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Sanierung des Altstadtquartiers Büchel: Aus dem Abbruch soll bald Aufbruch werden

Sanierung des Altstadtquartiers Büchel : Aus dem Abbruch soll bald Aufbruch werden

Die Planungen für das Altstadtquartier Büchel nehmen weiter Fahrt auf. Die Verwaltung schlägt konkrete Lösungen für den Rotlichtbezirk vor und setzt gleichzeitig Zeichen in Sachen Aufwertung der Innenstadt.

Süßer klingende Glocken auf dem Weihnachtsmarkt rund um Dom und Rathaus werden wohl in den nächsten Tagen weiter von weniger adventlichen Klängen begleitet. Denn die Bagger am Büchel müssen sich noch durch ein gutes Stück Beton arbeiten. Es dauert halt, sich von städtebaulichen Sünden zu befreien und Perspektiven zu schaffen. Im wahren Wortsinn, wie man jetzt in unmittelbarer Nähe zum Bahkauv sehen kann. Dort, wo das Parkhaus bereits in Einzelteilen am Boden liegt, bieten sich ganz neue Einblicke. Der Rotlichtbezirk leuchtet über die Antoniusstraße hinaus ins Stadtbild hinein. Irgendwie auch sinnbildlich. Weil er aus Sicht der Planer – trotz aller damit verbundenen Probleme – so gut es geht dauerhaft aus der Schmuddelecke herausgeholt werden soll.

Ehe es Missverständnisse gibt: In der Antoniusstraße gehen die roten Lichter nicht aus. Im Gegenteil. Es gibt quasi eine Bestandsgarantie. Politische Vorgabe ist es, Platz für 100 Arbeitsplätze zu erhalten. Das sogenannte Laufhaus als größerer Bordellkomplex ist passé, die Betriebe sollen in kleinteiliger Baustruktur auf der östlichen, zu Lust for Life hin gelegenen Seite der Straße konzentriert werden.

Eine Lösung, mit der letztlich die Polizei auch leben kann. Sie hatte sich eigentlich immer für eine Auslagerung der Prostitution aus der Innenstadt ausgesprochen, sah in der ursprünglichen Planung – ein Laufhaus hätte aus der Straße eine Sackgasse gemacht –  vor allem ein Problem für Prävention, Kontrolle und notfalls eben auch unmittelbare Einsätze der Polizei. Die Standortfrage künftiger Prostitutionsbereiche in Aachen sei eine politische Entscheidung, so Thomas Hinz, Leiter der Polizeipressestelle, gegenüber unserer Zeitung. Aber die Polizei steht den Fakten positiv gegenüber:„Notwendige polizeiliche Belange wurden im fruchtbaren Dialog berücksichtigt.“

Wie vertragen sich Bordell und Büchel?

Die Frage steht nach wie vor im Raum: Wie vertragen sich Bordell und Büchel? Wie passt das Rotlicht in den von allen erhofften neuen Glanz eines völlig neuen Altstadtviertels? Stadtbaurätin Frauke Burgdorff sieht das betont optimistisch. Wie in anderen Städten können sich die Prostitutionsbetriebe in die Umgebung – auch städtebaulich – einpassen, müssen kein reiner Fremdfaktor sein, komplett abgeschlossen vom urbanen Leben. Die Durchgängigkeit der Antoniusstraße auch wieder nutzen, ist die Idee. Aber Burgdorff hat keinen naiven Blick auf die Dinge: Dass sich die Situation abends und nachts anders darstellen kann – oder sicher wird –, weiß die Dezernentin auch.

Das rote Licht bleibt an: Hier im vorderen, zu Lust for Life gelegenen Teil der Antoniusstraße sollen die Bordellbetriebe mit maximal 100 Arbeitsplätzen konzentriert werden. Der obere Teil der Straße soll frei von Bordellen noch enger  in das Altstadtquartier eingebunden werden.
Das rote Licht bleibt an: Hier im vorderen, zu Lust for Life gelegenen Teil der Antoniusstraße sollen die Bordellbetriebe mit maximal 100 Arbeitsplätzen konzentriert werden. Der obere Teil der Straße soll frei von Bordellen noch enger  in das Altstadtquartier eingebunden werden. Foto: MHA/Harald Krömer

