Neuartige Beschichtung gegen Graffiti : Eine Radarfalle, zu schön zum Blitzen
Aachen Zu schön für Fotos? Auf den Rotlichtblitzer auf der Wilhelmstraße könnte das durchaus zutreffen. Eine Spezialsilikonschicht schützt sie unter anderem vor Graffiti. Autofahrern fällt sie deshalb mehr auf. Und auch sonst hat die neue Beschichtung viele Vorteile.
Der Rotlichtblitzer auf der Aachener Wilhelmstraße scheint fast zu schön für Fotos zu sein. Seitdem er mit einer Spezialsilikonschicht vor Graffiti und Aufklebern geschützt ist, fällt er sattschwarz im Stadtbild viel mehr auf – weswegen weniger Autofahrer eine Fahrt über die rote Ampel riskieren. Mittlerweile ist das Radargerät aber wegen eines Defekts abgeschaltet. Die Stadt intensiviert indes ihre Bemühungen in Sachen Sauberkeit.
Beschmiert, bekritzelt, beklebt – das ist nicht die bunte Vielfalt, die der Stadt Aachen auf Straßen und Plätzen, an Laternen, Ampeln und anderem Stadtmobiliar vorschwebt. Der Dreck soll weg. Ein Pilotversuch in der Aachener Wirichsbongardstraße startete im Mai dieses Jahres. Nachdem 26 völlig verschmutzte Laternenmasten entlang der Einkaufsmeile aufwändig abgeschmirgelt, geschrubbt und abgekratzt worden waren, ließ die Stawag von Experten eine neu entwickelte Spezialsilikonschicht auftragen.
Projektleiter Dany Ward, der in Aachen die Lizenzen für den Wunderlack hält, erklärt: „Der einmalige Aufwand hat sich gelohnt. Weder irgendwelche Schmierereien noch Aufkleber halten auf der neuen Farbschicht. Und besonders die Entfernung hartnäckiger Aufkleber ist extrem anstrengend, kostet die öffentliche Hand bislang viel Zeit und damit Geld.“ In der Wirichsbongardstraße ist das vorbei. Alles sauber nach einem halben Jahr.
Auch die Stawag, verantwortlich für tausende Laternen in Aachen, ist mit dem Zwischenergebnis des neuen Anbieters zufrieden: „Bisher entsprechen unsere Erfahrungen denen, die wir mit anderen Produkten gemacht haben“, sagt Vanessa Grein aus dem Presereferat der Stawag. Man hofft allerdings auf weitere, nachhaltige positive Effekte, bis man den Pilotversuch noch großflächiger über das Stadtgebiet ausdehnen könnte. Grein: „Eine wirklich verwertbare Einschätzung können wir erst nach zwei bis drei Jahren geben. So lange werden wir beobachten müssen, wie sich die Schutzwirkung entwickelt“, erläutert sie.
Andere sind noch optimistischer. In Heinsberg etwa hat Ward mit seinem Team jetzt 70 Stromverteilerkästen sowie reihenweise Stadtmobiliar wie Bänke, Mülleimer und Laternen lackiert. Die Initiative zum „Großreinemachen“ ging von einer Werbegemeinschaft der Einzelhändler aus. In Aachen testen derweil private Unternehmen, die im Stadtbild präsent sind, fleißig mit.
Zum Beispiel der Elektrorad-Vermieter Velocity mit rund 50 Ausleihstationen: „Die Sauberkeit der Stationen ist an einigen Standorten eine echte Herausforderung“, sagt Geschäftsführer Dennis Brinckmann. Aufkleber, Graffiti und schmucklos aufgesprühte „Tags“, also Zeichen und Schriftzüge, machen Velocity zu schaffen. Betroffen sind das Hochschulviertel rund um die Partymeile Pontstraße, aber auch das Frankenberger Viertel. „Wir werden deswegen unsere Pilotphase mit dem neuen Schutzlack, der ja auch in unseren Farben – also orange – aufgetragen werden kann, an der Ecke Bismarckstraße – Schlossstraße starten“, erklärt Brinckmann. Dort musste Velocity nun schon mehrfach zu größeren Säuberungsarbeiten anrücken.
Auch die Stationen des Autoverleihers Cambio Carsharing, ebenso etwa 50 allein auf Aachener Stadtgebiet, sollen demnächst vor Schmierereien gewappnet sein. „Wir haben dazu bereits Gespräche geführt und die Planungen begonnen“, sagt Cambio-Geschäftsführerin Gisela Warmke. Dany Ward ist zuversichtlich, dass dies gelingt.
Die Lack-Experten hoffen nun auf politische Unterstützung. Oberbürgermeister Marcel Philipp hatte bereits 2012 die Sauberkeitskampagne „Aachen ist unser Zuhause“ gestartet. Thomas Thalau, Betriebsleiter des Aachener Stadtbetriebs, erklärt dazu auf Anfrage unserer Zeitung: „In den letzten Jahren wurden seitens des Aachener Stadtbetriebs viele Investitionen für eine saubere Stadt vorgenommen. Dazu gehört zuerst ein stärkerer Personaleinsatz: die Einführung eines Zwei-Schicht-Systems in der Stadtreinigung – auch über das Wochenende – und Spezialteams zur Beseitigung von Graffiti sowie der Sauberkeit in Parkanlagen.“
Auch der zunehmende Einsatz elektrisch betriebener Fahrzeuge und Geräte trage zur Minderung von Emissionen bei. Thalau stellt aber klar: „Diese Maßnahmen ändern aber zunächst nichts an der wesentlichen Ursache, am Bewusstsein der Verursacher. Darum bleibt der Appell seit 2012 derselbe: Aachen ist auch Deine Stadt, halte sie sauber."
Natürlich würden übergreifende Maßnahmen der Stadt zunächst Geld kosten – dies würde sich aber laut Projektleiter Ward nachhaltig rechnen. Was wohl auch für die Rotlichtüberwachungsstele an der Wilhelmstraße gilt. Sie soll demnächst repariert werden, weswegen über mehrere Tage jeweils eine Fahrspur Richtung Kaiserplatz gesperrt werden muss. Die Leitungen unter dem Asphalt will die Stadt aber erst erneuern lassen, wenn andere Baustellen im Umfeld abgearbeitet sind.
Dann dürfte die Rotlichtblitze, blitzblank und dank Wunderlack sauber, weiterhin warnend sichtbar weniger Bußgelder einspielen. Aber dafür umso mehr die Verkehrssicherheit erhöhen. Auch eine saubere Sache.