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Ungewöhnliches Spiel auf dem Tivoli: Fans zeigen gleiche Disziplin wie die Spieler

Ungewöhnliches Spiel auf dem Tivoli : Fans zeigen gleiche Disziplin wie die Spieler

Spannung ist am Samstagnachmittag im Aachener Tivoli angesagt – nicht nur sportlich. Es sollte sich beim Heimspiel der Alemannia gegen Mönchengladbach II auch zeigen, ob das ausgefeilte Hygienekonzept gegen die Corona-Ansteckungsgefahr greifen würde.

Die Ansage am Samstagmittag ist unmissverständlich: „Ziehen Sie bitte Ihre Maske auf!“ Der Mann im schwarz-gelben Fan-Shirt blickt kurz auf und zieht sich sofort den ebenfalls schwarz-gelben Mund-Nasen-Schutz ins Gesicht. Da war doch was… In der Tat, da ist doch was. Wer mit offenen Augen den Vorplatz des Tivoli-Stadions betritt kann nicht übersehen, dass sich da ein Spiel andeutet, wie es die Alemannia in ihrer 120-jährigen Geschichte noch nicht erlebt hat.

Verzinkte Gitter prägen das Bild, 450 an der Zahl. Sie lassen keine Missverständnisse aufkommen und weisen den Weg ins Stadion, noch viel mehr aber den zur Realisierung von Fußballspielen vor mehr als 300 Zuschauern. Gegen die Zweitvertretung von Borussia Mönchengladbach muss nicht nur die Mannschaft von Stefan Vollmerhausen bestehen, auch das Team der Aachener Stadion Beteiligungsgesellschaft (ASB) geht in ein wichtiges Match.

Bernd Deil, Sigrid Heeren und vor allem Eylin Hellriegel von der ASB haben ein Hygienekonzept entwickelt, das selbst in Zeiten steigender Corona-Infektionszahlen Sicherheit vor einer Ansteckung gewährleisten soll. Um 14 Uhr ist Anpfiff, und um 17 Uhr kann Bernd Deil sagen: „Ich bin zufrieden und zuversichtlich, dass die Erkenntnis da ist, dass auch größere Zuschauermengen in unserem Stadion sicher sind.“ Bis zu diesem Resümee haben aber viele Helfer und Ordner viel Arbeit.

Die Devise lautet: Massenansammlungen vermeiden, Kontakte minimieren, Infektionsmomente erst gar nicht aufkommen lassen. Dazu gehört zum Beispiel der Verkauf von Tickets ausschließlich im Vorverkauf. Wer auf die Tageskasse setzt, hat sich ordentlich verkalkuliert. Die Plastikdauerkarte ist vorerst wertlos, Papier ist angesagt. Jeder Dauerkartenbesitzer hat Anfang der Woche fünf Papierkarten für die nächsten Heimpartien per Post zugesandt bekommen. Man mag sich nicht vorstellen, wieviel Arbeit Ticketmanager Lutz van Hasselt in den letzten Tagen zusätzlich hatte, denn auf dem Billet steht nicht nur der Name des Platzinhabers, sondern handschriftlich auch noch ein dreißigminütiges Zeitfenster, innerhalb dessen man seinen Platz einnehmen soll.

Jedes Ticket ist ein Fall für die Devotionalienschatzkiste. Es ist offensichtlich, dass die Idee auf fruchtbaren Boden fällt, denn Warteschlangen sieht man nicht. Was natürlich der bescheidenen Zuschauerzahl von 2700 geschuldet, aber der Samstag ist auch so etwas wie eine Blaupause für kommende Partien und insoweit als Testlauf willkommen. 16 von 23 Ausgängen sind zu Eingängen anstelle der üblichen Drehkreuze an den Ecken der Tribünen umfunktioniert, flankiert von 200 Desinfektionsspendern. Im Slalomlauf könnten hier auch größere Besuchergruppen auf Distanz ins Stadion finden.

Genauso wie die 450 Gitter weisen zahlreiche blaue Aufkleber mit Pfeilen auf dem Boden den Weg auf die Ränge, zu den WC-Bereichen und zu den Kiosken. Wer sich hier nicht zurecht findet, will entweder nicht oder ist ein Hans guck in die Luft…
Aber tatsächlich bedankt sich Stadionsprecher Robert Moonen in der Halbzeitpause für die große Disziplin der Zuschauer – muss aber wegen der Freudengesänge angesichts des 2:0-Standes um einen „Verzicht auf Fan-Gesänge“ bitten. Beide Ansagen werden genauso mit Applaus bedacht wie der Dank an die ASB für die geleistet Arbeit.

Die Spieler selbst sorgen dafür, dass die Stimmung auf den Rängen von bizarr in prächtig wechselt. Die Stehtribüne ist gesperrt, deren Dauergäste sind zum großen Teil auf den gegenüberliegenden Sitzblock N verfrachtet. Und manch einer fragt sich: Was ist schlimmer, vom Stehrang auf die leeren Sitzränge zu blicken oder vom Sitzplatz auf die leeren Stehplätze? Aber es kribbelt wieder, und oft hört man den Satz: „Einfach gut, wieder im Stadion zu sein.“ Viele Zuschauer lassen sogar während des Spiels die eigentlich nur für Zu- und Abgang sowie Vorplatz vorgeschriebene Maske auf. Denn Gesang ist sowieso nicht… Stattdessen treibt rhythmisches Klatschen in bemerkenswerten Crescendo die Mannschaft zum verdienten 2:1-Sieg.

Einen Etappensieg haben auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ASB errungen. „Fürs erste bin ich zufrieden“, bilanziert Bernd Deil hinterher. Einlass- und Ränge-Regelungen hätten sich bewährt. Nur die Ordner könnten noch etwas sensibler auf Menschen zugehen, die in Gehbereichen und vor den Kiosken länger verweilten als nötig. Aber der ASB-Geschäftsführer ist zuversichtlich, dass sich dies auch ein wenig verselbstständigt.
Am Dienstag findet das nächste Spiel statt, ab 19.30 Uhr gegen den SV Lippstadt. So es denn genehmigt wird.

Denn im Moment hat die Fußballfloskel „von Spiel zu Spiel denken“ im organisatorischen Tivoli-Umfeld zu 100 Prozent ihre Berechtigung. Die Entscheidung soll am Montag fallen. Aber Bernd Deil hofft, dass das Hygienekonzept weiter auf Anerkennung trifft und die Verhältnismäßigkeit bei der Entscheidung gewahrt bleibt. Und er sagt: „Viel hängt natürlich vom Verhalten der Zuschauer ab. Aber man sollte sehen, wo wirklich die Hotspots sind. Und der Aufwand für unser Konzept sollte in die Entscheidung einfließen.“