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Uniklinik Aachen: Gesucht wird: frisches Blut

Uniklinik Aachen : Gesucht wird: frisches Blut

Die Zahl der Spenderinnen und Spender von Blut in der Uniklinik Aachen geht weiter zurück. Wegen des Mangels drohen nun Konsequenzen.

Wäre die Blutbank an der Uniklinik Aachen ein Sprittank an einem Auto, würde sie Reserve anzeigen. Vermutlich würden rote Lichter permanent blinken und auf den drohenden Engpass hinweisen. Die Lage, so sagt es Prof. Hannes Klump, neuer Direktor am Institut für Transfusionsmedizin und Zelltherapeutika an der Uniklinik, sei dramatisch. „Wir sind knapp davor, dass wir planbare Operationen verschieben müssen, weil uns Blutprodukte fehlen.“

Solche elektiven Eingriffe können nicht stattfinden, wenn die Minimalvorräte nicht gesichert sind, auf die Ärzte bei Bedarf zurückgreifen können. Eine bestimmte Mindestmenge an Blutkonserven muss nämlich für Notfallsituationen vorgehalten werden, die in einem solchen Moment sofort benötigt werden. Es herrscht zurzeit Mangel – über alle Blutgruppen hinweg, sagt Klump. „Wir sind nur noch knapp über dem Minimalbestand.“

Die Spendenbereitschaft in der Bevölkerung sinkt kontinuierlich, das ist nicht nur am Standort Aachen so, wo 2022 2000 Spender und Spenderinnen weniger als im Jahr zuvor registriert wurden. Um den Bedarf in der Städteregion zu decken, müssten sich täglich mindestens 120 Spender im Erdgeschoss am Klinikum anmelden. Aktuell kommen etwa 60 vorbei.

Das hat natürlich aktuelle Ursachen. Gerade grassieren allerorten diverse Atemwegsinfektionen, durch den Wegfall der Masken haben die Erreger nun wieder freie Fahrt. So fallen Spender krankheitsbedingt aus, oder sie müssen beim kranken Nachwuchs zu Hause bleiben. Das Ergebnis ist identisch. Die Uniklinik ist auch Blutlieferant für die Krankenhäuser in der Region, aber weil der Eigenbedarf schon kaum gedeckt werden kann, ist eine Versorgung der anderen Häuser kaum möglich.

Zukaufen lässt sich der rote Saft zwar auch beim Hauptversorger der Kliniken, dem Roten Kreuz West. Aber auch dessen Sprecher Stephan David Küpper spricht von einem „stark volatilen System“, in dem sich banale Einflüsse wie Ferientage oder Krankheitswellen extrem auswirken. „Der Kreis der regelmäßigen Spender ist einfach zu klein“, sagt Küpper.

Prof. Hannes Klump, Direktor am Institut für Transfusionsmedizin : „Wir sind nur noch knapp über dem Minimalbestand.“
Prof. Hannes Klump, Direktor am Institut für Transfusionsmedizin : „Wir sind nur noch knapp über dem Minimalbestand.“ Foto: Heike Lachmann

Dieser Kreis wird absehbar in den nächsten Jahren noch kleiner, denn die geburtenstarken sind auch die spendenstarken Jahrgänge. Parallel wird eine sinkende Spendenbereitschaft bei jüngeren Generationen registriert. Zudem steigt das Durchschnittsalter der Bevölkerung aufgrund der immer besser werdenden medizinischen Versorgung, auch das verschärft die Mangelsituation in den kommenden Jahren.

Diese Trends sind ein Motiv für den Gesetzgeber, die Altersgrenze zu erhöhen. Bislang sind Spenden nur bis zum Alter von 65 Jahren – Ausnahmen sind per Tests möglich – vorgesehen. Diese Regelung wurde gerade in der letzten Woche mit einer Änderung im Transfusionsgesetz im Bundestag aufgehoben (siehe Box).

Das alles ist kein regionales Phänomen. Das Paul-Ehrlich-Institut, das in Deutschland für die Überwachung von Blutprodukten zuständig ist, verweist auf eine bundesweite Analyse der Universität Hamburg, in der gezeigt wurde, dass die Spendenbereitschaft in der Corona-Pandemie weiter zurückgegangen ist.

In den während des Lockdowns geschlossenen Schulen und Universitäten konnte für die gute Sache weder geworben noch darüber aufgeklärt werden. Zudem mieden verunsicherte Menschen während der Pandemie Krankenhäuser aus Angst, sich selbst während der Spende mit dem Erreger anzustecken. Parallel schreitet eine Art „Amazonisierung“ voran, mit ein paar Mausklicks lassen sich auch Dienstleistungen organisieren. Spender aber müssen sich auf den Weg machen.

