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Serie „Fairnetzt”: Das Eine Welt Forum: Raus aus der eigenen Blase

Serie „Fairnetzt” : Das Eine Welt Forum: Raus aus der eigenen Blase

Das Prinzip „global denken – lokal handeln“ ist längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Ein Besuch im Aachener Eine Welt Forum.

Über viele Jahre hielt sich die Bezeichnung „Dritte Welt“, und Organisationen wie „Misereor“ (Ich erbarme mich) oder „Brot für die Welt“ verrieten schon in ihrem Namen eine „falsche Interpretation“ der Lage. So zumindest beschreibt es Jansen, Vorstand Eine Welt Forum und pensionierter Politikwissenschaftler der RWTH Aachen. Anfang der 2000er Jahre änderte sich die Sicht die Dinge, und die damaligen Akteure kamen zu dem Schluss: „Wir sind eine Welt, und wir sind verantwortlich auch für die Länder des Südens.“ Der gleichberechtigte Austausch und der Wille, vom Süden zu lernen, lösten die alten Strukturen ab. Und damit war das geboren, was wir heute unter einer „nachhaltigen Zusammenarbeit“ mit den benachteiligten Ländern der Welt verstehen.

„Global denken – lokal handeln“ ist laut Mona Pursey, Eine Welt Forum, der Leitsatz, der die Arbeit heute maßgeblich prägt. Die Vielzahl von solidarischen Initiativen und Organisationen, die sich in den 1970er Jahren für internationale Gerechtigkeit und Völkerverständigung einsetzten, fanden sich hier später in einem Verein zusammen, um wirksamer agieren zu können: Das Eine Welt Forum ging an den Start und bietet heute einer Vielzahl von unterschiedlichen Akteuren eine Anbindung. Neben der Solidarität mit dem Globalen Süden kommt auch dem Aspekt der Bildung eine immer größere Bedeutung zu. Heute ist das „Globale Klassenzimmer“ der Ort, an dem Kinder und Jugendliche mit Aspekten der „Nachhaltigkeit“ und der „globalen Zusammenhänge“ vertraut gemacht werden.

Die Plastiksammlerinnen von Bali

Im Rahmen der „Global Stories“ lernen sie positive Beispiele für nachhaltiges Handeln kennen. So sammeln zwei junge Mädchen aus Bali in Eigeninitiative den Plastikmüll an ihren Stränden, und sorgen schon in ihrem Umfeld für große Aufmerksamkeit. „Dieses Engagement beeindruckt auch die Jungen und Mädchen hierzulande“, weiß Andrea Milcher vom Globalen Klassenzimmer. Und die Beispiele zeigen zudem: Die Menschen in Afrika, Bali oder Mosambik sind nicht immer nur Opfer, sondern suchen eigenverantwortlich individuelle Wege in die Zukunft.

Die Solidaritätsbewegung und das Bemühen um eine gerechtere Welt sind auch weiterhin in Bewegung. So benannten im September 2000 insgesamt 189 Staaten der Vereinten Nationen in der „Millenniumserklärung“ einen Katalog grundsätzlicher Ziele: Armutsbekämpfung, Friedenserhaltung und Umweltschutz wurden dabei als die wichtigsten Themen bestätigt. Armut wird seitdem auch nicht mehr nur als Einkommensarmut verstanden, sondern als „Mangel an Chancen und Möglichkeiten“. Menschliche Würde, Gleichberechtigung, Demokratie, ökologische Nachhaltigkeit und Frieden gelten seitdem als erstrebenswerte Ziele.

„Schon wenige Jahre später, 2015, schienen diese Ziele nicht mehr ausreichend“, sagt Mona Pursey. In der Agenda 2030 listete die Weltgemeinschaft nun 17 globale Ziele, die vom Schutz von Klima und Ressourcen über den Einsatz für Frieden und Rechtsstaatlichkeit bis hin zur Bekämpfung der Korruption reichen. Und: Kein Mensch soll demnach mehr unter Hunger leiden müssen. Über allem steht laut Pursey heute die Erkenntnis: „Wir brauchen die Welt, die Welt braucht aber nicht uns.“

„Der Transformationsprozess hin zu mehr Eigenverantwortung und hin zu einer gerechteren Welt kann nur gelingen, wenn die unterschiedlichen Akteure in einem co-kreativen Prozess zusammenwachsen“, sagt Madeleine Genzsch. „Und das gelingt inzwischen auch schon ganz gut“, fügt sie optimistisch hinzu. Die junge Ökonomin setzt sich seit 2019 auch im Namen des Eine Welt Forums für Nachhaltigkeit und Regionale Resilienz ein, eine entsprechende Arbeitsgruppe des Eine Welt Forums engagiert sich mit Jürgen Jansen für „einen lebenswerten, ökologisch gesunden und wirtschaftlich stabilen Lebensraum“.

Madeleine Genzsch koordiniert das Projekt We@aachen und hat gemeinsam mit ihren Mitarbeitern in einer ersten Studie (2019-2020) über 220 Initiativen, Vereine und Organisationen gelistet, die sich in Aachen und der Städteregion für Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Klimagerechtigkeit engagieren. Sie ist überzeugt: „Die traditionelle Politikgestaltung von oben nach unten ist im Hinblick auf eine moderne Demokratieentwicklung überholt.“ Demnach wird in der Bevölkerung der Wunsch immer größer, die Zukunft aktiv mitzugestalten.

„Der notwendige Transformationsprozess kann nur in einem Miteinander gelingen“, ergänzt Genzsch. Dazu gehöre der Mut, die eigene Blase zu verlassen und in einen Dialog zu treten. Madeleine Genzsch gibt sich optimistisch und ist überzeugt, dass das bereits in zunehmendem Maße gelingt. Mona Pursey teilt diese Einschätzung. Sie sieht die Aufgabe des Eine Welt Forums vor allem darin, Brücken zu bauen: Auf andere Initiativen zugehen und Menschen an einen Tisch zu bekommen, ist dabei eine wesentliche Aufgabe. Und ganz in diesem Sinne spielt auch das Weltfest eine große Rolle.

 Solidarität mit dem Globalen Süden (von links): Mona Pursey, Madeleine Genzsch, Jürgen Jansen und Andrea Milcher leben und erläutern das Eine-Welt-Prinzip im Aachener Eine Welt Forum. 
Solidarität mit dem Globalen Süden (von links): Mona Pursey, Madeleine Genzsch, Jürgen Jansen und Andrea Milcher leben und erläutern das Eine-Welt-Prinzip im Aachener Eine Welt Forum.  Foto: MHA/Herrmann, Schmitter

Infos zu weiteren Aktionen und Projekten des Eine Welt Forums finden sich unter www.1wf.de. Das Bündnis „FAIRhandeln“ ist ein weiteres Beispiel für den Kampf um mehr Gerechtigkeit. Mehr Infos und Kontakt dazu unter: http://fairhandeln.info/.