Theater Mönchengladbach : Ein langweiliges Leben im goldenen Käfig
Mönchengladbach Man mag Georg Büchners „Leonce und Lena“ als bissige Satire auch über unsere heutige Gesellschaft inszenieren – für die Politischen. Oder als Pubertäts-Komödie – fürs Theaterpublikum von morgen. Oder, oder.
In Mönchengladbach sucht und findet Anja Panse, die als freie Regisseurin zuletzt viel mit jungen Leuten gearbeitet hat, einen sehr theatralen Zugang zu Büchners Komödie. Sie schafft mit ihrer Ausstatterin Anna Siegrot faszinierende, starke Bilder für das bitterböse Märchen vom Prinzen Leonce, in dessen von langweiligem Müßiggang bestimmten Leben die Liebe in Gestalt von Prinzessin Lena einbricht. Dass Panse mit Büchners Text eher als Steinbruch umgeht, liegt bei etwas mehr als zwei Stunden Spielzeit (inklusive Pause) auf der Hand. Das Ergebnis kann sich dennoch sehen und vergnügt erleben lassen.
Es hat natürlich etwas von Brechstange, wenn König Peter aus dem Reiche Popo in Gestalt von Esther Keil als alte Vettel denunziert wird. Aber die Szene, in der die von Hofschranzen umscharwenzelte Königin von ihrem Roll-Thron steigt, um ihre Notdurft zu verrichten, ist so lustig, dass vom bissigen Humor Büchners zumindest eine Ahnung aufkommt.
Zunächst ein hermetisches Drinnen. Ein Gazekäfig nah ander Rampe. Der Chor der vier Schranzen psalmodiert das berühmte „E la fama? – E la fame?“ aus dem (gestrichenen) Prolog, mit dem Büchner auch auf den Bezug zwischen Kunst und Broterwerb verweist, der das Entstehen der Komödie bestimmte.
Philipp Sommer als Leonce, in Silberhose ausgestreckt auf grünem Sofa, darf die wunderbaren Worte sagen „Mein Leben gähnt mich an“, während er seine Geliebte Rosetta (Jannike Schubert) per Peitsche zum Tanzen bringt. Dass es sich dabei beherzt in die eigene Hose fasst, verstärkt das Bild der Selbstgenügsamkeit des Königssohns. Erst der von seinem Diener Valerio lancierte Ausbruch (in Rockerkluft und langer Mähne agiert Paul Steinbach cool Sancho-Panza-haft) öffnet das Draußen.
Natur, Sturm, ein herbstlicher Märchenwald, in den im goldenen Spiegel-Käfig Prinzessin Lena samt Gouvernante einschwebt. Carolin Schupa ist die bald schon junge Liebende im goldenen Taftkleid, Jannike Schubert das Valerio-Pendant. Glühendrot ist der Horizont der Liebe, nachtblau die selige Dunkelheit. Mythische Rabengestalten drehen eine goldene Sonne zum silbernen Mond. Große Bilder, die Theatermaschinerie wirkt mit fulminanter Kraft aufs Happyend hin, das dann aber vorhersehbar im Käfig stattfindet.
Leonce, dem eh das Hauptaugenmerk der Regie galt, findet sich auf altem Sofa wieder. Die kurze revolutionäre Selbstfindung des Volkes (eine Sache des Tons) hat sich erledigt. Nur Büchners Sicht auf Lena mag die Regisseurin nicht teilen. Statt einverstanden zu sein mit den komfortablen Verhältnissen, hämmert die neue Königin verzweifelt gegen die Gitterstäbe ihres goldenen Käfigs. Großer Zuspruch des Premierenpublikums.