RWTH-Uniklinik hilft : Drei krebskranke Kinder aus der Ukraine in Behandlung
Aachen Professor Udo Kontny und sein Team der Kinderonkologie an der RWTH-Uniklinik kümmern sich um drei krebskranke Kinder aus der Ukraine. Ein Paradebeispiel für schnelle Hilfe in der Not.
Der Leiter der Kinderonkologie beantwortet die Fragen bedächtig, er setzt auf Sachlichkeit. Und doch schwingen bei Professor Udo Kontny die Emotionen mit. Der erfahrene Arzt, der in der Klinik für Kinder und Jugendmedizin an der Uniklinik Aachen arbeitet, kümmert sich mit seinem Team seit einigen Wochen um zwei krebskranke Kinder aus der Ukraine. Jetzt ist noch ein weiteres Kind hinzugekommen, das ambulant betreut wird.
Insgesamt 21 schwer kranke Kinder und Jugendliche aus der Ukraine haben im März Nordrhein-Westfalen erreicht. Die Patientinnen und Patienten wurden auf verschiedene Kliniken in der Region verteilt, um medizinische Versorgung zu erhalten. Die Aachener Klinik für Kinder- und Jugendmedizin der RWTH Aachen behandelt seit Wochen einen zehnjährigen Jungen und ein elfjähriges Mädchen. Sie werden von ihren Müttern begleitet. Die Väter, so berichtet der Arzt, sind – wie auch der ältere Bruder eines der beiden Kinder – in der Ukraine geblieben, um das Land zu verteidigen.
In der Ukraine können zahlreiche Kliniken nur noch unter stark erschwerten Bedingungen arbeiten, die vollständige Krankenversorgung ist nicht mehr gewährleistet. „Wir gehen aktuell von schätzungsweise Tausend Kindern und Jugendlichen mit Krebserkrankungen in der Ukraine aus, die auf medizinische Versorgung angewiesen sind“, sagt Professor Norbert Wagner, der Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin an der Uniklinik RWTH.
Sein Kollege Kontny berichtet von dem zehnjährigen Jungen aus Kiew, bei dem vor einem Jahr eine Leukämie diagnostiziert wurde. In der Heimat wurde er chemotherapeutisch behandelt, „er bekommt nun bei uns das letzte Element der Therapie“. Der Arzt berichtet von einem sehr lebhaften Jungen, der in seiner Altersklasse Stadtmeister im Ringen war.
Auch eine Elfjährige aus Charkiw ist im Uniklinikum aufgenommen worden. „Bei ihr wurde kürzlich ein Lymphknotentumor im Brustkorb diagnostiziert“, berichtet Kontny. „Sie befindet sich noch in der Anfangsphase ihrer Erkrankung und muss erst einmal die Diagnose verkraften.“ Das Mädchen ist eine leidenschaftliche Tänzerin.
Beide Kinder werden von ihren Müttern begleitet, die auf der Station mituntergebracht sind. „Sie stützen sich gegenseitig“, sagt der Arzt und berichtet von weiterer Unterstützung durch das Klinikpersonal, nicht zuletzt über das psychosoziale Team, das zur Verfügung steht.

Kontny berichtet von einer guten Verständigung, das Mädchen besuche die sechste Klasse, spreche sehr gut Englisch. „Das hilft sehr. Und dann haben wir eine Ärztin, deren Familie aus der Ukraine kommt“, sagt der Arzt. „Sie hilft uns, auch die komplizierteren Sachverhalte zu vermitteln.“
Die Lage der Kinder und ihrer Mütter ist schwierig. „Die Erkrankung der Kinder ist schon schlimm genug. Aber die Angst und die Ungewissheit, wie es den Vätern und Männern und den Brüdern und Söhnen im Krieg zu Hause geht, ist eine schreckliche Belastung“, berichtet Professor Kontny.
Die insgesamt 21 krebskranken Kinder, die in Nordrhein-Westfalen weiter versorgt werden, sind im Alter von drei bis 17 Jahren und stammen aus verschiedenen Regionen in der Ukraine. Zuvor waren sie vorübergehend in einer Krakauer Klinik untergebracht. „Wir freuen uns, den schwer kranken Kindern unsere klinische Unterstützung in Aachen anbieten zu können und damit einen kleinen Teil beizutragen, den Betroffenen des Krieges zu helfen“, sagt Klinikleiter Wagner.
Dennoch dürfe nicht vergessen werden, „dass wir bisher nur einen Bruchteil der tatsächlichen Patientinnen und Patienten versorgen können, die auf unsere Hilfe angewiesen sind“. Man müsse daher alle Anstrengungen zur Evakuierung und Verteilung auf europäische Kliniken forcieren, so Wagner, um möglichst vielen Kindern und Jugendlichen mit Krebserkrankungen zu helfen. Das dritte Kind, das nun in Aachen ambulant behandelt wird, gehört zu dieser Gruppe.
Wenn die beiden ukrainischen Kinder die Klinik verlassen können – und das steht bei dem Jungen schon bald an –, ist für sie und ihre Mütter eine Unterbringung im nahen Ronald McDonald Haus, das seit fast 30 Jahren ein Zuhause auf Zeit für Familien schwer kranker Kinder ist, vorgesehen. Parallel laufen Gespräche mit der Stadt über eine längerfristige Unterbringung.