Bürgerforum beschließt : Der Templergraben soll nicht geöffnet werden
Aachen Im Bürgerforum des Stadtrates wurde engagiert um die Verkehrssituation rund um den Templergraben gestritten. Warum alle Beteiligten dennoch zufrieden mit der Veranstaltung waren.
Am Ende einer langen Debatte sprang in der Aula des Gymnasiums St. Leonhard ein Bürger auf und rief: „Das Bürgerforum ist echt klasse. Das ist für mich Demokratie.“ Der Forums-Vorsitzende Mathias Dopatka (SPD) bedankte sich beglückt für das Riesenkompliment, und auch die rund 50 Besucher klatschten zustimmenden Beifall.
Dabei hätte es heiß hergehen können. Auf der Tagesordnung stand ein Punkt, der seit Wochen die Gemüter immer heftiger erhitzt: das im Sommer des vergangenen Jahres und inzwischen auf unbestimmte Zeit verlängerte „Reallabor Templergraben“.
Ludger Singer hatte beantragt, den Templergraben in eine „klassische Fahrradstraße“ umzuwandeln. Was also hieße, Radfahrer hätten Vorrang, Pkw aber dürften auch dort fahren. Singer: „Es ist nicht vermittelbar, warum Verkehrsströme von einem fast unbewohnten Straßenabschnitt in extrem dicht bewohnte, teils enge Gassen verlagert werden.“ Weiter schlug Singer vor, während der ab kommenden Mai beginnenden Vollsperrung des Alleenrings in Höhe der Brücke Turmstraße wegen des Neubaus der Brücke den Templergraben in beide Richtungen wieder zu öffnen.
Ludger Singer ist Musiker. Er wohnt in der in den Templergraben mündenden Beginenstraße. Bislang ohne Probleme. Die aber hätten mit dem Reallabor begonnen, da sich der Kfz-Verkehr auf die angrenzenden Wohnstraßen verlagere. Betroffen sind vor allem die Eilfschornsteinstraße, der Annuntiatenbach, Judengasse, Königstraße und eben die Beginenstraße. Anwohner Singer beobachtet selbst „größere Fahrzeuge, auffallend viele der RWTH“, die durch die schmale Straße bugsiert werden. Jede Menge Autos, Abgase, gefährliche Situationen und Lärm, Lärm, Lärm. Der geplagte Musiker: „Im Moment ist es dort zu laut, ich kann da nicht mehr arbeiten.“
Einen Augenblick wurde der Ton etwas schärfer, als aus der Nachbarschaft ein Bewohner Ludger Singer beisprang und erzürnt Richtung Verwaltung und Politik rief: „Wir sind nicht Eure Laborratten, lasst die Finger vom Templergraben.“ Musiker Ludger Singer mochte noch so wortreich-gewählt und amüsant über die Situation rund ums Reallabor plaudern, der städtische Verkehrsmanager Uwe Müller erteilte den meisten seiner Vorschläge eine Absage. „Durch das Reallabor ist der Verkehr in Aachen nicht zusammengebrochen“, stellte Müller fest. Die „Kfz-Durchtrennung“ am Templergraben sei ein „zentraler Baustein“ zur Entwicklung des beschlossenen Rad-Vorrang-Netzes. Eine Fahrradstraße mit Kfz-Freigabe würde den Zielen widersprechen. Auch für die Zeit des Brückenneubaus Turmstraße könne der Templergraben nicht geöffnet werden. Verkehrsszenarien hätten gezeigt, dass dann täglich bis zu 20.000 Kfz den Templergraben befahren würden, doppelt so viele wie vor dem Reallabor. Weshalb der Mobilitätsausschuss beschlossen habe, „auf die Öffnung des Templergrabens nach Möglichkeit zu verzichten“.
In einem weiteren Punkt ist sich die Verwaltung mit den Singer-Vorschlägen allerdings einig: In Verbindung mit der seit Februar eingerichteten Baumaßnahme Jakobstraße soll in der zweiten Phase des Reallabors eine „Kfz-Netzunterbindung“ auf dem Annuntiatenbach eingerichtet werden. Die Barriere, eine „physische Diagonalsperre“, soll durch „fest eingebaute Poller“ unmittelbar nordöstlich der Trichtergasse montiert werden. Die Zufahrt zur RWTH-Tiefgarage am Kármán-Auditorium bleibe über die Eilfschornsteinstraße erreichbar. Durch die Sperre werde ein Ausweichverkehr über Judengasse/Trichtergasse sowie über Beginenstraße/Königstraße unterbunden.
Ein Vertreter der studentischen Eigeninitiative „Uni.Urban.Mobil.“, die engagiert für eine Verkehrswende in Aachen wirbt, widersprach der Auffassung, das Reallabor Templergraben sei „ein toter Platz“. Zwar habe Corona für geplante Veranstaltungen einen Strich durch die Rechnung gemacht, doch der Graben habe nun Charme und biete eine hohe Aufenthaltsqualität. „Deutlich bessere Luft, weniger Lärm“, registrieren Anwohner.
„Aufenthaltsqualität ist nicht Gastronomie“, hielt SPD-Vertreterin Julie Göths Kritikern entgegen, die sich in vielen E-Mails an Forums-Geschäftsführer Michael Geber gewandt hatten. Kern der Kritik: Brückenbau Turmstraße zum falschen Zeitpunkt, große Beeinträchtigungen und Einbußen für Gewerbetreibende, Projekt werde nicht angenommen – wenig Radfahrer, unzureichendes Freizeitkonzept, bis runter zum Lindenplatz reichten die Beeinträchtigungen – Lärm, Verkehr, Sicherheit, Luft.
Vertreter des „Taxiruf Aachener Autodroschken-Vereinigung“ riefen dazu auf, auch den Taxis wie dem ÖPNV die Durchfahrt auf dem Templergraben zu ermöglichen. Taxis seien dem ÖPNV gleichgestellt. Sprecher von CDU und FDP ließen keinen Zweifel daran, dass sie zumindest für die Zeit des Brückenbaus Turmstraße für eine Öffnung des Templergrabens sind.
Gleichwohl beschloss das Bürgerforum einstimmig, die Ausführungen der Verwaltung zur Kenntnis zu nehmen, „wonach die Verwaltung zur Unterbindung des Ausweichverkehrs im Rahmen des Reallabors Templergraben und der Baumaßnahme Brücke Turmstraße schnellstmöglich eine Sperrung für den Kfz-Durchgangsverkehr am Annuntiatenbach umsetzt“. Weiter regt das Forum an, eine Öffnung des Templergrabens für das Taxigewerbe zu prüfen.