Preisstifter reagiert auf Rückzug der Stadt Aachen : Aachener Kunstpreis wird an Walid Raad verliehen
Aachen Bei allem Verständnis für das politische Signal des Aachener Oberbürgermeisters: Der Verein der Freunde des Ludwig Forums bleibt bei seiner Entscheidung, den libanesisch-amerikanischen Künstler Walid Raad auszuzeichnen.
Trotz des Rückzugs der Stadt Aachen wird der Verein der Freunde des Ludwig Forums dem libanesisch-amerikanischen Künstler Walid Raad den Aachener Kunstpreis am 13. Oktober verleihen. Das hat der Vorstand des Vereins am Dienstag mehrheitlich beschlossen. Die Entscheidung fiel mit rund zwei Dritteln der Stimmen zu einem Drittel, das die Preisverleihung absagen wollte. Der Verein der Freunde des Ludwig Forums ist Stifter des Preises.
Aachens Oberbürgermeister Marcel Philipp hatte am Montag mitgeteilt, dass sich die Stadt Aachen aus der Verleihung des Kunstpreises an Raad zurückziehe. Er gehe davon aus, dass Raad Anhänger der antiisraelischen Bewegung BDS (Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen) sei und „an Maßnahmen zum kulturellen Boykott Israels beteiligt war“, hatte Philipp erklärt. Die BDS-Bewegung ruft seit fünf Jahren dazu auf, Waren, Dienstleistungen, Künstler, Wissenschaftler und Sportler aus Israel zu boykottieren.
„Es hat eine heftige, kontroverse Diskussion in der Vorstandssitzung gegeben“, sagte Vorstandsmitglied Michael Müller-Vorbrüggen unserer Zeitung. Es sei eine schwierige Aufgabe, die Preisverleihung ohne die Stadt zu realisieren, weil nunmehr städtische Räume nicht zur Verfügung stehen. Trotz des Vorstandsbeschlusses sagte Müller-Vorbrüggen: „Wir können die Stadt gut verstehen, dass sie ein Signal setzen will.“ Der Verein sei aber der Kunst und nicht der Politik verpflichtet. Er sei froh, dass die Stadt es dem Verein freigestellt habe, den Preis in eigener Verantwortung zu verleihen.
„Der Freundeskreis respektiert die Entscheidung der Stadt, wenngleich er ihr nicht folgt. Der Verein der Freunde des Ludwig Forums ist kein politischer Verein, sondern ein Kunstverein“, heißt es in einer Pressemitteilung des Vereinsvorstands. „Seitens des Vereins sind bislang keine Fakten gefunden worden, die eine antisemitische Haltung von Walid Raad bestätigen würden, er versucht aber weiterhin, zu einer eindeutigen Klärung der im Raum stehenden Ansichten des Künstlers zu kommen.“
Was Walid Raad selbst über sein Verhältnis zur BDS-Bewegung sagt, konnte auch unsere Zeitung bislang von ihm nicht erfahren. Er war auch am Dienstag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Wolfgang Becker, Gründungsdirektor des Ludwig Forums, kritisiert Philipps Entscheidung: „Ein Kunstpreis kann sich mit Fug und Recht auf die Freiheit der Kunst berufen.“ Dass Raad dem Oberbürgermeister nach dessen Aussage „mokant und süffisant“ auf die Frage nach der BDS-Bewegung geantwortet hat, stört Becker nicht – im Gegenteil. „Wie anders kann ein Künstler, der als Künstler und nicht als Politiker geehrt werden soll, antworten?“ Die „Kulturstadt“ Aachen verdiene die Gänsefüßchen immer mehr.
Andreas Beitin, ehemaliger Direktor des Ludwig Forums, begrüßte auf Anfrage unserer Zeitung die Entscheidung des Vereinsvorstands. „Ich freue mich, dass Walid Raad den Preis erhält.“ Er habe aber auch Verständnis dafür, dass die Stadt Aachen Handlungsbedarf sieht – zumal nach den Beschlüssen des Bundestags und des nordrhein-westfälischen Landtags. Beide Parlamente hatten vor einigen Monaten die Argumentationsmuster und Methoden der BDS-Bewegung als antisemitisch verurteilt.
Die BDS-Bewegung ist hoch umstritten und steht im Verdacht, antisemitisch zu sein. Der Verfassungsschutz verdächtigt sie, Israels Existenzrecht infrage zu stellen.