Hochspannungsleitung wird demontiert : Energietransport in luftiger Höhe hat ausgedient
Aachen Die Dortmunder Westnetz GmbH lässt zwischen Krauthausen und Walheim im Süden Aachens eine komplette Hochspannungstrasse demontieren.
„Nackte Riesen“ mitten in der grünen Landschaft – „entkleidet“ von ihrer ursprünglichen Funktion, jeweils sieben armdicke Stahlseile zu tragen: Spezielle Seilzugmaschinen haben sie aufgespult. Schon seit Wochen lässt die Dortmunder Westnetz GmbH zwischen Krauthausen und Walheim im Süden Aachens eine komplette Hochspannungstrasse demontieren. Und zu diesem Verteilnetz gehörten eben auch 21 mächtige Starkstrommasten, die inzwischen bereits alle kabellos sind und seitdem völlig nutzlos in der Gegend herumstehen und langsam Rost ansetzen...
Ursprünglich sollte der komplette Abbau längst abgeschlossen sein. Doch die Witterung machte den eingesetzten Spezialisten der Firma LTB Leitungsbau Meißen mit Sitz im sächsischen Radebeul bei Dresden einen dicken Strich durch die Rechnung. Denn fünf dieser 21 Masten sollten extra per Hubschrauber „ausgeflogen“ werden. Sie stehen in nur schwer oder überhaupt nicht für Fahrzeuge zugänglichen Abschnitten oder gar in Naturschutzgebieten. Dort dürfen die schweren Kranwagen natürlich gleichfalls nicht eingesetzt werden.
Von den jeweiligen Zubringer-Feldwegen und öffentlichen Straßen aus sind schon eigens zahlreiche jeweils rund 500 Kilogramm schwere Stahltafeln als provisorische Baustraßen bis zu den Masten ausgelegt worden. Diese Vorsichtsmaßnahme soll sicherstellen, dass der Demontagekran nicht auf den feuchten Wiesen einsinken kann.
Vorletzte Woche sollte der Helikopter des Schweizer Schwerlast-Spezialisten „Heliswiss International AG“, bis dahin in Frankreich im Einsatz, in die Städteregion Aachen weiterfliegen. Doch schlechtes Flugwetter habe am zuerst geplanten Einsatztag 9. Dezember diesen Start vereitelt, berichtete Heliswiss-Projektmanager Wolfgang Köberl auf Anfrage. Das Unternehmen hat seinen Sitz in Küssnacht am Rigi bei Luzern. Die Gemeinde liegt im zentralschweizerischen Kanton Schwyz nahe dem Vierwaldstätter See.
Somit musste der für diesen kraftvollen Job eingeplante Einsatzpilot Kapitän Andreas Götzendorfer seinen „Super Puma“ vom Typ „AS 332 C1“ notgedrungen am Boden lassen. Dieser Hubschrauber verfügt über eine maximale Traglast von 4,5 Tonnen. Er wird angetrieben von zwei Turbinen mit einer Leistung von jeweils 1400 Kilowatt (KW). Diese Power soll nach der überarbeiteten Planung Anfang des neuen Jahres an den Start und damit in die Luft gebracht werden, hat Vorarbeiter Klaudius Scharfe von LTB Leitungsbau auf Nachfrage erfahren.
Deren Monteure waren bereits zu ihrem nächsten Einsatzort bei Koblenz weitergereist. Sie sind das ganze Jahr über kreuz und quer in ganz Deutschland unterwegs, wohnen während ihrer Einsätze in Hotels. Wenn möglich, fahren die Männer am Wochenende zu ihren Familien nach Sachsen. Aber es gab auch schon Samstagsarbeit, damit es beim Auftrag schneller vorangeht. Dann reicht die Zeit dafür nicht mehr.
