Corona-Lage in der Städteregion : Inzidenz bei Kindern hat 1000er-Marke überschritten
Aachen Trotz Impfdurchbrüchen grassiert das Coronavirus vor allem bei Ungeimpften – also bei Kindern unter zwölf Jahren. Wir haben uns die Werte der vergangenen Tage in der Städteregion einmal genauer angeguckt.
Vor einer Woche ging die Kurve besonders steil nach oben. Sowohl am Donnerstag als auch am Freitag überschritt die Sieben-Tage-Inzidenz in der Städteregion erstmals die 1000er-Marke – zumindest bei den Fünf- bis Neunjährigen. Dass das Coronavirus trotz Impfdurchbrüchen vor allem bei den Ungeimpften grassiert, heißt im Umkehrschluss: Besonders betroffen sind diejenigen, die sich (noch) nicht impfen lassen können – also alle unter zwölf Jahren.
Beim Vergleich der Ansteckungsrate wird das besonders deutlich. Nach Angaben der Zentralstrelle für die Überwachung von Infektionskrankheiten NRW lag die Inzidenz am Donnerstag, 25. November, bei den Fünf- bis Neunjährigen bei 1025, bei den Zehn- bis 14-Jährigen bei 745. Die Altersgruppe der 80- bis 84-Jährigen kommt demnach am glimpflichsten davon. Dort lag die Inzidenz am vergangenen Donnerstag bei 160.
Über alle Altersgruppen hinweg hatten sich laut Robert-Koch-Institut (RKI) an dem Tag 314 Menschen pro 100.000 Einwohner in den letzten sieben Tagen mit dem Coronavirus infiziert. Immerhin: In den vergangenen Tagen ist die Sieben-Tage-Inzidenz in allen Altersgruppen wieder leicht gesunken. Für Mittwoch, 1. Dezember, wies das RKI insgesamt für die Städteregion Aachen einen Wert von 289 aus. Die teils extrem ungleiche Verteilung je nach Altersgruppe bleibt jedoch bestehen.
Auch deshalb dürfte die Erleichterung bei vielen groß sein, dass die NRW-Landesregierung ihre Position zur Maskenpflicht in Schulen revidiert hat und schon ab diesem Donnerstag alle Schülerinnen und Schüler auch im Unterricht am Platz wieder Mund und Nase bedecken müssen. Freiwillig hatten dies sowieso schon viele gemacht. So konnten größere Ausbrüche an den hiesigen Schulen bislang vermieden werden. Wie die Pressestelle der Städteregion am Mittwoch auf Anfrage mitteilt, registrierte das Gesundheitsamt in der Kalenderwoche 47 (22. bis 28. November) 447 Infektionsfälle an Schulen in der Städteregion, davon 220 auf Aachener Stadtgebiet. Betroffen waren insgesamt 130 Schulen, davon 60 in Aachen.
In den Kindertagesstätten sind die Infektionszahlen im selben Zeitraum deutlich niedriger. Insgesamt wurden dem Gesundheitsamt 89 Corona-Fälle in der Städteregion gemeldet, 49 davon in Aachen (32 Kinder und 17 Erzieherinnen und Erzieher). Komplette Kita-Gruppen müssten aktuell in Aachen allerdings nicht geschlossen werden, teilt Björn Gürtler vom städtischen Presseamt auf Anfrage mit. Vor einer Woche sah das noch anders aus. Da habe man wegen Quarantäne-Anordnungen zwei Einrichtungen vorübergehend ganz schließen müssen, berichtet er. Die Lage bleibt also dynamisch. Insgesamt nehmen die Infektionsfälle laut Gürtler in den Aachener Kitas „sowohl beim Personal als auch bei den Kindern deutlich zu“.
Das bestätigt auch Heinz Zohren, Geschäftsführer des katholischen Kita-Trägers Pro Futura. „Die Positivmeldungen haben zugenommen.“ Seit das Land NRW die Quarantäneregeln im September geändert hat, müssen nicht mehr alle Kinder einer Kita-Gruppe in Quarantäne, sobald sich ein Kind mit Corona infiziert hat. Stattdessen müssen sich alle Kinder der betroffenen Gruppe 14 Tage lang dreimal pro Woche mittels Antigen-Schnelltest testen lassen. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass sich immer mehr als nur ein Kind infiziert hat und jeden Tag weitere Corona-Meldungen hinzukommen“, lautet die Zwischenbilanz einer Sprecherin des Aachener Kreisverbandes der Arbeiterwohlfahrt (AWO). „Wir befürchten und vermuten jedoch eine noch weitaus höhere Dunkelziffer.“
Denn: In einer zertifizierten Teststelle oder unter Aufsicht in der Kita muss dieser Test nicht erfolgen. Die Eltern müssen lediglich schriftlich bescheinigen, dass sie ihr Kind getestet haben und dieser Test negativ ausfiel. Auch Heinz Zohren von Pro Futura schließt nicht aus, dass einige Eltern dieser Testpflicht im Fall eines Infektionsfalls in der Kita-Gruppe nicht nachkommen.
Christian Bontenackels geht davon aus, dass auch deshalb die Sieben-Tage-Inzidenz bei den Null- bis Vierjährigen vergleichsweise gering ausfällt. „Ich halte das für die Folge eines geringen Testverhaltens“, sagt der Vater aus Würselen, der seit Monaten zusammen mit anderen Eltern aus Aachen und der Städteregion für eine flächendeckende Einführung des Lolli-PCR-Testverfahrens in Kitas kämpft. Tatsächlich lag die Sieben-Tage-Inzidenz bei Kindern bis einschließlich vier Jahre am Dienstag, 30. November, bei 150. Am 25. November, als die Inzidenzen in allen Altersgruppen durch die Decke gingen, lag der Wert bei 199.
Bontenackels und seine Mitstreiter schätzen, dass gerade mal 30 Prozent der Eltern in der Städteregion von den freiwilligen Selbsttests, die das Land neben den verpflichtenden Tests im Falle einer nachgewiesenen Infektion für Kita-Kinder zur Verfügung stellt, auch wirklich genutzt werden. Bislang beißt die Elterninitiative jedoch mit ihren Forderungen bei den meisten Verwaltungen „auf Granit“, wie Bontenackels sagt. Insbesondere in Aachen führe das zunehmend für Verärgerung in der Elternschaft. Dabei sei die Umsetzung des Lolli-PCR-Testverfahrens nach wie vor „machbar“, beteuert Bontenackels – auch wenn das angesichts der hohen Infektionszahlen vor zwei Monaten noch deutlich einfacher gewesen wäre.
In Aachen hat sich der Kinder- und Jugendausschuss im August mit dem geforderten Testverfahren beschäftigt. Die Politik entschied sich wegen des großen logistischen Aufwands jedoch dagegen.