1. Leserbriefe

Leserbriefe zu den Tarifverhandlungen: Vorwürfe, Heuchelei und Verantwortung

Leserbriefe zu den Tarifverhandlungen : Vorwürfe, Heuchelei und Verantwortung

In dieser Ausgabe der Leserbriefe beschäftigen sich unsere Leserinnen und Leser mit den Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst und den damit verbundenen bundesweiten Streiks.

Margret Jacobs aus Inden reagiert auf den Kommentar „Maß und Mitte verloren“ von Antje Höning zum gemeinsamen Streik von Verdi und Eisenbahn-Gewerkschaft (EVG):

Es ist erfreulich, diesen wirklich zutreffenden Kommentar zu lesen. Sie übt berechtigte Kritik an den Forderungen der Verdi-Funktionäre. Gott sei Dank muss man in letzter Zeit nicht mehr so oft die Forderung von 10,5 Prozent Erhöhung oder mindestens 500 Euro pro Monat lesen. Diese Forderung des Betrages entspricht nämlich einer Erhöhung der unteren und mittleren Einkommen von 23 bis 30 Prozent.

Anscheinend haben die „Rechenkünstler“ von Verdi das jetzt bemerkt. Ich füge diesen Streiks noch ein weiteres Negativum bei: Es gibt sicher viele Menschen, denen der Klimaschutz sehr wichtig ist und die sich überlegt haben, eventuell auf das Auto zu verzichten und stattdessen mit Bus oder Bahn zu fahren. Nach den Streiks werden sie das wohl bleiben lassen und weiter mit dem Auto zur Arbeit oder zu anderen Terminen fahren. Das hat der Streik auf jeden Fall schon mal bewirkt!

Klaus Stumpf-Hengelhaupt aus Aachen meldet sich zum Bericht „Scharfe Kritik vor großem Streik“ sowie dem Kommentar „Maß und Mitte verloren“ zu Wort:

Seit über 30 Jahren habe ich täglich die Aachener Nachrichten gelesen. Nach der Zusammenführung mit der Aachener Zeitung, die ich mangels Alternative nun täglich lese, wird die fortschreitende Umorientierung von früher relativ ausgewogener wirtschaftspolitischer Berichterstattung hin zu marktliberaler Meinungsmache immer deutlicher.

In der Ausgabe vom 27. März stellen prominent auf der ersten Seite hochbezahlte Arbeitgebervertreter, kräftig unterstützt von ihnen nahestehenden Experten, die grundgesetzlich garantierte Berechtigung des Warnstreiks der Kolleginnen und Kollegen von Verdi und EVG infrage. Auf Seite vier derselben Ausgabe polemisiert Frau Antje Höning in substanzloser Weise mit Formulierungen wie „... Verdi missbraucht das kostbare Streikrecht ...“, „...Verdis Streikwahn vor Gericht stoppen ...“, „Streik-Orgie“, „Furor von Verdi“, ... die Gewerkschaft ruiniert den Staat ...“ etc. gegen die Gewerkschaften und das Streikrecht.

Versteckt als Frage formuliert, fordert sie die Arbeitgeber dazu auf, während des Warnstreiks die Löhne nicht zu zahlen und Mitarbeiter auszusperren. Dazu muss man wissen, dass im Falle einer Aussperrung auch kein Lohn gezahlt wird. Nach einem Beitrag über die Argumente der beiden Gewerkschaften, die für die Verbesserung der Lebensbedingungen von Menschen kämpfen, die mit Bruttoverdiensten zwischen 2200 bis 3200 Euro pro Monat harte Arbeit, teilweise im Schichtbetrieb, leisten und die in den vergangenen Jahren massive Reallohn- und Kaufkraftverluste hinnehmen mussten, habe ich in der Ausgabe vom 27. März vergeblich gesucht. Das ist schade. Guter und verantwortungsvoller Journalismus geht anders.

Jürn Albrecht aus Wassenberg befasst sich ebenfalls mit dem Kommentar zum Streik:

Nachdem uns die Aachener Zeitung in allen Regionalausgaben den Untergang des Abendlandes als Folge des gemeinsamen Streiks von Verdi und EVG prophezeit hat, setzt der Kommentar „Maß und Mitte verloren“ der eh schon tendenziösen Berichterstattung die Krone auf. Von einem Missbrauch des kostbare Streikrechts ist die Rede und gar von der Gefährdung der Schulkinder durch Verdi-Funktionäre. Das ist ein mehr als schäbiges Argument, um die Bevölkerung gegen den Streik und die Vertreter der Arbeitnehmer aufzubringen.

