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Auch "Scientists for Future" wollen in Aachen jetzt durchstarten

„Fridays for Future“ : Rund 200 Demonstranten gehen in Aachen wieder auf die Straße

Von Katerstimmung kann bei Jimena Castro keine Rede sein. Rund 200 Menschen haben sich an diesem Freitagvormittag in Aachen auf dem Markt versammelt. Deutlich weniger als noch vor zwei Wochen.

Beim zentralen Streiktag von „Fridays for Future“ gingen rund 40.000 Teilnehmer aus 17 Nationen auf die Straße, um für mehr Klimaschutz zu demonstrierten. Doch ob Zehntausende oder „nur“ ein paar hundert: Die 15-jährige Schülerin wird nicht müde zu betonen: „Das ist kein Sprint, was wir hier machen, sondern ein Marathon.“ Und die Luft ist bei den jungen Klimaschützern offensichtlich längst nicht raus. Im Gegenteil. „Wir sind super motiviert weiterzumachen. Wir hatten zwar viel Stress mit der Organisation für den 21. Juni und haben wenig geschlafen, doch es hat auch total Spaß gemacht“, resümiert die Schülerin der Viktoriaschule.

Das ist vor dem Aachener Rathaus deutlich zu spüren. Um dem Friedenslauf nicht in die Quere zu kommen, startet der Demonstrationszug an diesem Freitag ausnahmsweise nicht am Elisenbrunnen, sondern am Markt. Nicht nur junge Menschen sind da: Auch Vertreter von „Parents for Future“ sowie eine Frau, die auf einem Schild den Schriftzug „Großmutter für ihre Enkel“ vor sich herträgt, sind dabei. Eine Flagge von „Extinction Rebellion“ ist in der Menge zu sehen, und eine Vertreterin von „Seebrücke Aachen“ spricht über die Zusammenhänge von Flucht und Klimawandel.

Die Themen, die die Redner in ihren Beiträgen auf dem Markt und bei der Zwischenkundgebung vorm Hauptbahnhof ansprechen, sind nicht neu. Und es ist genau dieser Umstand, der die jungen Menschen dazu motiviert weiterzumachen. Die Bilder von ihrem Protest in Aachen gingen zwar durch ganz Deutschland. Doch das Klima selbst habe von der Bewegung noch nichts gespürt, mahnt einer der Redner an.

Auch deshalb wolle das Aachener Team von „Fridays for Future“ seine Aktionen für den Klimaschutz ausweiten, berichtet Jimena. So soll nicht nur weiter freitags gestreikt werden – während der Schulzeit, aber natürlich auch in den Sommerferien. Auch Workshops wolle man verstärkt anbieten. „Wir wollen die Leute informieren“, so die Schülerin. Unter diesem Motto steht auch der Sommerkongress, den „Fridays for Future“ vom 31. Juli bis zum 4. August in Dortmund veranstaltet – mit Diskussionsrunden und Seminaren mit Wissenschaftlern und Politikern.

Einer dieser Wissenschaftler wird vermutlich Tom Lehmann sein. Der 40-jährige Architekt aus Aachen hat sich vor einigen Wochen den „Scientists for Future“ angeschlossen. Mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigt er sich allein schon aus beruflichen Gründen jeden Tag. Wie können Gebäude möglichst nachhaltig und energieeffizient gebaut werden? Doch Tom Lehmann treiben noch deutlich weitreichendere Fragestellungen um – und auch Sorgen. Sorgen, die längst nicht mehr nur Schüler auf die Straßen gehen lassen.

Bereits im Mai hatte sich eine Gruppe Wissenschaftler aus der Region zusammengefunden und die Regionalgruppe von „Scientists for Future“ für Aachen, Düren und Jülich gegründet. Ihr Ziel: den Kindern und Jugendlichen den Rücken stärken und die Diskussion mit wissenschaftlichen Fakten und Argumenten ergänzen. Als ersten Schritt unterstützten die „Scientists“ die Jugendlichen bei der Großdemonstration am 21. Juni mit einem eigenen Demonstrationszug vom Aachener Hochschulviertel aus. Jetzt will sich die Regionalgruppe selbst als zentraler Ansprechpartner in Klimafragen etablieren.

„Wir sehen den Bedarf, wir kennen uns in der Thematik aus – und wir wollen, dass andere davon profitieren“, betont Georg Stauch, Privatdozent an der RWTH für den Lehrstuhl für Physische Geografie und Geoökologie. Der Geograf war schon beim ersten Treffen der Regionalgruppe dabei. An diesem Donnerstagabend sind auch einige neue Gesichter dabei. Rund ein Dutzend Wissenschaftler sind in einem kleinen Restaurant in Aachen zusammengekommen, im internen Mailverteiler finden sich noch deutlich mehr. Unter ihnen sind Informatiker, Mikrometeorologen und Elektrotechniker, Nanotechnologen, Ärzte und Historiker.

Pariser Klimaschutzabkommen

Einige von ihnen sind an den Aachener Hochschulen anzusiedeln, andere am Forschungszentrum Jülich. Die Altersspanne reicht von 21 bis über 60 Jahre. Es sind Menschen mit den unterschiedlichsten Kompetenzen und einem zentralen Anliegen: die Umsetzung der Verpflichtung aus dem Pariser Klimaschutzabkommen und der dafür erforderliche rasche Ausstieg aus der Braunkohle.

Noch befindet sich die Gruppe in der Findungsphase. „Wie können wir uns organisieren, damit wir als Ansprechpartner wahrgenommen werden?“, benennt Georg Stauch eine der Fragestellungen, mit denen sich die „Scientists“ zurzeit beschäftigen. Ein Ansprechpartner für Schulen, für umweltpolitisch Interessierte, für die Politik selbst.

Letztere scheint die Regionalgruppe bereits auf dem Schirm zu haben. Mit Vertretern der Aachener SPD-Fraktion sowie der UWG-Aachen habe es bereits Treffen gegeben, bei denen es unter anderem darum ging, welche konkreten Auswirkungen der Klimanotstand, den der Aachener Stadtrat jüngst ausgerufen hat, haben könnte, berichtet Lehmann. Ein erster Schritt. Aber auch nur das. „Ich habe den Eindruck, dass die Politik immer noch zu wenig begreift, dass wir nur mit ganzheitlich abgestimmten Ansätzen Erfolge erzielen können, nicht aber mit klassischen politischen Einzelaktionen“, sagt er.

Diese ganzheitlichen Ansätze habe die Wissenschaft längst geliefert, sind die „Scientists for Future“ überzeugt. Nur müssten diese auch endlich gehört und in die Tat umgesetzt werden. Damit auch in Sachen Klima von Katerstimmung keine Rede sein muss.