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RWTH-Start-up „upBus“: Ein „Stecker“ gegen den Verkehrskollaps

RWTH-Start-up „upBus“ : Ein „Stecker“ gegen den Verkehrskollaps

Forscher der RWTH wollen Aachen mit ihrem „upBus“ zur Modellstadt für nahtlose Mobilität machen. Die Idee: Ein Kleinbus verwandelt sich vollautomatisch in eine Seilbahn – kein Warten, kein Umsteigen. Die Forscher sind Gast in einer exklusiven Medienhaus-Akademie-Reihe.

Kai-Uwe Schröder kommt gleich zur Sache. „Wissen Sie, was der Gegenstand mit dem geringsten Sexappeal ist?“, fragt der Universitätsprofessor erwartungsvoll und beantwortet die Frage gleich selbst: „Ein Stecker.“ Wie zum Beweis hält er ein herkömmliches Kabel hoch, mit dem man einen Computer anschließen kann; zu kaufen in jedem x-beliebigen Elektronikfachhandel. Unscheinbar vielleicht, auf den ersten Blick auch nicht gerade aufregend. Doch in seiner Wirkung ist der Stecker, das Verbindungselement schlechthin, nicht zu unterschätzen. Und genau darum geht es Kai-Uwe Schröder. Der Bauingenieur will Dinge verbinden. Dinge, die bislang noch komplett separat voneinander gedacht werden. Und die nicht weniger als die Mobilität des Menschen, wie wir sie aktuell kennen und erleben, völlig verändern könnte. Mit einem Stecker. Am 25. März wird er gemeinsam mit anderen Gast in der Auftaktveranstaltung zu unserer Medienhausakademie „Was wissen schafft“ sein.

Zugegeben: Den Stecker, mit dem der Leiter des Instituts für Strukturmechanik und Leichtbau der RWTH Aachen den Nahverkehr revolutionieren will, wird man kaum im Fachhandel finden. Dafür besteht die raffiniert konstruierte Kupplung, für die Kai-Uwe Schröder und sein wissenschaftlicher Mitarbeiter Tobias Meinert zurzeit deutschlandweit ordentlich die Werbetrommel rühren, dann doch aus zu viel Hightech. Hightech, die für den Weltraum konzipiert wurde.

Die Vision hinter dieser Technologie ist bestechend: ein modularer, autonom fahrender Elektro-Bus, der sich innerhalb weniger Sekunden vollautomatisch in eine Seilbahn verwandelt. Kein Warten, kein Umsteigen. „upBus“ heißt das Konzept, mit dem die Wissenschaftler den Verkehrskollaps in deutschen Großstädten überwinden wollen. Hoch in der Luft statt auf dem Boden im Stau.

Seit unsere Zeitung vergangenen Mai erstmals über den „upBus“ berichtete, haben Schröder und Meinert ihre Vision schon an zahlreichen Orten erläutert. Auf der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt waren sie vertreten. Im Rheinland und im Ruhrgebiet habe man schon mehrere Gespräche mit Interessenten geführt, berichtet Meinert. Gut möglich, dass die Seilbahn „made in Aachen“ eines Tages im Ruhrpott neue Gewerbegebiete erschließen oder die Mosel in Trier überwinden wird.

Die Diskussion ist nicht neu

Als Modellstadt für die nahtlose Mobilität hat Schröder aber eigentlich eine andere Stadt vorgesehen: seine Wirkungsstätte Aachen. Die Diskussion, an dem Wissenschaftsstandort eine Seilbahn zu errichten, ist nicht neu. Schon 2010 stellte eine Machbarkeitstudie der Ingenieurgesellschaft Lindschulte und Kloppe die Vorzüge einer Seilbahn heraus, um das Universitätsklinikum in Melaten mit der Innenstadt zu verbinden. Im Vergleich zu einer Stadtbahn sei eine Seilbahn wesentlich leiser.

