Bilanz in Aachen : Besucher des Weihnachtsmarkts bescheren Rekorde
Aachen Auffällig viele Belgier und Niederländer strömen zum 4. Advent zum Aachener Budenzauber. Es ist voll, aber nicht bedrohlich eng. Der Veranstalter zieht eine überraschende Bilanz.
Schöne Bescherung: Die 2G-Regel führt auch zu Rekorden. Noch nie wurden auf dem Weihnachtsmarkt Aachen – der noch bis Donnerstag, 23. Dezember, 20 Uhr, geöffnet ist – so viele Personalausweise auf dem Kopfsteinpflaster gefunden. Und abgegeben. Zig Kärtchen stapeln sich bei Organisator Till Schüler vom Märkte- und Aktionskreis City (MAC). Das vierte Adventswochenende beschert Händlern und Gastronomen vorläufig ein versöhnliches Fazit des coronabedingt außergewöhnlichen Budenzaubers 2021 – genauso wie vielen Besuchern.
„Die Ausweise sitzen bei vielen wegen unserer 2G-Kontrollen offenbar etwas locker in der Tasche, wir versuchen die Eigentümer zu ermitteln, ansonsten übernimmt das Fundbüro“, sagt Schüler. Bis zu 12.000 Menschen tummelten sich nach Schätzungen des Sicherheitsdienstes jeweils Samstag und Sonntag gleichzeitig auf Markt, Katschhof und Münsterplatz. „Es waren sicher die besucherstärksten Tage, auch wenn wir noch deutlich entfernt von unserem Besucherlimit von zeitgleich 15.000 Gästen entfernt waren“, erläutert er. Es war voll, aber nicht bedrohlich eng. Auffällig viele Belgier und Niederländer tauchen auch am Sonntag im Sprachengewirr auf. Letztere flüchten mutmaßlich seit Samstag vor dem aktuellen Lockdown in Holland zum Einkaufen über die Grenze nach Aachen.
Auswärtige Besucherinnen und Besucher, die per Bus anreisen, bleiben aber 2021 Mangelware. „2019 zählten wir 1814 Busse mit 84.126 Gästen, die eigens zum Aachener Weihnachtsmarkt angereist sind. Dieses Jahr liegen wir gerade bei 350 Bussen und knapp 12.000 Touristen“, vergleicht Schüler. Das Minus wird am Ende bei rund 80 Prozent landen, schätzt er. Vor allem werktags und vor Feierabend war der Weihnachtsmarkt mit 125 Buden spürbar schwächer besucht. Die Gastronomen geben die Stornierungsquote bei Weihnachtsfeiern mit rund 70 Prozent an. Auch die vielen kleinen Kunsthandwerkerstände leiden unter dem Rückgang. „Umso bewundernswerter ist es, dass die Händler und Gastronomen so viel Liebe zum Detail, so viel Aufwand bei der Dekoration und Standbestückung an den Tag legen. Wir bekommen sehr viel positives Feedback – von Aachenern und Zugereisten –, dass es unter diesen so schwierigen Umständen überhaupt gelungen ist, den Weihnachtsmarkt nach der Totalabsage 2020 wieder zu ermöglichen“, betont Schüler.
Er lobt ausdrücklich die Disziplin der Gäste, die sich vorbildlich in langen Schlangen an den Kontrollpunkten anstellen, um Impfstatus und Ausweis prüfen zu lassen. „Das lief super reibungslos.“ Die 2G-Bändchen für die Gastro-Areale seien rundum akzeptiert. „Die sinkenden Inzidenzwerte in Aachen untermauern ja auch, dass der Weihnachtsmarkt dank der sicheren Durchführung keinesfalls ein Infektionstreiber sein kann. Unser System funktioniert“, stellt der MAC-Organisator fest.
Aber es ist personalintensiv und deshalb kostspielig. „Wir rechnen als MAC mit rund 20 Prozent weniger Einnahmen, weil weniger Stände aufgebaut wurden; und gleichzeitig mit höheren Personalkosten. Früher konnten wir mit dem Plus aus dem Weihnachtsmarkt zum Beispiel die Bühnen für das Aachen September Special mitfinanzieren. Das wird diesmal kaum möglich sein“, sagt er. Schüler ist glücklich, dass der Aachener Weihnachtsmarkt – trotz einiger lauter skeptischen Stimmen – nun bis zum Schluss durchgeführt werden kann.
Damit hatten nicht alle erfahrenen Kräfte vor Ort gerechnet. „Wir sind dankbar, dass der MAC diesen Kraft- und Balanceakt gestemmt hat“, sagt Schausteller Peter Loosen. Noch am frühen Sonntagmorgen hatte der MAC für Loosens Sohn Peter junior und Tochter Katrin Booster-Impftermine organisiert. Jetzt stehen alle wieder hinter der Theke, verkaufen feine Würstchen, Fritten und mehr. „Klar, mit weniger Publikum haben wir gerechnet, es läuft ungefähr auf die Hälfte hinaus. Aber das ist doch besser als ein trostloser Lockdown und gar kein Weihnachtsmarkt“, macht Loosen senior klar.
Um die Ecke steht Martin Luhn mit seinem Yucca-Design-Team. Er betreibt gleich mehrere Stände. „Textilien sind dieses Jahr weniger gelaufen; Schmuck und Accessoires dagegen schon. Trotz schwieriger Tage war die Stimmung hier immer gut, allein dafür lohnt es sich. Der Rückgang fällt weniger schlimm aus als befürchtet“, sagt Luhn.
Premiere feierte dieses Jahr der Stand „Kissenschlacht“ von Yvonne Brade. „Als Nicht-Aachenerin nehme ich diese supersympathischen Begegnungen mit nach Hause. Alle hier sind super nett, auch wenn es zu oft zu regnerisch war. Ich komme gerne wieder“, sagt die „Cotton-Queen“, die auf dem Münsterplatz Körner- und Spelzkissen an Mann und Frau bringt.
Ärger gab es für die MAC-Organisatoren erstaunlicherweise nur, wenn der Weihnachtsmarkt nicht geöffnet war. Mitten in der Nacht: „Wir hatten diverse Fälle von Randale, Prügeleien und Vandalismus; etwa ausgeleerte Feuerlöscher und Schmierereien, mit denen sich nachts unsere Sicherheitsleute und auch die Polizei herumschlagen musste. Das ist schade“, sagt Schüler. Auch damit muss sich der Organisator beschäftigen. Dann klingelt schon wieder sein Handy. Ein weiterer Personalausweis wurde gefunden. Schüler sammelt ihn ein, verstärkt dann selbst den Kontrolltrupp an einem Eingang. Jeder zählt. Noch vier Tage, dann ist Heiligabend. Bescherung.