Angemerkt: Im Haifischbecken
Meinung Ulla Thönnissen reiht sich ein. In die Riege jener, die in den vergangenen 20 Jahren im Haifischbecken der Aachener CDU aufgefressen wurden.
Wie Ulrich Daldrup, der 1993 als umjubelter Seiteneinsteiger Vorsitzender wurde und die Partei Ende der 1990er Jahre zu sagenhaften 49,5 Prozent bei der Kommunalwahl führte. Es folgten: Intrigen, Mauscheleien, Grabenkämpfe — und Daldrup scheiterte.
Oder Harald Baal, der von den Heckenschützen in eigenen Reihen als Fraktionsvorsitzender einst abgeschossen wurde — mit dem Unterschied, dass er sich zurückkämpfte und nun fest im Sattel sitzt. Ulla Thönnissen betont die Wahlsiege in ihrer Zeit als Vorsitzende, wenngleich sie als Direktkandidatin für den Landtag zweimal unterlag. Sie ist auch an ihrem eigenen ungeschickten Vorgehen — etwa mit einem 11.000 Euro teuren Wahlwerbevideo, das kaum jemand zu Gesicht bekam, und einer Mail an Geschäftsstellenmitarbeiter Harro Mies, dem sie dort einen „schlechten Charakter“ bescheinigt — gescheitert.
Aber eben auch an den nimmermüden Intriganten in der Partei, die diese Intrigen meist schön hinter vorgehaltener Hand spinnen. Anders als Kritiker wie Ralf Demmer oder die neue stellvertretende Vorsitzende Annika Fohn, die den Mut hatten, diese Kritik öffentlich zu äußern. Demmers Vorwürfe haben sich als falsch herausgestellt. Aber die Fragen hat er offen gestellt. Das muss einem nicht gefallen, aber das ist legitim.
Und nun Holger Brantin. Ein Mann des Ausgleichs. Beleg dafür mag sein, dass er Fohns Kandidatur um den stellvertretenden Vorsitz ebenso unterstützt hat wie jene des Beisitzers Uwe Boester, der just im Stadtbezirksverband von Ralf Demmer verortet ist. Als Vorsitzender Richter der Strafvollstreckungskammer hat Brantin geschafft, was niemand für möglich hielt: im Schulterschluss mit sich bisweilen eher argwöhnisch beäugenden anderen Behörden vormals sicherungsverwahrte Schwerverbrecher nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in die Aachener Gesellschaft zu integrieren. Dafür erntet er von besagten Behörden immer wieder höchstes Lob. Was sonst so selten ist wie ein Burgfrieden in der Aachener CDU.
Aber er kann auch anders. Dass der engagierte Katholik jüngst als Sprecher des Katholikenrats mit deutlicher — öffentlicher — Kritik am Bischof nicht hinter dem Berg hielt, mag dies belegen. Dass er einst als Funktionär kurzerhand die Bühne verließ, als in „seinem“ Karnevalsverein ein Rechtsradikaler einen Orden erhielt, ebenso. Folge: Der damalige Präsident musste gehen. Brantin zaudert nicht, er ist konsequent. Diese Eigenschaft braucht er an der CDU-Spitze mehr denn je.
Die Haifische sollten sich in Acht nehmen. Diese potenzielle Beute sollten sie — so es einmal zur Konfrontation kommt — nicht unterschätzen.