Zu dieser Truppe furchtloser Männer gehört auch Falko Petzold. Der 43-jährige Freiluftmonteur, so die offizielle Berufsbezeichnung, steht mitten auf einer Wiese, zu Füßen eines 35 Meter hohen Stahlgerüsts. Ganz hoch oben auf einem Querträger „turnen“ derweil seine beiden Kollegen Alexander Franke (24) und ein Kroate, den sie nur „Tommy“ nennen. Sie verständigen sich durch lautstarkes Zurufen. Drei bis vier Minuten reichten aus, sagt Petzold, um sich über eine spezielle, mit dem Mast fest verbundene Leiter hochzuhangeln.
Franke und „Tommy“ schrauben dort in luftiger Höhe die mächtigen dunkelbraunen Isolatoren ab. Daran waren die zuvor stromführenden Leitungen an dem Mast aufgehängt und befestigt. Wenn eines dieser Exemplare losgeschraubt ist, gleitet es an einem Seil langsam nach unten bis auf den Boden. Dort nimmt Petzold, seit elf Jahren in dem Job tätig, nach und nach jedes einzelne Exemplar in Empfang und legt es ab.
„Man muss vorsichtig sein“, warnt Petzold. „Wenn nur eine Schraube runterfällt, kann sie die Schädeldecke durchschlagen.“ Also mehr Sicherheitsabstand. Und natürlich herrscht Helmpflicht auf der Baustelle, damit nur ja nichts passiert bei diesem nicht ungefährlichen Job. Zur Sicherheit sind an den Zufahrten kleine Wegweiser mit den Koordinaten der Einsatzstelle platziert worden, damit Rettungsfahrzeuge im Notfall schnell hinfinden.
Von der 110-Kilovolt-Leitung droht schon längst keine Gefahr mehr. Die LTB-Monteure wissen, dass sie bereits vor etwa sechs Jahren außer Betrieb genommen worden ist. Einst spannte sie sich zwischen der Krauthausener Heide und der Walheimer Freizeit- und Erholungspark an der Schleidener Straße.
An den beiden Enden der etwa sieben Kilometer langen Trasse wurden die Hochspannungsleitungen in sogenannte „Abspann-Portale“ der entsprechenden „Umspannwerke“ geführt. Sie waren zuvor bereits abgeklemmt und damit „kabellos“ gemacht worden und werden jetzt wohl auch nicht mehr gebraucht.
Das Auseinanderbauen der Strommasten nennen die LTB-Monteure „Abstocken“. Die Stahlelemente sind in mehreren Einheiten zusammengeschraubt. Diese Verbindungen werden zunächst gelöst, dann die einzelnen Teile zu Boden gebracht. Von dort aus werden die Teile zu einem zentralen Demontageplatz transportiert. Dort werden sie von „Baggerschneidern“ zerteilt. Ein Schrotthändler übernimmt die Einzelteile dann. Sie werden zu Stahlhütten gebracht, wo sie eingeschmolzen und letztlich zu neuen Stahlelementen geformt werden. Recycling bis zum letzten Einzelteil der früheren Freileitung...
Apropos, das gilt wohl auch für die überflüssig gewordene Technik samt Immobilie: Direkt neben der Zufahrt zum Freizeit- und Erholungsgelände dürfte sich in absehbarer Zeit das Erscheinungsbild deutlich verändern, wenn das Umspannwerk Walheim dort komplett demontiert ist. Was mit dem dazugehörenden Trafogebäude passiert, ist noch offen. „Aktuell gehört es der Regionetz. Aber nach Abriss der Leitung wird das Grundstück an die Stawag übergeben“, informiert deren Pressesprecherin Vanessa Grein auf Anfrage.
Zu den weiteren Plänen und Verwendung des Gebäudes oder des Grundstücks könne die Stawag jetzt noch keine Aussage treffen. Mit konkreten Nutzungsvorschlägen sei nicht vor dem kommenden Frühjahr 2022 zu rechnen, fügt sie an.
Der Regionetz GmbH habe – neben dem Haupteigentümer Westnetz GmbH – nur ein Teil der Leitungen gehört, Diese sei für die Versorgung des Umspannwerks Walheim zuständig gewesen, so Vanessa Grein weiter.