Einzelhandel in Aachen : Ein riesiger Stadtstrand für die Adalbertstraße?
Aachen Für höhere Besucherfrequenzen und gegen grassierende Leerstände wollen Grüne und SPD ein „Fokusjahr Adalbertstraße 2023“ ausrufen. 200.000 Euro sollen in Maßnahmen fließen – und einen echten Stadtstrand.
Bloß nicht den Kopf in den Sand stecken: Mit einem Sack voll Geld und viel kreativer Energie wollen Grüne und SPD gegen Leerstände und sinkende Besucherfrequenzen in der Adabertstraße in Aachen vorgehen. 200.000 Euro sollen in das Programm „Fokusjahr Adalbertstraße 2023 fließen. Einen entsprechenden Ratsantrag haben der wirtschaftspolitische Sprecher der Grünen-Ratsfraktion, Birdal Dolan, und der stellvertretende SPD-Fraktionschef Boris Linden am Mittwoch vorgestellt.
„Sterbende Innenstädte sind keine Zwangsläufigkeit“, betont Linden. „Wir wehren uns gegen die Vergeblichkeitsfalle“, sagt er. Und Dolan bekräftigt: „Wir wollen Kompetenzen gezielt auf den Bereich zwischen Elisenbrunnen und Willy-Brandt-Platz bündeln. Es geht darum, den Transformationsprozess positiv eng zu begleiten“, erklärt er.
Allein in diesem vorderen Teil der Adalbertstraße stehen seit elf Jahren auf über 60 Metern Länge Einzelhandelsimmobilien leer, die in den Händen von Unternehmen sind, die zu Peek & Cloppenburg gehören. Grüne und SPD erwarten nun, dass Aachens Stadtverwaltung alle beteiligten Fachabteilungen schnell darauf einschwört, ein gemeinsames Förderprogramm auf die Beine zu stellen – und effektiv mit Hauseigentümern ins Gespräch kommt.
„Programme wie ,Ladenliebe‘ und ,Innenstadtmorgen‘ sollen auf die Straße gelenkt werden. Durch die zusätzlichen Haushaltsmittel soll ein Veranstaltungsmanagement zusätzliche Besucher generieren – zum Beispiel durch einen Stadtstrand am Kugelbrunnen in den Sommermonaten“, heißt es in dem Antrag, der nach Ostern in die politischen Gremien geht. Auf dem Willy-Brandt-Platz neben dem Aquis Plaza könnten dann Familien mit Kindern – anstelle der dort oft beheimateten Trinkerszene – die neu gewonnene Aufenthaltsqualität genießen. Vorbild ist der gewaltige „Archimedische Sandkasten“, der in den Sommermonaten Kinder und Eltern auf den Katschhof zieht – und ein echtes Erfolgsmodell ist.
Unterstützen möchte man auch Konzerte und Ähnliches in der Fußgängerzone; eventuell eine weitere Begrünung analog zu Baumaktionen in der Großkölnstraße. Und kostenlose Wlan-Hocker zum Verweilen und Surfen in der Fußgängerzone.
Wichtig ist Grünen und SPD aber auch, dass man die vielfach leerstehenden Obergeschosse über den Geschäften in den Blick nimmt. Die Fördermittel könnten Hauseigentümer bei Architektenplanungen unterstützen, wenn es um die Wandlung von Handels- oder Büroflächen zu legalen Wohnungen geht. Man will neue Anreize schaffen. „Es geht um ,Mixed-Use-Lösungen‘, die uns wirklich vorwärts bringen“, sagt Dolan.
Man könne sich auch vorstellen, dass einzelne Ladenlokale – etwa am Rande des ehemaligen Wehmeyer-Hauses – über Steuergelder bei der dann viel preiswerteren Anmietung durch neue Einzelhändler von der öffentlichen Hand kofinanziert werden. So funktioniert das Programm „Ladenliebe“ bereits, etwa in der Großkölnstraße und auf dem Markt. Da hätte dann in der Adalbertstraße auch die P&C-Immobilientochter etwas von, die seit vielen Jahren in Untätigkeit am hiesigen Standort Millionen Euro über Erbpachtzinszahlungen verliert.
Weiterentwickeln will man die erfolgreiche Plattform „smart shopping“, die den Wandel des Einzelhandels und der Gastronomie durch die Verschmelzung von Online- und Offline-Angeboten fördert. In über 100 Shops kann man beispielsweise online stöbern, kaufen oder Waren reservieren – alles lokal. Im ursprünglichen Haushaltsentwurf waren für diese zukunftsweisende Technologie und den Weiterbetrieb der Plattform nur 25.000 Euro veranschlagt – was nicht auskömmlich gewesen wäre.
Hier will Grün-Rot nun nachsteuern. „Nicht nur die Corona-Pandemie hat verdeutlicht, wie wichtig es für die Zukunftsfähigkeit des Einzelhandels und der Gastronomie ist, digitale Medien, Technologien und alternative Vertriebsformen zu unterstützen“, formulieren die Koalitionäre in ihren Ratsantrag. In zwei Jahren soll das System dann – getragen von Händlern und Gastronomen – finanziell auf eigenen Beinen stehen.
Grüne und SPD plädieren zudem für die Einführung der neuen „LeAn Plattform“ des Bundesbauministeriums in Aachen: ein Werkzeug zur Gestaltung von Innenstädten, eine digitale Plattform für ein Leerstands- und Ansiedlungsmanagement. „Die Anwendung erleichtert die Bestandsflächenverwaltung, liefert einen aktuellen Überblick über Immobilienbesatz, Leerstände und Ansiedlungssuche sowie umfangreiche Daten zu Umfeld und Nutzbarkeit“, präzisieren die Antragssteller.
In einem Jahr will man dann prüfen, ob die Ziele – mehr Kundenfrequenz, weniger Leerstand – tatsächlich erreicht wurden. Oder ob die Sache im Sande verlaufen ist.