Auch der EVG Heuchelei zu unterstellen, wenn sie ankündigt, über Ostern nicht zu streiken, ist beleidigend. Die Spitze des Kommentars dann im letzten Absatz: Unverhohlen wird gefordert, Streiks gerichtlich verbieten zu lassen und sogar die Aussperrung ganzer Belegschaften und Berufsgruppen zu veranlassen, um damit die Streikkassen zu belasten. (Daraus erfolgt nämlich die Bezahlung der Streikenden.) Die Autorin wäre gut beraten, sich mit dem Thema Tarifautonomie zu befassen, bevor ein so einseitiger Kommentar den Lesern zugemutet wird.

PS: Schon am Montagmorgen war deutlich, dass der Untergang wieder einmal verschoben werden muss und sogar größere Verkehrsbehinderungen entgegen allen Unkenrufe ausgeblieben sind.

Edmund Feiter aus Aachen kritisiert den Kommentar von Antje Höning:

Ihre Kommentatorin Frau Höning hat selbst beim Schreiben ihres Kommentars das „Maß und die Mitte verloren“. Höchstrichterlich wurden Warnstreiks für rechtens erklärt. Dies scheint ihr nicht bekannt zu sein. Einer Gewerkschaft, die ihr Recht wahrnimmt, Missbrauch vorzuwerfen, ist schon dreist. Die Gewerkschaften haben im Übrigen die wenigen Warnstreiktage im Voraus angekündigt.

Insofern finde ich es ärgerlich, wenn Frau Höning feststellt, dass die Gewerkschaften den Staat „ruinieren“ könnten. Vielmehr zeigt das gewerkschaftliche Tun, dass sehr wohl Verantwortung bei den Gewerkschaften zu finden ist. Auch Kommentare können eine allgemeine Stimmung negativ beeinflussen, insofern finde ich es unglaublich, wenn sie „Heuchelei“ unterstellt, wenn die Gewerkschaften ankündigen, über die Osterfeiertage nicht zu streiken.

Stefanie Randerath aus Aachen geht der „penetrante Streik im Land gehörig auf die Nerven“:

Ein kurzer Rückblick: 20.03. Aseag-Streik! 21.03. Aseag-Streik! 22.03. Benötigter Aseag-Bus fällt aus. Am 23.03. Streik. Und ich hoffte, nach einem frühen Arztbesuch am Hauptbahnhof, den ich zu Fuß erreicht hatte, einen Bus zum Klinikum zu bekommen, den die Aseag auf ihrer Anzeigetafel mit „Abfahrt in … Minuten“ anzeigte. Diese Busse sollen laut Information des Unternehmens fahren, da sie von Auftragsunternehmen bedient werden. Diesen möchte ich an dieser Stelle meinen Dank aussprechen, denn so konnte ich immer – wenn auch verspätet – zum Dienst erscheinen. Nachdem ich fast 25 Minuten auf besagten Bus gewartet hatte, nahm ich mir ein Taxi zur Uniklinik – auch mal ein schöner, kostspieliger Luxus, den mir niemand finanziert.

Ich habe grundsätzlich nichts gegen Streik, aber machen sich diese Unternehmen und deren Arbeitnehmer auch mal Gedanken, wovon ihre überhöhten Forderungen in diesen Zeiten finanziert werden sollen? Am Ende „freuen“ sich doch immer nur die Kunden über eine saftige „Anpassung“ der Fahrpreise. Niemand braucht sich zu wundern, dass kaum noch Menschen bereit sind, sich für den ÖPNV zu entscheiden.

Und abgesehen von der derzeitigen Situation ist die Aseag in puncto Kundenfreundlichkeit, Zuverlässigkeit und Preisgestaltung nur schwer zu ertragen, und sie sollte mal darüber nachdenken, wie man in Zukunft wieder Menschen für sich gewinnen kann – egal, ob als Personal oder als Fahrgast. Und dann am 28.03.: Endlich wieder Streik, zu spät zum Dienst und jede verspätete Minute zeigt sich in der Zeiterfassung als Minus. Danke, Aseag!

Fritz Cremer aus Stolberg äußert sich zum Bericht „Auch beim Streik am Montag gilt die Schulpflicht“:

Kleiner Tipp: Seit Corona können alle an der Schule Beteiligten Distanzunterricht. Das wäre bei einem Streiktag doch vielleicht eine Alternative. Aber dazu müsste man schon denken können.