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Opernpremiere in Bonn: Spiel mit nationalistischen Ressentiments

Opernpremiere in Bonn : Spiel mit nationalistischen Ressentiments

Die Bonner Oper bringt einst umstrittene Schlüsselwerke des Musiktheaters der Nachkriegsjahre wieder auf die Bühne. Die Neuinszenierung von Rolf Liebermanns „Leonore 40/45“ wirkt frisch und aktuell.

Die Versuche der Bonner Oper, einst umstrittene Schlüsselwerke des Musiktheaters der Nachkriegsjahre neu zu entdecken, gehören zu den interessantesten und innovativsten Angeboten der derzeitigen Opernlandschaft. Hat Mauricio Kagels „Staatstheater“, das Bonn im vergangenen Jahr wieder erweckte, schon ein wenig Patina angesetzt, strahlt Rolf Liebermanns „Leonore 40/45“ eine Frische und Aktualität aus, mit der es zum Repertoire-Stück taugt. 1952 in Köln uraufgeführt und in den ersten Jahren vielfach nachgespielt – unter anderem auch an der Mailänder Scala – hat es damals allerdings Proteste und Skandale ausgelöst, die heute nur noch schwerlich nachzuvollziehen sind, aber deutlich machen, dass nationalistische Ressentiments und eingewachsene Feindbilder seinerzeit längst nicht überwunden waren.

Es geht um den deutschen Musiker Albert und die französische Sängerin Yvette, die sich verlieben, durch den Krieg jedoch getrennt werden. Als sie sich nach Kriegsende wieder begegnen und heiraten wollen, heißt es lapidar: „Besatzer und Besetzer sagen nein.“ Die Behörden der deutsch-französischen „Erzfeinde“ sind sich einig in der Verfestigung der Feindschaft. Erst ein „rettender Engel“, der wie der Minister in Beethovens „Fidelio“ in die Handlung eingreift, sorgt für ein ironisch gebrochenes Happy End.

Der Titel „Leonore 40/45“ bezieht sich auf die Hauptfigur von Beethovens „Fidelio“. Komponist Rolf Liebermann, der ehemalige Intendant der Hamburgischen Staatsoper, verzichtet zum Glück darauf, Beethovens Musik verbessern zu wollen, sondern setzt mit seiner virtuos vitalen Musik eigene Akzente. Die klingt modern, aber dennoch sinnlich anregend und schmerzfrei konsumierbar. Sie ist angereichert mit Assoziationen an romantisch zarte und stramm marschartige Klänge aus deutschen Landen und luftig-charmanten Tönen des französischen Neoklassizismus.

Regisseur Jürgen R. Weber greift den Faden auf und teilt die Bühne in eine „deutsche“ und eine „französische“ Wohnstube, augenzwinkernd ausstaffiert mit allerlei Klischeehaftem zu beiden Nationen. Nichts verirrt sich in oberflächlichem Klamauk, aber auch nichts in dozierendem Pathos. Die Beklemmung angesichts des nationalistischen Irrsinns bleibt dennoch nicht aus.

Das Bonner-Publikum feierte die Premiere mit lang anhaltendem Beifall – für das szenische Team um Jürgen R. Weber ebenso wie für Kapellmeister Daniel Johannes Mayr, der das hinter der Szene postierte Bonner Beethovenorchester mit leichter und präziser Hand leitet. Gespielt und gesungen wird auf hohem Niveau. Nicht nur von dem zentralen Liebespaar mit Barbara Senator als Yvette und Santiago Sánchez als Albert, sondern auch von Joachim Goltz mit seinen Revue-artigen Einlagen als mephistophelisch schillernd auftretender „rettender Engel“.

Weitere Aufführungen im Bonner Opernhaus am 15., 17. und 22. Oktober. Karten sind telefonisch unter 0228/778008 oder unter www.theater-bonn.de erhältlich.