Aachen : Warum die Adern immer mehr zumachen
Aachen Christian Weber wirkt nicht besonders verlegen, wenn man ihn fragt, ob seine Forschung einmal mit dem Nobelpreis gewürdigt werden könnte. Nach einer schon ziemlich zügigen Karriere leitet der 39-jährige Medizinprofessor am Uniklinikum der RWTH nun ein Projekt, das in späteren Jahren einmal vielen Menschen helfen könnte - und dann sicherlich preiswürdig wäre.
Der Molekularbiologe und sein großes Team gehen einer wesentlichen Ursache für den Herzinfarkt auf den Grund, der Arteriosklerose. Eine sehr komplexe Angelegenheit, nichts für schnelle Erfolge. Doch am Ende könnte eine sehr wirksame Therapie stehen.
Arteriosklerose - auch Atherosklerose genannt und umgangssprachlich als Arterienverkalkung bekannt - ist die allmähliche Verengung und Verhärtung von Arterien durch die Ablagerung von Fetten, Bindegewebe, weißen Blutkörperchen und Kalk. Dieser zunächst normale Alterungsprozess ist besonders gefährlich, wenn er die Adern trifft, die Gehirn, Nieren und Herz versorgen.
Begünstigt wird eine krankhafte Verengung der Gefäße durch eine Reihe von Risikofaktoren: Rauchen, hoher Blutdruck, Übergewicht, Diabetes, Stress, erhöhter Cholesterinspiegel. Aber auch das männliche Geschlecht und das Erbgut spielen eine Rolle.
Abgesehen von der Änderung des Lebensstils (Diät, Bewegung) und chirurgischen Maßnahmen (Ballonkatheter, Bypass) gibt es bislang nur die Möglichkeit, das Fortschreiten von Arteriosklerose durch Medikamente zu verlangsamen. Dazu gehören Mittel, die den Blutdruck und/oder den Cholesterinspiegel senken. Die Methoden sind zwar symptomatisch sehr wirksam. Solche Medikamente beeinflussen aber nicht die eigentlichen Ursachen: die biochemischen Prozesse nämlich, die dafür sorgen, dass überhaupt Stoffe in die Gefäßwände eindringen und sich dort ablagern können.
Hier setzt das Forschungsprojekt am Aachener Uniklinikum an, für das die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) allein in den nächsten Jahren drei Millionen Euro zur Verfügung stellt.
„Das ist ein vielstimmiger Chor, der auf die Gefäßwände wirkt”, bemüht der Hobbygeiger Christian Weber einen einfachen Musikvergleich, um ungleich komplizierteres Geschehen zu beschreiben. Und „nur” einen bestimmten Teil dieser Vorgänge untersucht das Aachener Projekt. Es geht um jene Boten- oder Lockstoffe, die dafür sorgen, dass sich die weißen Blutkörperchen überhaupt zu den Gefäßen aufmachen. Das sind so genannte Chemokine.
Und es geht um die Proteine (Eiweiße), die die einzelnen Zellen der Gefäßwand aneinander binden, sie also dicht halten - solange sie intakt sind. Daher heißen sie Adhäsions-Moleküle. Die Forscher wollen also herausbekommen, warum diese Eindringlinge eigentlich in die Arterie wollen - und wer ihnen die Tür aufmacht.
Dass sich weiße Blutzellen (Leukozyten) anhäufen, deutet darauf, dass eine Entzündung im Spiel ist. Und dass es sich bei Arteriosklerose im Wesentlichen um einen entzündlichen Prozess handelt, hatte schon Rudolf Virchow (1821 bis 1902) in der Mitte des 19. Jahrhunderts beschrieben. Seine Entdeckung blieb aber lange unverstanden und gilt erst seit rund zehn Jahren als akzeptierte Standard-Theorie. Bis dahin hatte man lange angenommen, dass Bakterien oder Viren die Auslöser der krankhaften Sklerose wären.
„Arteriosklerose ist eine fehlgeleitete entzündliche Immunerkrankung”, sagt Professor Weber, der sich gerne auf den berühmten deutschen Pathologen beruft. Nachdem die Entzündungszellen, also die weißen Blutzellen, durch die Gefäßwand gebrochen sind, kommen die Fresszellen (Makrophagen) des Immunsystems nach, suchen die im Blut schwebenden Fette (das Cholesterin), vertilgen sie und setzen sich sozusagen voll gefressen an der Gefäßwand fest. Das ist der erste Schritt zur Verengung der Blutgefäße. Schließt sich die Arterie ganz, etwa in den Herzkranzgefäßen, kommt es zum - oft tödlichen - Infarkt.
Publikationen geplant
Fünf bis zehn Botenstoffe steuern diesen Prozess. Deren Wirkungsweise zu erforschen - und die der Adhäsionsmoleküle -, damit haben sieben Projektgruppen aus fünf Instituten des Uniklinikums sowie eine Abteilung der Uni Maastricht einige Jahre lang zu tun. „Wir wollen die Vermittler der Schäden eingrenzen”, sagt Weber. Heraus kommen soll eine Reihe „hochkarätiger” Publikationen in den international wichtigsten Fachzeitschriften. „Die Anerkennung der Fachwelt” ist naturgemäß das erste Erfolgskriterium eines Grundlagenforschers.
Und für die Patienten? Aus solcher Forschung können einmal Medikamente hervorgehen, die die gefährlichen Prozesse in den Arterien unschädlich machen. Die faszinierende Idee: Die Zellen, die freundlicherweise das Cholesterin gefressen haben, dazu zu bringen, sich damit nicht an die Arterienwand zu heften, sondern das Gefäß wieder zu verlassen, das schädliche Fett also zu entsorgen.
Denn, da denkt Professor Weber ganz praktisch: „Es geht an der Realität vorbei, dass sich die Menschen alles Fett und jedes Stück Kuchen verbieten lassen.” Da winkt auf jeden Fall ein Preis.
DFG-Projekt mit der Partneruni Maastricht
Etwa die Hälfte der Sterbefälle infolge von Herz-Kreislauferkrankungen lassen sich auf die Verengung bzw. den Verschluss von Blutgefäßen zurückführen. Einige der Ursachen dieser Arteriosklerose (Atherosklerose) untersucht das von Prof. Christian Weber geleitete Forschungsprojekt: „Chemokine und Adhäsionsmoleküle in der kardiovaskulären Pathogenese”.
Prof. Weber ist Direktor des Instituts für Kardiovaskuläre Molekularbiologie (Biologie des Herzens und der Gefäße) an der RWTH. 2001 nach Aachen berufen, hatte Weber die Funktion von Chemokinen bereits an der LMU München und an der Harvard Medical School/USA erforscht.
Eine der sieben Projektgruppen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit drei Millionen Euro finanzierten Projekts leitet die kürzlich als junge Spitzenforscherin in die NRW Akademie der Wissenschaften berufene Dr. Alma Zernecke.
Partner des Projekts ist die Uni Maastricht, die über spezielle Mikroskope und kardiovaskuläre Kompetenz verfügt, und an der Weber als Dozent und Zernecke über ein Stipendium tätig sind.