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Forstamtschef Gerd Krämer: Die Belastung für den Aachener Stadtwald darf nicht zu groß werden

Forstamtschef Gerd Krämer : Die Belastung für den Aachener Stadtwald darf nicht zu groß werden

Richten Forstmaschinen im Aachener Stadtwald schlimmere Schäden an als Mountainbiker? Forstamtsleiter Gerd Krämer beantwortet Fragen zu dem emotional diskutierten Thema rund um die geplanten MTB-Strecken.

Sensibles Ökosystem, Erholungsraum und Freizeitstätte: Der Aachener Stadtwald soll viele Funktionen erfüllen. Wie groß der Druck ist, zeigt auch die höchst kontrovers geführte Debatte um ein Trailnetz für Mountainbiker. Unser Redakteur Gerald Eimer sprach darüber mit dem Aachener Forstamtschef Gerd Krämer.

Machen Sie Ihren Job eigentlich noch gerne?

Krämer: Hierzu ein klares „Ja“! Es gibt aber auch Tage, da könnte ich verzweifeln. Meistens dann, wenn Dinge verkompliziert werden oder wenn sich die Ereignisse überschlagen und die Zeit fehlt, sich mit einem Thema vernünftig auseinanderzusetzen. Man wird dann seinen eigenen Ansprüchen nicht mehr gerecht und am Ende leidet das Ergebnis darunter.

Ich frage das deshalb, weil der Druck von allen Seiten zuzunehmen scheint: Sie haben auf der einen Seite große Schäden durch Stürme, Dürre und Borkenkäfer zu beseitigen. Sie sollen den Wald nachhaltig bewirtschaften und für den Klimawandel wappnen. Sie sollen Pflanzen und Tiere schützen. Und Sie sollen den Wald zugleich als Erholungsraum zugänglich machen. Das klingt, als könnte man es keiner Seite wirklich recht machen.

Krämer: Den Ausgleich der Interessen zu wahren, ist in einem großstadtnahen Wald in der Tat die größte Herausforderung. Wenig Konfliktpotenzial sehe ich zwischen dem Natur- und Artenschutz und einer naturnahen Waldbewirtschaftung. Diese beiden Bereiche lassen sich recht gut miteinander verbinden, das bereitet grundsätzlich wenig Arbeit. Allerdings bringen uns zurzeit die vielen von Ihnen genannten Waldschäden sowie die Schäden, die durch das Starkregenereignis entstanden sind, an unsere Leistungsgrenze. Wir kommen etwa mit den Ausschreibungen oder der Fördermittelabwicklung kaum noch hinterher. Das ist aber eher ein Mengenproblem. Fingerspitzengefühl ist dagegen gefragt, wenn es darum geht, den sehr unterschiedlichen Bedürfnissen der Menschen im Erholungsraum Wald gerecht zu werden. Insbesondere dann, wenn Aktivitäten abseits der klassischen Waldwege stattfinden. Dann schauen wir sehr genau hin, was da passiert und welche Lösung wir anbieten.

Ganz aktuell kriegen Sie wegen der boomenden Mountainbiker-Szene von mehreren Seiten Druck. Sie haben nie einen Zweifel daran gelassen, dass Sie von einem eigenen MTB-Trailnetz im Stadtwald nichts halten. Die Politik hat sich trotzdem dafür ausgesprochen. Fühlen Sie sich im Stich gelassen?

 Als Leiter des Aachener Forstamts wacht der promovierte Forstwissenschaftler Gerd Krämer seit 2006 über ein knapp 2400 Hektar großes Waldgebiet in Aachen.
Als Leiter des Aachener Forstamts wacht der promovierte Forstwissenschaftler Gerd Krämer seit 2006 über ein knapp 2400 Hektar großes Waldgebiet in Aachen. Foto: Harald Krömer

Krämer: Es ist der Wald der Bürgerinnen und Bürger der Stadt Aachen, die durch die Politik vertreten werden. Diese hat einen nutzerübergreifenden Dialog angestoßen, der die gesamte Bandbreite der rechtlich und fachlich denkbaren Optionen beleuchtet, der grundsätzlich jedoch ergebnisoffen ist. Ich stelle jedoch jede Form der Flächenzuweisung an spezielle Nutzergruppen infrage. Das betrifft nicht nur die Mountainbiker. Der Wald dient dem Gemeinwohl, und ich möchte ihn nicht scheibchenweise aufteilen. An dieser Stelle sehe ich eine große Gefahr für Erholungswälder in Großstadtnähe und trete dann schon mal gerne auf die Bremse.

Da sind die Umwelt- und Naturschutzverbände deutlicher geworden, die sich kürzlich nochmals strikt gegen ein ausgeschildertes Trailnetz ausgesprochen haben und stattdessen Fahrverbote abseits befestigter Wege, stärkere Kontrollen und Sanktionen fordern. Könnten Sie das mit Ihren Leuten umsetzen?