Angesichts dieser Entwicklung wird an der Herstellung von Blutzellen im Labor geforscht, in Aachen und anderswo. Zelltherapeutiker Klump wagt jedoch keine Prognose, wann solche aus Stammzellen künstlich hergestellten Blutprodukte künftig zur Verfügung stehen werden. Im Prinzip funktioniert die Technologie zwar bereits, aber der Aufwand ist zurzeit noch enorm hoch und der Prozess noch sehr ineffizient: Ein biotechnisch hergestellter Blutbeutel würde zurzeit etwa 30.000 Euro kosten. Ein echter Durchbruch bei der Herstellung ist noch nicht absehbar.

Klump ist im Oktober als Nachfolger von Dr. Gabi Hutschenreuther nach Aachen gekommen. Die Transfusionsmedizin wurde zu einem Institut aufgewertet, mit der zusätzlichen Aufgabe sich der Forschung und Entwicklung neuartiger Zelltherapeutika zu widmen. Den Österreicher hat besonders die an der RWTH Aachen vorhandene einzigartige Kombination von technischer und biomedizinischer Expertise gereizt, sagt er. „Für die Entwicklung der medizinischen Technologien von morgen gibt es kaum einen besseren Standort.“

Es bleiben die Probleme von heute. Wenn Klump Besuchern die Blutvorräte zeigen will, steht er in diesen Tagen vor leeren Regalen, selbst die dominierenden Blutgruppen A und 0 gehen aus. Insgesamt lassen sich nur etwa drei bis fünf Prozent der spendenfähigen Bevölkerung in Deutschland auch tatsächlich Blut im Rahmen einer Vollblutspende regelmäßig abnehmen. In den Städten sind es noch deutlich weniger als auf dem Land. Das verschärft die Lage in Nordrhein-Westfalen zusätzlich, sagt das Gesundheitsministerium.

Warum der Prozentsatz so niedrig ist, ist nicht gut erforscht. Mal mag es die Bequemlichkeit sein, bei manchen vielleicht die Krankenhausatmosphäre oder sogar die Angst vor Nadeln. „Wir müssen Menschen überzeugen, dass sie Blut spenden, nicht nur einmal, sondern möglichst dauerhaft“, sagt Klump. Längst ist das Blutspenden auch eine ambitionierte Marketingaufgabe geworden.

Im Transfusionsgesetz ist festgehalten, dass die Blutspende unentgeltlich zu erfolgen hat. Es gibt allerdings eine kleine Aufwandsentschädigung von 25 Euro je Spende. Aber primär ist das solidarische System so ausgelegt, dass die freiwillige Blutspende ein Dienst am Mitmenschen ist, veranschaulicht Klump. Geld darf kein herausragendes Motiv sein.

Die Branche ringt um gute Ansätze, um vor allem junge Spenderinnen und Spender zu gewinnen. Blutspendedienste werden zunehmend digitaler, auch an der Uniklinik ist die eigene App „Balu +“ entwickelt worden, mit der man Termine in der Region buchen kann. Fast alle Außenstellen sind allerdings in der Pandemie geschlossen worden, weil Abstand gewahrt werden musste. In ein paar Wochen ist die Blutspende wieder im Marienhospital möglich, für andere Standorte werden Spendemöglichkeiten sukzessive wieder hochgefahren.

In Sozialen Netzwerken wird das Thema Blutspende stärker emotionalisiert – junge Menschen erzählt davon, dass ihnen die Blutspende das Leben gerettet hat. Die Geschichte ließe sich auch anders herum darstellen, denn so eine Blutspende ist immer mit einem kleinen Gesundheitscheck verbunden. Wichtige Vitalparameter wie zum Beispiel der Hämoglobinwert werden ebenso untersucht wie bestimmte Krankheitserreger. Getestet wird auf HIV, Syphilis, aber auch auf diverse Hepatitis-Erreger.

Klump und sein Team haben schon mehrfach Hepatitis-C-Patienten auf diesem Weg identifiziert, die von ihrer Infektion nichts wussten. Solche Viren schädigen die Leber, können zu Zirrhose und Krebs führen. Wird die Viruserkrankung im Rahmen der Spende bei einem solchen Gesundheitscheck frühzeitig erkannt, ist sie gut heilbar. „Potenzielle Lebensretter retten so ihr eigenes Leben und schützen andere vor Ansteckung“, sagt Klump.

Der Transfusionsmediziner hat noch eine andere Idee, um Spenderinnen und Spender zu motivieren. Wie wäre es, wenn man Spendern konkret, beispielsweise über die Blutspende-App, mitteilen würde, dass ihr Blut vor ein paar Stunden transfundiert wurde und einen Patienten vor dem Tod bewahrt hätte? Der Erfolg einer lebensrettenden, anonymen Spende würde zeitnah zurückgemeldet.

Im etwas auswärtig gelegenen Klinikum hat man beschlossen, auf die Spender zuzugehen. Im Herbst wird eine große Spendenzentrale in der Großkölnstraße in Aachens Innenstadt eröffnet, die kaum an die sterile Krankenhausatmosphäre erinnern wird.