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Archimedischer Sandkasten in Aachen bringt jede Menge Spaß

Archimedischer Sandkasten : Kein Klo, kein Kaffee – aber jede Menge Spaß

Kinder buddeln auf dem Katschhof in 150 Tonnen Sand. Das ist toll. Für den Archimedischen Sandkasten gibt es viel Lob, aber auch Tadel. Dabei spielt sogar der Bundestagswahlkampf eine Rolle.

Der kleine Ben ist sauer. „Hier ist Boden, kann nicht weiter“, brüllt der Fünfjährige mit seiner Schaufel in der Hand. Mama lacht. „Grab doch daneben noch ein Loch!“ Gute Idee, Filius legt los, quietscht vor Glück. Nicht nur die Buddeltiefe unterscheidet den Archimedischen Sandkasten, der noch bis zum 15. August auf dem Katschhof mit knapp 150 Tonnen Spielsand auf 320 Quadratmetern Familien mit Kleinkindern fesselt, vom Strandbesuch. Vor Ort gibt es viel Lob, aber auch Kritik.

„Das Ambiente zwischen Dom und Rathaus ist einzigartig, eine tolle Kulisse!“, lobt etwa Melanie Rodtheut. Die junge Mutter sitzt mit Freundin Daniela Schumacher am Rande der 160 Meter langen Fichtenholz-Barriere. Die Kinder tollen im Sandviereck. Spielzeug mussten sie selbst mitbringen. Bis 2019 gab es hier auch Schaufeln und große Bagger. Die fehlen, weil die Stadt Coronavirus-Infektionsrisiken scheut.

Dabei halten die Kids hier sowieso beim gemeinsamen Spiel keinen Abstand und tauschen Eimer, Förmchen wie Schäufelchen. Genauso wie auf Aachener Spielplätzen. „Da wischt ja auch nicht ständig jemand mit Desinfektionsmittel hinter jeder Rutschbahnbenutzung her“, wundert sich eine Mutter. Das Erkrankungsrisiko für Kleinkinder bei einer Corona-Infektion schätzen Mediziner ohnehin als minimal ein. Und ältere Risikogruppen sollten inzwischen geimpft sein.

Nächster Kritikpunkt: die sanitäre Situation. Wenn der Sprössling mal muss, muss der nächste Baum herhalten, davon gibt es hier einige. Wie auf den Spielplätzen außerhalb des Stadtkerns. Es sei denn, Eltern möchten zum Toilettengang mit Sack und Pack den Katschhof Richtung umliegende Gastronomie verlassen. „Warum hat man nicht einfach einen kleinen Toilettenwagen aufgestellt?“, fragt ein Vater. Zumal montags auch noch das benachbarte Centre Charlemagne inklusive „Karls Café“ dicht ist. Die dortigen Toiletten sind dann ebenfalls nicht zugänglich, weil die Stadt für diesen einen Tag der Woche kein Sicherheitspersonal für den hausinternen Toilettenweg bezahlen möchte.

 Viel Trubel, keine stilles Örtchen: Rund um die 320 Quadratmeter große Sandfläche zwischen Dom und Rathaus müssen Eltern und Kinder in Gastronomiebetriebe ausweichen – falls diese geöffnet sind.
Viel Trubel, keine stilles Örtchen: Rund um die 320 Quadratmeter große Sandfläche zwischen Dom und Rathaus müssen Eltern und Kinder in Gastronomiebetriebe ausweichen – falls diese geöffnet sind. Foto: Andreas Steindl

Was zum nächsten Kritikpunkt führt: „Ein kleiner Gastro-Wagen hier an Ort und Stelle, um Kinder mit Eis oder Getränken und Eltern mit Kaffee zu versorgen, hätte schon was“, findet Daniela Schumacher. Denn natürlich lassen weder Papa noch Mama das Kind allein im Sandkasten, um dann etwa am Münsterplatz oder in der Krämerstraße mal eben Snacks und Getränke zu besorgen.

Und überhaupt: Dass es der Stadt Aachen nur ein einziges Mal pro Jahr glückt, für gerade einmal sechs Wochen im Stadtkern ein kindertaugliches Spielareal aufzubauen, wird allgemein als großes Defizit empfunden. Egal wen man fragt: Spielplätze in Aachens City? Fehlanzeige. Zuletzt wurde auch noch Stirnbergs Spielschiff an der Ursulinerstraße wegen verschärfter Sicherheitsauflagen für Kinderspielgeräte aus dem Verkehr gezogen. „Umso schöner ist so ein Urlaubstag hier am Sandkasten, großes Kompliment an die Macher“, lobt Schumacher; die Freundin nickt. Es hagelt Komplimente, aber nicht nur das.

