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125 Jahre Aachener „Domlädchen“: Ein süßes Paradies auf 17 Quadratmetern

125 Jahre Aachener „Domlädchen“ : Ein süßes Paradies auf 17 Quadratmetern

Winzig und einzigartig: Das Aachener „Domlädchen“ in Nachbarschaft zum Dom ist ein Unikum. 1896 erstmals eröffnet, wird das Zuckerwarengeschäft jetzt 125 Jahre alt.

17 Quadratmeter reichen für ein Paradies. Und es ist auch noch ein sehr süßes Paradies. Generationen von Kindern haben es schon besucht. Mit ihnen ihre Eltern und Großeltern. Und irgendwann sind die Kinder die Eltern und Großeltern und gehen mit ihren Kindern und Enkeln dorthin. Seit 125 Jahren ist das schon so. Denn genau so alt ist das wohl 1896 erstmals eröffnete „Domlädchen“. Es ist ebenso klein – besagte 17 Quadratmeter – wie einzigartig.

Dort am Münsterplatz im Haus mit der Nummer 21 in Nachbarschaft zum Aachener Dom gibt es nicht etwa Souvenirs für Touristen mit Bezug auf das Weltkulturerbe. Es gibt vielmehr hunderte Arten von Süßigkeiten aus vielen Ländern. Allein fast 200 verschiedene Sorten Lakritz stehen in den Regalen. Schokoladenspezialitäten findet man zudem ebenso wie saure Zungen, Melonenkaugummis, Brause-Ufos und vieles, vieles mehr. Es gibt Klassisches ebenso wie Exotisches.

Das süße Potpourri stellt Hannah Schulte bei einer Vielzahl von Herstellern zusammen. Klar komme man an großen Herstellern wie Haribo nicht vorbei. Aber ständig entdecke sie neue kleine Produzenten und ihre Spezialitäten, die dann ihren Weg ins „Domlädchen“ finden. Die Lakritz-Spezialitäten kommen dabei insbesondere aus Schweden und Finnland (siehe Zusatzinfo). Und wer es ein bisschen hochprozentiger mag, kann sich auch einen Lakritz-Likör mitnehmen.

Doch nicht nur der Mini-Laden ist einzigartig. Auch die Geschichte der aktuellen Betreiberin ist außergewöhnlich. Vor fünf Jahren übernahm Hannah Schulte den Laden von ihrer Vorgängerin Karin Thouet, die das „Domlädchen“ zuvor mehr als 20 Jahre geführt hatte. 25 Jahre alt war Hannah Schulte da. Sie hatte eigentlich ebenso einen Hochschul-Masterabschluss in Kulturwissenschaften in der Tasche wie längst einen festen Job als Bildungsreferentin im Diözesanverband der Katholischen Studierenden Jugend angetreten. Doch den ließ sie sausen, um sich einen Kindheitstraum zu erfüllen.

 1896 erstmals eröffnet: das „Domlädchen“ am Münsterplatz.
1896 erstmals eröffnet: das „Domlädchen“ am Münsterplatz. Foto: Andreas Steindl

Immer dienstags nach der Theater-AG führte ihr Weg mit ihrem Vater zum Münsterplatz, um dort ein Tütchen mit Süßigkeiten zu füllen. Und schon zu Schulzeiten hatte sie den Wunsch, diesen Laden einmal selber zu führen. Der Traum wurde schließlich im Jahr 2016 Wirklichkeit. „Ich hatte einmal geäußert, dass ich ihn gerne übernehmen würde, wenn er frei wird. Irgendwann erhielt ich dann einen Anruf, ob das immer noch gelten würde“, erzählt die heute 30-Jährige. Sie musste sich kurzfristig entscheiden. „Dann habe ich in einer Nacht- und Nebelaktion übernommen“, lacht sie.

In kurzer Zeit wurde das „Domlädchen“ umgebaut. Zum Beispiel wurden neue und hellere Regale eingebaut. Aber auch traditionelle Elemente wie die Türglocke und die alte Waage blieben erhalten. Dennoch wurde sie von manch älterem Kunden wegen der partiellen Modernisierung kritisiert. „Deshalb liegt mir daran zu sagen, dass hier keineswegs eine Tradition zerstört wird. Vielmehr diente der Umbau dazu, die Tradition erhalten zu können“, erklärt Hannah Schulte.

Das bezieht sich auch auf einen Online-Shop, den sie aufbauen wird. Natürlich solle damit nicht das einzigartige Einkaufserlebnis im Laden, das Zusammenstellen der bunten Süßigkeitentütchen ersetzt werden. Aber Hannah Schulte erhält immer wieder Mails oder Anrufe von weit her. „Es melden sich Leute, die hier zum Beispiel mal als Touristen waren und besondere Dinge gefunden haben“, so Schulte. Manche wollten sich ein Tütchen zusammenstellen lassen, weil sie gerade Liebeskummer haben, andere ordern sie als besonderes Geburtstagsgeschenk. Wieder andere bestellen Lakritz-Spezialitäten, die  laut Schulte „südlich von Frankfurt kaum zu bekommen sind“, weil Lakritz vor allem im Norden verbreitet ist. Das lasse sich über einen Online-Shop besser händeln. Nicht online, sondern nur im Laden selber ist es indes möglich, seiner Liebsten einen Heiratsantrag zu machen. „Das hat es hier auch schon gegeben“, lacht Schulte.

Im Laden selber ist derzeit natürlich coronabedingt einiges anders. Das Geschäft darf unter den gegebenen Auflagen geöffnet sein. Zusammengestellt werden die Tütchen im Moment aber auf Kundenansage von Hannah Schulte und ihren Mitarbeiterinnen.

Der erste Lockdown war indes schon hart, wie die junge Geschäftsfrau erzählt. Nein, bereut habe sie die Aufgabe ihres Jobs und den Schritt ins „Domlädchen“ nie: „Ich bin auch heute überzeugt, dass das die richtige Entscheidung war.“ In Archiven hat Hannah Schulte auch versucht, etwas zur Historie des Ladens herauszufinden. Viel hat sie nicht gefunden, aber in alten Adressbüchern festgestellt, dass er nicht immer an derselben Stelle, wohl jedoch immer in unmittelbarer Umgebung war. Sehr lange ist er jetzt schon im Haus Nummer 21.

Feiern würde sie das Jubiläum schon gerne, sagt Schulte. „Vielleicht klappt es ja noch im Laufe des Jahres.“ Und dann geht es wieder an die Arbeit. Die Lakritze klackert auf der Waagschale. Wie der Dom zu Aachen gehört dieses Geräusch zu diesem süßen Paradies, das mit ganzen 17 Quadratmetern auskommt.