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Hilfsverein: Die Aachener Engel lassen Corona keine Chance

Hilfsverein : Die Aachener Engel lassen Corona keine Chance

Der Hilfsverein begegnet im 15. Jahr seines Bestehens der Corona-Pandemie und ihren Herausforderungen mit Kreativität und neuen Ideen.

Ein Trikot des früheren Fußballnationalspielers Simon Rolfes hat auch heute noch seinen Ehrenplatz. Gerahmt in den Räumen der Geschäftsstelle der Aachener Engel genauso wie ideell im Gedächtnis von Martin Lücker. Der Gründer und Vorsitzende des Aachener Hilfsvereins erinnert sich noch genau an die ersten Momente vor 15 Jahren, als die Engel noch kleine Flügel hatten und dank zahlreicher Profifußballer der Alemannia das Fliegen lernten.

Inzwischen, anderthalb Jahrzehnte später, sind 2,5 Millionen Euro über die Konten des Hilfsvereins in soziale Projekte geflossen, sind bei Bedürftigen angekommen und haben vor allem jungen Menschen Perspektiven eröffnet. Und auch Corona – so viel sei schon mal vorweggenommen – wird die Aachener Engel nicht zur Notlandung zwingen.

Der ehrenamtliche Verein mit Sitz an der Borngasse 43 bewegt sich im permanenten Spannungsfeld zwischen seinen Grundzielen und aktuellen Herausforderungen. Eine Grundkonstante ist zugleich Gründungsanlass: die Hilfe für Menschen, die von Krebs betroffen sind. Hier spielt das persönliche Schicksal Martin Lückers eine Hauptrolle, der selbst vor etlichen Jahren schwer an Krebs erkrankt war und in vielen Situationen seine persönlichen Engel traf.

Die am eigenen Leib erfahrene Hilfe gibt er seither mit einem engagierten ehrenamtlichen Team an Betroffene weiter. Dabei ist ihm ganz wichtig, dass alle Spenden eins zu eins an Bedürftige beziehungsweise in Projekte fließen. Und davon haben sich im Laufe der Jahre einige zu festen Säulen des Vereins entwickelt.

Zum Beispiel das Tutorenprojekt. Hier bekommen Kinder und Jugendliche Unterstützung, die in den Elternhäusern nicht immer adäquat gefördert werden. Rund 2000 sind dies seit der Gründung im Jahr 2009. Aktuell unterstützen 144 ehrenamtliche Tutoren 160 Schülerinnen und Schüler in schulischen Dingen, angesichts der Geschwisterkinder im Grunde eine Eins-zu-eins-Betreuung. Auch im Moment. Zum Glück sind die Räume an der Borngasse relativ großzügig, so dass Tische auseinandergerückt und mit Trennscheiben aus Plexiglas versehen werden können. „Wir konnten beim ersten Corona-Aufschlag Erfahrungen in der digitalen Nachhilfe sammeln, wovon wir jetzt profitieren“, räumt der Vorsitzende Zweifel aus, dass das Bildungsangebot dem Virus zum Opfer fallen könnte.

Das Tutorenprojekt ist für Lücker in gewisser Weise ein Spiegel der gesellschaftlichen Entwicklung, denn er sagt: „Nur auf den ersten Blick hinken die hier betreuten jungen Menschen hinterher. Auf den zweiten ticken sie oft richtig, sind normal, und nur die Gesellschaft entwickelt sich weniger menschlich. Und wenn junge Menschen von zu Hause nicht entsprechend mit digitalen Geräten ausgestattet werden können, dann kann der Anschluss verloren gehen.“ Dann sind die Engel zur Stelle. Schüler und Schülerinnen, die sich bewährt haben, bekommen die digitalen Endgeräte auch ausgehändigt.

Zur geistigen Schulung kommt die körperliche. Nicht erst mit dem – zuletzt auch wegen Corona abgesagten – Engellauf bildet das Sportteam ein wichtiges integratives Element, das mit der schulischen Weiterbildung Hand in Hand geht. Der Breitensport führt die jungen Menschen mit verschiedenen kulturellen Hintergründen zusammen, Fairness wird dabei genauso zum obersten Gebot wie bei der MLK. Die drei Buchstaben stehen für die Martin Lücker-Kampfsportakademie an der Kleinkölnstraße. Gerade hier hat sich das faire Miteinander von jungen Sportlern aus verschiedenen – auch verfeindeten – Ländern bewährt. Nur so ist auch der enorme sportliche Erfolg mit zahlreichen Meistertiteln bis hin zu Deutschen Meisterschaften zu erklären.

Zur Fairness kommt die Disziplin, und man landet schnell wieder sowohl beim Lernprojekt als auch bei der Unterstützung im Kampf gegen Krebserkrankungen. Dieses interne Netzwerk ist verknüpft mit dem großen sozialen Netzwerk in unserer Stadt. Denn wenn es um Flüchtlings- oder Schuldenberatung im engeren Sinn geht, verweist das Engel-Team auf die externen Experten.

Neu im Repertoire ist ein Angebot, das Kaja Sturgolewska ehrenamtlich an der Borngasse installiert hat. Die ausgebildete Kosmetikerin rekonstruiert zum Beispiel Augenbrauen und -lider, die Frauen nach einer Chemotherapie verloren haben, und gibt ihnen so ein Stück Selbstsicherheit zurück. Auch kosmetische Behandlungen nach Brustoperationen können in naher Zukunft an der Borngasse vorgenommen werden. Ein weiteres Beispiel für die kontinuierliche Erweiterung des Spektrums innerhalb der vergangenen 15 Jahre.

Der Erfolg der Aachener Engel, die inzwischen rund 1000 Mitglieder und einen ehrenamtlichen Expertenstab für medizinische, juristische und psychosoziale Betreuung haben, ist schon mit der Person Martin Lücker verbunden, der in seiner Profession auch seine Erfüllung findet. „Es muss jemanden geben, der sich für sein Herzensprojekt auch etwas aufopfert. Aber genau so möchte ich das, denn ich liebe mein Leben und hätte nichts Größeres erreichen können.“ Das darf getrost als Versprechen für die kommenden Jahre interpretiert werden.