Neu in der Betrachtung des gesamten Areals ist das Selbstbewusstsein, mit dem die Planer diesen Spagat angehen wollen. Neu ist auch, dass die Stadt prüft, ob man  gegenüber „Partnern“ im Entwicklungsprozess Büchel – also den privaten Grundstückseigentümern – auch die Muskeln spielen lassen kann. Das „Sanierungsrecht“ gibt Städten die Möglichkeit, einen rechtlichen Kooperationsrahmen zu schaffen, ihren städtebaulichen Vorstellungen aber auch Nachdruck zu verleihen. Will heißen: Wer nicht bei den großen Leitlinien mitzieht, könnte Probleme bekommen. Oder positiv ausgedrückt. Man hat mehr Möglichkeiten, um die Eigentümer und Betreiber mit auf den Weg zu nehmen.

Prozess mit langem Atem

Man redet von einem Prozess, der den sprichwörtlichen langen Atem braucht. Stadtverwaltung und Städtische Entwicklungsgesellschaft (Sega) haben klare Vorstellungen, wie der aussehen soll. Denn während das Parkhaus abgerissen wird, ja schon Monate davor, haben sich städtische Planer und viele interessierte Private – Architekten, Stadtplaner, Investoren, Gewerbetreibende – mit der Frage befasst, wie der Weg zum neuen Büchel aussehen soll. Stadtmacherinnen und Stadtmacher wird der Kreis genannt, der aktiv beteiligt ist, Ideen einbringt, durchaus auch Interesse bekundet zu bauen, zu nutzen und zu gestalten. Mit den „Stadtmachern“ steht die Stadt im stetigen Austausch.

Fest steht: Eine Kombination aus Bebauung und Freiflächen soll auf dem Parkhausgelände her. Aber nicht als schönes Nebeneinander von „Haus und Garten“. Der Stadtraum soll, so der Stadtplaner-Jargon, „bespielt“ werden. Die angestrebte Nutzung im Erdgeschoss der Häuser soll die Nutzung der Flächen miteinbeziehen, beides soll sich bedingen. Foren, Gastronomie, Kultur – der Kreativität der Stadtentwickler sind keine Grenzen gesetzt.

Was nicht angestrebt wird, das betonen Frauke Burgdorff und Christoph Vogt, Geschäftsführer der Sega, ist ein „Bilbao-Effekt“. Also ein massiver Baukörper mit architektonischem Ausrufezeichen, so wie das Guggenheim-Museum in Nordspanien oder andere vergleichbare Monumentalbauten. Die Struktur der Altstadt aufgreifen soll die künftige Architektur. Qualität ist oberste Maxime, sagen Burgdorff und Vogt. Nicht, wie bisher an (zu) vielen Stellen der Stadt, die Rendite. Die Messlatte für Bauherren – die städtischen Grundstücke sollen in Erbpacht abgegeben werden – liegt hoch. Idealerweise, so Christoph Vogt, könnte Baubeginn für einen ersten Komplex Ende 2024, Anfang 2025 sein.

Womit klar markiert ist: Es wird eine – so der offizielle Titel – „Zwischenzeit“ geben. Zwischen dem Ende des Abrisses am Büchel und dem Baubeginn. Gut drei Jahre können es sein. Keine verlorene Zeit wird es sein, so der Wille der Planer. Ab Mai nächsten Jahres soll das Grundstück des ehemaligen Parkhauses so weit sein, dass es umfangreich nutzbar ist. Frei- und Grünflächen, Wege, Blühwiesen am Rand – die Vorstellungen sind durchaus schon sehr konkret. Auch Gastronomienutzung ist denkbar. Stadt und „Sega“ haben für ihr Vorhaben, diese innerstädtischen Fläche vielfältig zu nutzen, Anerkennung auch finanzieller Art über das Bundesprogramm „Green Urban Labs“ bekommen. Aus diesem Topf wird auch eine Art „Kurator“ finanziert, der verantwortlich sein soll, dass die Zwischenzeit keine Langeweile wird.

Vieles ist Zukunftsmusik, doch die Partitur entsteht ganz konkret und jetzt. Zunächst rattern aber weiter die Bagger. Lärm und Dreck stehen vor städtebaulichem Glanz.