Köln : Vom gezinkten Würfel bis zum Sarkophag
Köln Die Archäologen und Paläontologen der Bodendenkmalpflegeämter in NRW haben einen faszinierenden Beruf: Sie sind (wissenschaftliche) Sachensucher, Geschichtenerzähler und Detektive in einer Person.
Ihr Arbeitsort ist eine einzigartige Kulturlandschaft in Mitteleuropa, angefüllt mit Zeugnissen unserer Vergangenheit, die bis in die Zeit des Neandertalers zurückreichen. Weil die Tätigkeit dieser Ämter jedoch weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet, hat es sich das Land zur Aufgabe gemacht, in regelmäßigen Abständen einen Rechenschaftsbericht abzulegen.
150 Grabungen
Zum vierten Mal zeigt das Römisch-Germanische Museum deshalb einen Überblick über herausragende Funde und Forschungsergebnisse in NRW. Was das Erdreich von 2000 bis Februar dieses Jahres preisgab, ist in der Ausstellung „Von Anfang an. Archäologie in NRW” zu sehen. Unter anderem als Beweis „für die sinnvolle Verwendung von Steuergeldern”, wie es Professor Hans-Günter Horn, einer der drei Ausstellungsleiter, formuliert.
Bis zum 28. August illustrieren in Köln rund 6000 Objekte aus etwa 150 Grabungen einen Zeitraum, der von der Urgeschichte bis zur Neuzeit reicht. Die Schau im Auftrag des Minsteriums für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport des Landes Nordrhrein-Westfalen wurde über vier Jahre hinweg in enger Zusammenarbeit mit dem Rheinischen Amt für Bodendenkmalpflege/Rheinisches Landesmuseum Bonn, dem Westfälischen Museum für Archäologie/Landesmuseum und Amt für Bodendenkmalpflege Münster und dem Römisch-Germanischen Museum/Archäologische Bodendenkmalpflege der Stadt Köln vorbereitet.
Sie ist überwältigend. Die Liste der 36 Leihgeber umfasst Museen, Gemeinden und Ämter, Privatleute, Vereine und Interessensgemeinschaften, Referate, Stadtarchäologien und Stiftungen. Das, was sie gemeinsam an Schätzen zusammengetragen haben, reicht von fossilen Einhornhaien aus dem Karbon über Steppenbison-Schädel und Milchzähne von Mammutkälbern. Steingeräte der Bandkeramiker sind zu sehen, das Modell eines jungsteinzeitlichen Hofes oder Halsringe aus der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts, die ihren Trägerinnen untrennbar umgeschmiedet wurden.
Es gibt ein Wiedersehen mit den römischen Sarkophagen aus Weilerswist - die als Opfer von Raubgräbern traurige Berühmtheit erlangten -, aus den Zülpicher Thermen tauchen kleine Bronzeplastiken auf, und ein Steinacker bei Jülich-Kirchberg birgt eine fränkische Pumpenspritze zur Feuerbekämpfung.
Friedhöfe, Landgüter und die mittelalterliche Wasserleitung von Burg Blankenheim, die sich über einen Kilometer von der Quelle bis zur Feste erstreckte, werden anschaulich rekonstruiert. Auch die älteste Zahnbürste Europas (zweite Hälfte 17. oder frühes 18. Jahrhundert, Minden), hauchzarte, venezianische Gläser aus einem Paderborner Kaufmannshaushalt oder reiche römische Grabbeigaben kann man bewundern.
Neben Kuriositäten wie dem gezinkten Würfel eines Falschspielers, der aus einer Kloake in Höxter gefischt wurde, oder 220 Deckeln, die ohne die dazugehörigen Töpfe in Soest ans Tageslicht kamen, erzählen Näpfe, Becher und Löffel vom traurigen Leben der Zwangsarbeiter, die 1942 bis 1944 in einem Lager bei Jülich untergebracht waren.
Die Ausstellung, die durch inszenierte Geschichte, viele Modelle, Spielfigürchen und begehbare Elemente wie einem nachgebauten Tunnel begeistert, wandert anschließend (vom 23. September 2005 bis 5. Februar 2006) ins Westfälische Museum für Archäologie/Landesmuseum Herne.
„Von Anfang an. Archäologie in Nordrhein-Westfalen”. Römisch-Germanisches Museum der Stadt Köln, Roncalliplatz 4, Tel.0221/221-24590. Internet: www.museenkoeln.de
Geöffnet bis 28. August täglich (außer Mo.) von 10-17 Uhr, Mi. 10-20 Uhr.
Eintritt: Kombiticket Sonder- und Dauerausstellung 6 Euro, ermäßigt 3,50 Euro. Schüler im Klassenverband: 2,50 Euro.
Buch zur Ausstellung: 604 Seiten, 15 Euro (im Museumsladen), 25 Euro (im Buchhandel).