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Neu im Kino: „Das Ereignis“: Ungewollt schwanger und ganz allein

Neu im Kino: „Das Ereignis“ : Ungewollt schwanger und ganz allein

Der Venedig-Gewinner kommt in die Kinos: „Das Ereignis“ handelt von einer Studentin, die 1963 heimlich abtreibt und dabei ihr Leben riskiert. Erschreckend aktuell!

„Das Ereignis“ von Audrey Diwan hat beim Filmfestival von Venedig 2021 den Goldenen Löwen als bester Film erhalten, gegen eine Konkurrenz von Regisseuren wie Paolo Sorrentino und Pedro Almodóvar. Das erschütternde Drama nach dem gleichnamigen autobiografischen Buch von Annie Ernaux erzählt eine eigentlich „alte Geschichte“. Die aber erneut furchtbar aktuell wird in einer Zeit, in der das Recht auf weibliche Selbstbestimmung selbst innerhalb von Europa und Amerika wieder zurückgenommen wird – wie etwa ein Blick nach Polen oder Texas zeigt.

Anne (Anamaria Vartolomei) ist eine exzellente Literaturstudentin, eine starke junge Frau, die weiß, was sie will. Es ist das Jahr 1963 in Frankreich, Studentinnen leben im separaten Wohnheim. Das andere Geschlecht reizt bei Tanzabenden, doch über den Begegnungen schwebt die Angst vor dem Unausgesprochenen. Dann erwischt es auch Anne: Im Heißhunger klaut sie Essen aus dem Kühlschrank von Kommilitoninnen – klares Anzeichen einer Schwangerschaft! Die junge Frau will unbedingt ihr Leben und ihr Studium weiterführen. Aber bei einem Schwangerschaftsabbruch droht eine Gefängnisstrafe für das Opfer und den Arzt. Aus Äußerungen ihrer Umgebung merkt Anne schnell, dass sie mit der Situation allein zurechtkommen muss.

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Während der Film nüchtern die Wochenzahl der fortschreitenden Schwangerschaft einblendet, versucht es Anne verzweifelt mit Selbstmedikation. Sie drängt ihren fürsorglichen, aber ängstlichen Gynäkologen, ihr einen Kollegen zu vermitteln. Der wird allerdings etwas verschreiben, das die Schwangerschaft nicht abbricht, sondern fördert. Eine schockierende Entdeckung, die zeigt, wie wenig Frauen das Recht zugesprochen wird, über ihren eigenen Körper zu bestimmen.

Regisseurin Audrey Diwan inszeniert ihren zweiten Spielfilm geschickt: Angesichts des Verzichts auf allzu viele altmodische Äußerlichkeiten und Annes selbstbewusster Haltung lässt sich vergessen, dass die Handlung mehr als ein halbes Jahrhundert zurückliegt. Tatsächlich ist das Thema Schwangerschaftsabbruch nach Jahrzehnten Kampf um Frauenrechte wieder erschreckend aktuell: In Polen etwa wurde das Abtreibungsgesetz verschärft, in den USA werden Gynäkologen bedroht.

Der sehr bewegende Film erspart uns nichts von Annes Leiden an der furchtbaren Situation. Selbst der Besuch bei einer Frau, die illegal Abtreibungen vornimmt, ist erst nicht erfolgreich. Dabei verlässt sich „Das Ereignis“ ganz und ruhig auf das inhärente Drama der Geschichte, die Filmmusik setzt nur leicht gezupfte Akzente.

Das funktioniert vortrefflich und preiswürdig durch das intensive Spiel von Anamaria Vartolomei (22) – eine tolle Entdeckung! Die Rumänin gab ihr Schauspieldebüt 2011 als Zehnjährige in „I’m Not a F**king Princess“ neben Isabelle Huppert. Im Historienfilm „Ein königlicher Tausch“ (Originaltitel: L'échange des princesses, 2017) fiel sie als zwölfjährige Tochter des französischen Regenten auf. Für die Rolle der Anne in „Das Ereignis“ gewann sie einen Prix Lumière als beste Darstellerin sowie den César als beste Nachwuchsdarstellerin. (Aachen: Apollo) ★★★★★

„Das Ereignis“ (Frankreich 2021), Regie: Audrey Diwan, mit Anamaria Vartolomei, Kacey Mottet Klein, Sandrine Bonnaire, 100 Min., FSK: ab 12