulmig“ haben sich indes die vier Kindern gefühlt, die ebenfalls betroffen waren. „Die Kinder hatten richtig Angst“, berichtet eine Mutter, deren 13 Jahre alte Tochter mit einer zwölfjährigen Freundin in einer Gondel feststeckte und dabei irgendwann nicht nur eine Träne verdrückte. Vom Boden aus habe sie permanent mit der Tochter telefoniert. Auch wenn der Schrecken bei den Mädchen am Folgetag noch immer tief sitzt, findet die Mutter für das Verhalten der Verantwortlichen auf dem Öcher Bend sowie für die Rettungskräfte ausschließlich positive Worte. „Die haben ihr Möglichstes getan. Das war extrem gut organisiert“, ist sie voll des Lobes. Einzige Einschränkung: „Es hätte ein bisschen schneller sein können, aber man muss die Situation ja auch erstmal erkennen.“
Auch Inka Pfeil und Julian Sielaff loben ausdrücklich den Einsatz der Rettungskräfte. „Die Feuerwehrleute haben genau erklärt, was passiert. Wir sollten uns an den Männern festhalten und wurden dann auf die Hubbühne gehoben“, sagt Pfeil, Kurz nach 22 Uhr hatten die letzten Fahrgäste wieder festen Boden unter den Füßen. Unten wurden sie mit Decken in Empfang genommen. „Einige Fahrgäste hatten eine leichte Unterkühlung“, bilanziert Eurogress-Sprecherin Gust. Davon abgesehen sei aber niemand verletzt worden. Alle Betroffenen konnten den Bend nach dem Vorfall verlassen.
Am Tag nach den dramatischen Szenen auf dem Bendplatz steht fest: Wegen eines technischen Defekts am „Skyglider“ wurde automatisiert ein Sicherheitshalt eingeleitet. Wie Betreiber Ad Ordelman auf Anfrage mitteilt, habe offenbar eine defekte Feder die Bremsfunktion ausgelöst. „Ich habe das Fahrgeschäft seit vier Jahren. Das ist noch nie passiert.“ Wichtig ist ihm zu betonen: Die Sicherheit der Fahrgäste sei nicht gefährdet gewesen.
Die Bauaufsicht der Stadt Aachen hat derweil das betroffene Fahrgeschäft bis auf weiteres stillgelegt. Erst wenn das Kettenkarussell repariert und der TÜV Süd das Fahrgeschäft als unbedenklich freigibt, werde die Bauaufsicht ihrerseits das Go für die Inbetriebnahme erteilen.
Noch am Mittwochabend habe die Polizei kontrolliert, dass die nötigen Zertifikate vorliegen. Wie alle Fahrgeschäfte sei auch dieses vor Inbetriebnahme sowohl durch den TÜV als auch durch die städtische Bauaufsicht abgenommen und freigegeben worden. Wann die Gondeln wieder in die Höhe steigen können, ist unklar. Am Montag geht der diesjährige Osterbend zu Ende.
Für Julian Sielaff steht jedenfalls fest: Er hat für die nächsten Tage vorerst genug Zeit auf einem Kettenkarussell verbracht. „Beim nächsten Öcher Bend bin ich aber dabei.“ Der 22-Jährige nimmt die Erfahrung mit Humor. „Zwei Euro fürs Karussell plus Feuerwehreinsatz – wo gibt‘s das schon?“