Die Stimmung am Sandkasten ist ausgelassen. Kinderlachen, Gejohle – und spätestens alle zehn Minuten Tränen und Geheul. Das gehört dazu. Zum Beispiel wenn Ben Sandkugeln schleudert – ohne zu ahnen, dass der antike Ingenieur Archimedes bereits im 3. Jahrhundert vor Christus eine von ihm buchstäblich entworfene Wurfmaschine zur Verteidigung von Syrakus gegen die römischen Belagerer im Zweiten Punischen Krieg einsetzte. Was Archimedes im Jahr 212 vor Christus das Leben kostete. So weit würde Ben natürlich nicht gehen. Auch wenn der Angriff auf seine Burg nebst Doppelloch durch die kleine Elena, vier Jahre alt, durchaus als kriegerischer Akt verstanden werden kann.

 Viel Lob, wenig Kritik: Melanie Rodtheut und Daniela Schumacher gönnen sich eine kleine Auszeit am Rande des Sandkastens – natürlich mit ihren Kindern zwischen vier und acht Jahren.
Viel Lob, wenig Kritik: Melanie Rodtheut und Daniela Schumacher gönnen sich eine kleine Auszeit am Rande des Sandkastens – natürlich mit ihren Kindern zwischen vier und acht Jahren. Foto: Andreas Steindl

Auseinandersetzungen am Sandkasten bleiben die Ausnahme. Auch abends und nachts verzeichnet die Stadt bislang keine Zwischenfälle, etwa durch Strandpartys junger Nachtschwärmer. „Alle verhalten sich sehr respektvoll, es gibt keine Probleme“, betätigt Elena Reinders. Die Projektmanagerin vom Kulturmarketing steuert mit ihrem Team das Sand-Geschehen. Essen und Trinken im Sand, und damit auch Alkohol, sind tabu. Von morgens bis abends wird das am Rande von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bleiberger Fabrik überwacht. Picknick am Rand ist erlaubt und erwünscht. „Das macht ebenfalls die zauberhafte Atmosphäre aus“, sagt Reinders. Die Stadt hätte sich durchaus gewünscht, dass angrenzende Gastronomen ein speziell auf junge Familien zugeschnittenes To-go-Angebot offerieren – vielleicht gelingt das 2022.

Abends sammelt das Archimedes-Team auch die Liegestühle ein. Die dürften in den kommenden Tagen ohnehin kaum gefragt sein. Es droht für mehrere Tage strömender Regen. Zwar hat der begnadete Mathematiker Archimedes auch zwei Bücher „Über schwimmende Körper“ geschrieben. Dennoch: Damit der Sandkasten nicht zum Swimmingpool mutiert, ist unter dem Spielsand ein wasserdurchlässiger Unterboden verbaut. Dass Nass versickert im Kopfsteinpflaster.

Bitte kein Essen: Picknick ist nur außerhalb und am Rande des Sandparadieses erlaubt – damit der Sand schön sauber bleibt.
Bitte kein Essen: Picknick ist nur außerhalb und am Rande des Sandparadieses erlaubt – damit der Sand schön sauber bleibt. Foto: Andreas Steindl

Oben könnte das gewaltige Sonnensegel alternativ als Regenschutz herhalten. Gummistiefel und Matschhosen für den Nachwuchs sind angesagt. Schirme am Rand gibt es aber keine, zu windanfällig. Bei scharfen Böen haben schon die 33 Liegestühle arge Stabilitätsprobleme. Geklaut wurde aber dieses Jahr noch keiner.

Wind, Wetter, Sonne und Regen werden die engagierte Crew der Bleiberger Fabrik auch nicht von ihrem im Schulterschluss mit den Aachener Hochschulen unter der Marke „Future Lab“ entwickelten Begleitprogramm abbringen. Zur sechsten Auflage des Archimedischen Sandkastens starten die Ferienspiele am 26. Juli, 10 Uhr, zum Thema „Vertical farming“. In den Workshops entstehen aus Holzlatten, Planen und Pflanzen-Elementen Konstruktionen für senkrechte Gärten – alles begleitet von Pädagoginnen und Pädagogen. Für einige Restplätze können sich Zehn- bis 16-Jährige noch bei birgit.frank@bleiberger.de bewerben; Infos unter aachen.de/ferienspiele.

Jeden Montagmorgen, pünktlich um 7 Uhr, gibt es zudem eine Yoga-Stunde. Spontan teilnehmen darf jeder in jedem Alter auf dem Sand. Strandgefühle. Aber Vorsicht, damit alles glatt geht: Ben hat ein paar gewaltige Löcher gebuddelt. Der Fünfjährige und ungezählte Spielgenossen wären wohl auch für eine Verlängerung der Laufzeit für den Archimedischen Sandkasten zu haben. Bloß: Die Stadt muss pünktlich räumen und Platz schaffen. Warum? Für den 20. August ist eine Bundestagswahlkampfveranstaltung der Grünen beim Ordnungsamt angemeldet. Ben könnte sauer sein.