Auch die Investitions- und Betriebskosten liegen laut Berechnungen der Experten unter dem, was für die Wiedereinführung einer Straßenbahn nötig gewesen sei; für den laufenden Betrieb hätte man sogar nur die Hälfte der veranschlagten Summe aufwenden müssen, erinnert Schröder an die Gegenüberstellung der Systeme. Das Problem damals: die Anbindung an die Innenstadt. Als „Insellösung zwischen Uniklinikum und Super C ist die 3-Seil-Umlaufbahn die beste Wahl“, hieß es in dem Bericht. Aber: „Erweiterungen in der Stadt sind dagegen kaum realistisch.“

So lautete der Stand im Jahr 2010. Der Rest ist bekannt: Die Politik plädierte unter anderem wegen der besseren Erweiterungsmöglichkeiten in den Stadtraum für die teurere Stadtbahn. Ein Votum, das der Bürgerentscheid 2013 letztlich mit klarer Mehrheit für nichtig erklärte. Dabei hätte es auch anders ausgehen können. Wenn damals schon besagte Kupplung, der „Hightech-Stecker“, existiert hätte, ist Kai-Uwe Schröder überzeugt. „Wir haben die Lösung“, sagt er. Die Lösung, um die vor zehn Jahren bemängelte „Insellösung“ durch eine Seilbahn zwischen Uniklinik und Super C aufzubrechen. „Mit dem ,upBus‘ kann sich die Seilbahn vernetzten. Damals ging das noch nicht.“ Dass dies in Zukunft ganz anders aussehen könnte, hat mit der Raumfahrt zu tun. Im Weltraum sorgt die „iBoss“-Schnittstelle dafür, dass sich Satelliten sekundenschnell miteinander verbinden. Eine Kupplung, die zum Teil an der RWTH entwickelt wurde und als Vorbild für den modularen Aufbau der „upBusse“ dient.

Fünf bis acht Millionen Euro

Dass diese vollautomatische Vernetzung zwischen Bus und Seilbahn auf der Erde tatsächlich funktioniert, wollen die Aachener Forscher im November beweisen. Bis dahin soll das Minimum Viable Product (MVP) ihres „upBus“ fertiggestellt sein: ein Produkt mit den nötigsten Funktionen, also (noch) ohne schicke Außenhülle und Innensitzen. Die ersten Komponenten seien bereits bestellt. Mit dem physischen Beweis durch das MVP im Gepäck soll es dann an die Finanzierung des Prototyps gehen. „Zwischen fünf und acht Millionen Euro“ dürfte dieser kosten, kalkuliert Meinert. Doch man sei zuversichtlich, noch dieses Jahr einen Investor zu finden. Währenddessen laufen weiter Gespräche mit Doppelmayr. Bei dem Seilbahnhersteller in Österreich soll der „upBus“ getestet werden. Ein Seilbahnteststand werde aktuell entsprechend vorbereitet.

Bis 2023 wollen die Forscher eine Teststrecke für ihre Fahrzeuge aufbauen, im Idealfall „nicht auf der grünen Wiese“, wie Meinert sagt, sondern in ein bestehendes Verkehrssystem integriert. Dann sollen die Menschen hautnah erleben können, wie das Fahrgestell eines Busses von einem Träger erfasst, vollautomatisch gekoppelt wird und als Kabine am Seil im besten Sinne in die Luft geht. Mit einem vorgeschlagenen 30-Sekunden-Takt und einer Fahrgastzahl von bis zu 35 Menschen könnten so 4000 bis 6000 Fahrgäste pro Stunde und Richtung transportiert werden, schätzen die Wissenschaftler. Leise, schnell, sicher und kostengünstig.

Dass Mobilität intermodal statt separat je nach Verkehrsmittel gedacht wird, ist für Schröder der eigentliche Reiz seines Start-ups. Vom Aachener Hauptbahnhof mit dem Elektro-Kleinbus bis zur Normaluhr, von dort mit der Seilbahn in Richtung RWTH-Campus – „keiner müsste mehr umsteigen, den Anschluss verpassen und im Regen stehen“, prognostiziert der Universitätsprofessor. Zudem ermögliche der „Hightech-Stecker“ nicht nur die vollautomatische Verbindung von Bus und Seilbahn. „Das funktioniert natürlich auch mit dem Zug oder dem Flugzeug.“

Vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion um eine Regio-Tram von Alsdorf in die Aachener Innenstadt und dem Ausbau des Flugplatzes Aachen-Merzbrück eröffneten sich dadurch völlig neue Möglichkeiten. Und das macht aus dem „upBus“-Stecker dann eigentlich doch einen Gegenstand mit großem Sexappeal.