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Aachen/Bochum: Warum die Rechten Erfolg haben

Aachen/Bochum : Warum die Rechten Erfolg haben

Nach den jüngsten Wahlerfolgen rechtsextremistischer Parteien werden die Ursachen für deren Wiedererstarken gesucht. Sind es Frust und Protest gegen Sozialreformen, oder liegen die Gründe vor Ort? Der Bochumer Politikwissenschaftler Uwe Andersen beantwortet dazu die Fragen unseres Redakteurs Udo Kals.

NPD, DVU und Republikaner - sind diese Parteien auf lokaler Ebene vergleichbar, oder gibt es Unterschiede?

Andersen: Prinzipiell besteht eine große Ähnlichkeit unter den Parteien, da sie dieselben Vorurteile und Themen ansprechen. Dabei muss man aber auch sehen, dass es von Kommune zu Kommune Unterschiede geben kann - das hängt von den handelnden Personen ab. Strukturell gibt es schon große Unterschiede. Die DVU wird etwa von Gerhard Frey aus München zentral gesteuert. Diese straffe Organisation gibt es bei den anderen in der Form nicht.

Wie stark ist nationalsozialistisches Gedankengut in den Parteien verankert? Wie aktiv sind Neo-Nazis dort?

Andersen: Rechtsextremistische Gedanken sind sehr ausgeprägt. Aber auch hier: Vor Ort muss das nicht immer der Fall sein. Brenzlig wird es, wenn die Parteien Kandidaten finden, die in der Kommune ein gewisses Ansehen haben und die man nicht in die rechte Ecke stellen kann. Zudem sollte man nicht den Fehler machen, die Wähler mit dem rechtsextremistischen Gedankengut zu verbinden; das sind viele nämlich nicht. Vielleicht haben sie oftmals aus Protest rechts- oder linksextremistisch gewählt - glücklicherweise nicht so häufig wie bei den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen. Aber sie haben auch in NRW Protestsignale gesetzt.

Heißt das, dass wegen der unvermeidlichen Reformen - etwa in den Bereichen Rente oder Gesundheit - weiterhin mit Wahlerfolgen der Rechten zu rechnen ist?

Andersen: Das hängt davon ab, wie die Reformen vermittelt werden. Bei HartzIV etwa sind nicht nur handwerkliche Fehler gemacht worden. Vielmehr ist das Gesamtkonzept nicht erklärt worden: Wozu brauchen wir die Reformen? Wenn die Menschen das verstehen, also Licht am Ende des Tunnels sehen, würden sie den Reformprozess viel eher akzeptieren - und das würde sich wohl auch auf die Wahlentscheidung auswirken. Es gäbe nicht mehr so viele Protestwähler.

Liegt der Grund für das Erstarken der Rechten denn nur im Protest?

Andersen: Nun, der Erfolg dieser Parteien ist eine Mischung aus bundes-, landes- und kommunalpolitischen Themen. Der Wähler zieht eine Bilanz aus allen Elementen. Generell ist aber zu konstatieren, dass der Wähler im Vergleich zu den Kommunalwahlen 1999 sich stärker an kommunalen Problemen orientiert hat. Das ergibt sich etwa auch aus den Ergebnissen von CDU und SPD, die landesweit gesehen sehr unterschiedlich sind und die sich nicht nur mit sozialstrukturellen Argumenten erklären lassen. Da ist auch auf Missstände in der jeweiligen Kommune reagiert worden. Das sollte man genau analysieren: Wo gibt es in meiner Stadt Hochburgen, gab es Skandale oder Probleme, die von den Rechten genutzt wurden? Daran muss gearbeitet werden. Aber vor allem müssen die Politiker wieder auf die Menschen zugehen, mit ihnen reden, ihre Sorgen ernst nehmen.

Kann man denn davon ausgehen, dass sich in einer Stadt wie Alsdorf, in der die Republikaner zum dritten Mal in den Stadtrat eingezogen sind, die Wähler-Partei-Bindung verfestigt hat?

Andersen: Das ist eine spannende Frage. Die Situation vor Ort ist entscheidend. Aber bei dieser Konstellation ist zu vermuten, dass die Parteien zumindest in „rechten Nestern” der Stadt Fuß gefasst haben. Es gibt ein anderes Beispiel aus dem linken Spektrum: Gladbeck. Da hat sich die DKP vor einiger Zeit von den alten Kämpen verabschiedet. Trotz vieler neuer Gesichter haben die Kommunisten trotzdem ihr Wählerpotenzial vermehrt. Dort existiert eben ein spezielles Biotop, dort gibt es einen Nährboden.

Wie ist im Falle der Aachener Region den rechten Parteien zu begegnen - ignorieren, attackieren oder isolieren?

Andersen: Es gibt kein Patentrezept. Aber ich halte es für verfehlt, die Rechten einfach in die Schmuddelecke zu stellen. Vielmehr sollten sich die Parteien und Politiker offensiv mit ihnen auseinander setzen. In der Regel äußern sie sich nur bei speziellen Themen. Und bei einer sachlichen Auseinandersetzung zeigt sich leicht, dass die Argumente der Rechten hohl sind. Die Form der Konfrontation hängt natürlich auch davon ab, wie diskussionsfähig die Vertreter etwa von NPD, DVU oder Republikanern sind. Sie einfach zu ignorieren oder etwa aus Gremien wie Ausschüssen hinausdrängen zu wollen, ist keine erfolgversprechende Strategie. Im Gegenteil, dies wäre verfehlt. Dies würde die Rechten zu so etwas wie Märtyrern machen.