Krämer: In dem Umfang, wie es aus meiner Sicht zielführend wäre, sicherlich nicht. Unsere Personaldecke reicht für sporadische Kontrollen oder für konzentrierte Schwerpunktaktionen aus, mehr ist da nicht drin.

Deswegen führen Sie seit Jahren einen vergeblichen Kampf gegen die zunehmende Zahl illegaler Trails im Wald. Ist es da nicht einen Versuch wert, ein offizielles Trailnetz anzulegen und zu pflegen, um Mountainbiker aus anderen sensiblen Waldbereichen rauszuhalten?

Illegale MTB-Abfahrt im Aachener Wald. Um solche Schäden einzudämmen, wird in Aachen aktuell über ein ausgeschildertes Trailnetz diskutiert.
Illegale MTB-Abfahrt im Aachener Wald. Um solche Schäden einzudämmen, wird in Aachen aktuell über ein ausgeschildertes Trailnetz diskutiert. Foto: H504619/Harald Krömer

Krämer: Nur dann, wenn das naturverträglich möglich ist und die berechtigten Belange anderer Nutzergruppen nicht zu sehr eingeschränkt werden. Und genau das prüfen wir gerade im Rahmen des von der Politik angestoßenen Projektes.

Wie groß ist denn überhaupt der Schaden, den Mountainbiker abseits der Wege anrichten?

Krämer: Ich denke, die sind den meisten Waldbesuchern bekannt. Erosionserscheinungen, Beschädigung der Vegetationsdecke und der Baumwurzeln, erschwerte Bejagung, Schaffung von Gefahrenpunkten, vor allem in den Kreuzungsbereichen zu Reitwegen, erhöhter Aufwand beim Absperren im Holzeinschlag oder der Aufwand, der mit der Beseitigung von technischen Bauwerken verbunden ist. Letztere sind durch die Errichtung des Bikeparks am Dreiländerpunkt glücklicherweise etwas zurückgegangen. Gravierend sind aber auch die vielen Störungen der Tierwelt durch das Radfahren abseits unserer Waldwege, vor allem jetzt in der Brut- und Setzzeit.

Aus Sicht vieler Mountainbiker sind diese Schäden ein Klacks im Vergleich zu den vielen großen Schneisen, die überall im Wald von schweren Forstmaschinen geschlagen werden. Sind solche Kahlschläge nicht viel dramatischer?

Krämer: Planmäßige Kahlschläge gibt es im Aachener Wald seit Jahrzehnten nicht mehr. Was man heute an Kahlflächen sieht, ist ausnahmslos auf Wetterextreme und deren Folgen zurückzuführen, die in den letzten Jahren stark zugenommen haben. Obwohl, ich muss mich korrigieren: Es gibt noch eine Freifläche im Bereich der Pionierquelle, die durch eine Verkehrssicherungsmaßnahme entstanden ist. Die war aber zuvor mit dem FSC-Auditor abgestimmt.

Das sind Experten, die die Einhaltung bestimmter Umwelt- und Bewirtschaftungsstandards auch im Aachener Wald überwachen sollen. Trotzdem die Nachfrage: Dienen die Eingriffe tatsächlich der Natur, oder stehen nicht in Wahrheit wirtschaftliche Interessen dahinter?

Krämer: Im Gegenteil! Im Vergleich zu Normaljahren haben die Schadensereignisse der letzten Jahre Vermögensschäden im siebenstelligen Bereich verursacht. Wir konnten nur noch Schadensminimierung betreiben, indem wir die vom Borkenkäfer befallenen Bäume gefällt und schnell aus dem Wald transportiert haben, so dass sich der Käfer nicht weiter ausbreiten konnte. Für einige Monate kam der Holzabsatz zum Erliegen, und der Borkenkäfer wütete weiter. Was daraus entstanden ist, sehen Sie auf der riesigen Freifläche nördlich der Preuswaldsiedlung.

Zurück zu dem im Stadtwald geplanten MTB-Trailnetz: Wird es die ersten ausgeschilderten Wege noch in diesem Jahr geben?

Krämer: Ich bin sehr zuversichtlich, dass in diesem Jahr ein Ergebnis vorliegen wird, über das die Politik beraten kann. Dass eventuell Strecken dann schon eingerichtet sein werden, das glaube ich eher nicht.

Können Sie schon sagen, um welche Wege es sich handeln wird? Werden auch bislang illegale Strecken nachträglich legalisiert?

Krämer: Die Strecken befinden sich ja noch im ergebnisoffenen Abstimmungsprozess. Hier wird natürlich auch über bisher illegal genutzte Strecken diskutiert.

Sind die Wege mit der MTB-Szene abgestimmt? Und wurden jetzt auch die Naturschutzverbände eingebunden?

Krämer: Die Federführung für das MTB-Projekt liegt bei der Städteregion, die neben der Behördenbeteiligung auch die Verbände einbindet. Am Abstimmungsprozess sind aktuell 18 Interessenvertreter und Behörden beteiligt, selbstredend auch die Umweltverbände und die Gruppe der Mountainbiker.